Vorbeugen statt Nachsorgen
17. Mai 2010Wer ein privilegierter Nachbar der EU ist, ist noch lange kein Beitrittskandidat. Eine Beitrittsperspektive sei mit der Nachbarschaft nicht verbunden, betonte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Die Nachbarschaftspolitik der EU, für die Füle neben der Erweiterung zuständig ist, schließt zurzeit 16 Länder ein, mit denen die Union möglichst eng zusammenarbeiten möchte. "Die Nachbarschaftspolitik ist unser einziges wirkliches Werkzeug, um Stabilität und Wohlstand um uns herum zu stärken. Und sie ist deutlich billiger und wirkungsvoller, als die Folgen von Instabilität in den Ländern um die EU herum zu bekämpfen", sagt Füle.
Anreize für die EU-Nachbarn
2004 hatte die EU einen Annäherungsprozess unter dem Namen Nachbarschaftspolitik begonnen, damals noch unter der Leitung der Erweiterungskommissarin Benita Ferrero-Waldner. Diese Politik sei erfolgreich gewesen, sagt Stefan Füle. Zum Beispiel habe sich der Handel zwischen der EU und den Nachbarn im Osten und Süden stark ausgeweitet: Die Ausfuhren seien um mehr als 60 Prozent, die Einfuhren sogar um gut 90 Prozent gestiegen.
Aber nicht alles ist so positiv, wie es zunächst scheint. Zwar hätten viele Länder bei der Gesetzgebung im Bereich Menschenrechte und Grundfreiheiten Initiativen ergriffen. "Aber die Umsetzung hinkt hinterher", sagt Füle. Hier müssen die Staaten selbst handeln, die EU kann nur Anreize setzen. Sie bestehen in Finanzhilfen, Reiseerleichterungen und einer Einbindung in den EU-Binnenmarkt. Die jährlichen Finanzhilfen sollen - trotz Krise - von momentan 1,7 Milliarden auf zwei Milliarden Euro im Jahr 2013 erhöht werden. Für die Union ist das eine Investition in die Zukunft.
Von Weißrussland bis Marokko
Die Nachbarschaftsländer der Union ziehen sich in einem weiten, aber unterbrochenen Bogen um den Osten und Süden der EU herum: von Weißrussland, der Ukraine und Moldawien im Osten über mehrere Kaukasusländer bis hin zu Ländern an der gesamten östlichen und südlichen Mittelmeerküste. Auch die Palästinensische Autonomiebehörde ist ein eigener Partner.
Mit einer Reise in möglichst alle Nachbarschaftsländer will Füle versuchen, neue Beziehungen anzuknüpfen. Besonders gut läuft die Zusammenarbeit laut Füle mit Marokko, Moldawien und der Ukraine. Es gebe aber auch Länder, die sich der EU im Moment weitgehend verschließen. Füle nannte als Beispiel Syrien. Syrien ist auch Teil der 2008 gegründeten Mittelmeerunion. Hier unterhält die EU besonders enge Beziehungen zu den Mittelmeeranrainern und Ländern im Nahen Osten. Als großes Problem hat sich dabei immer wieder der Nahostkonflikt erwiesen. Streit zwischen verschiedenen Partnern im Nahen Osten hat schon des Öfteren Begegnungen mit der EU platzen lassen - auch wenn die EU selbst nichts damit zu tun hatte. Füle versuchte hier, ein häufiges Missverständnis auszuräumen: "Die Idee der Mittelmeerunion ist nicht, ein Forum zu bieten, um zu versuchen, den Nahostkonflikt zu lösen."
EU will kein Wettbewerber Russlands sein
Aber auch im östlichen Europa gibt es immer wieder Probleme bei der Nachbarschaftspolitik. Als besonders problematischer Partner beziehungsweise Nicht-Partner hat sich immer wieder das autoritär regierte Weißrussland herausgestellt. Hier wechseln sich hoffnungsvolle Phasen mit Rückschlägen ab.
Auch Russland hat die EU die Nachbarschaftspolitik angeboten, doch das Land ging nicht darauf ein und beobachtet die weitere Entwicklung mit Skepsis. "Wir wollen keinen Wettbewerb in dieser Region zwischen Russland und der EU, wir wollen Zusammenarbeit", betonte Füle jedoch. Auch wenn Russland am Nachbarschaftsprogramm nicht teilnehme, sei die EU durchaus an einer Kooperation bei bestimmten Projekten interessiert. Die Tür bleibt also offen.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn