Können internationale Investoren Israels Gazakurs ändern?
18. August 2025
Die israelische Regierung hat sich bislang auffällig zurückhaltend zu Norwegens Entscheidung vom 11. August geäußert, Investitionen aus mehrere israelischen Unternehmen teilweise abzuziehen, ausgelöst durch ethische Bedenken hinsichtlich des Krieges im Gazastreifen.
Der zwei Billionen Dollar (1,71 Billionen Euro) schwere norwegische Staatsfonds kündigte an, Investitionen aus elf mit Israel verbundenen Unternehmen abzuziehen und Verträge mit in diesem Land tätigen Vermögensverwaltern zu kündigen. Der Fonds leitete eine dringende Überprüfung ein, nachdem Medien berichtet hatten, dass er in ein Unternehmen investiert hatte, das Teile für israelische Militärjets herstellt.
Während israelische Medien Norwegens Vorgehen als "zutiefst beunruhigend" und "politisch motiviert" bezeichneten, glauben einige Analysten, dass israelische Beamte bewusst Zurückhaltung üben, um die so genannte Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS), die seit zwei Jahrzehnten eine Kampagne gegen Israel führt, nicht noch weiter zu ermutigen.
Symbolische Erfolge für die BDS-Boykottbewegung
Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 hat die BDS eine Reihe symbolischer und materieller Erfolge erzielt, indem sie Institutionen, Unternehmen und Regierungen unter Druck gesetzt hat, ihre Beziehungen zu israelischen Einrichtungen, die an der Besetzung der palästinensischen Gebiete beteiligt sind, abzubrechen. Die von Palästinensern geführte Bewegung wird von Israel und den USA regelmäßig des Antisemitismus bezichtigt.
Der Deutsche Bundestag verabschiedete sogar eine Resolution zu BDS - erstmals 2019 und erneut 2024 -, in der die Bewegung als "antisemitisch" bezeichnet und ihr der Zugang zu öffentlichen Mitteln untersagt wurde. BDS gewann neuen Schwung, nachdem israelische Streitkräfte nach den Angriffen der palästinensischen Miliz Hamas am 7. Oktober 2023 eine Militäroperation in Gaza gestartet hatten. Die Bewegung führte zu umfangreichen Desinvestitionen von Unternehmen wie bei den Finanzkonzernen AXA aus Frankreich und Scotiabank aus Kanada. Samsung Next, der Risikokapitalfonds des südkoreanischen Technologieriesen und 7-Eleven traten den Rückzug aus Israel an.
Eine von BDS organisierte Verbraucherbewegung traf auch McDonald's und die britische Sandwichkette Pret a Manger, während mehrere Städte und Universitäten in den USA unter dem Einfluss von BDS-Kampagnen Resolutionen verabschiedeten, um ihre Beziehungen zu israelischen Unternehmen abzubrechen.
Obwohl die Anteilsverkäufe durch Norwegen voraussichtlich nur eine begrenzte wirtschaftliche Auswirkung auf Israel haben werden, warnte der Ökonom Benjamin Bental von der israelischen Universität Haifa, dass dies einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte. Norwegen sende "ein Signal über die Aktivitäten israelischer Unternehmen, die ihm nicht gefallen, dem andere folgen könnten", sagte Bental der DW. "Wenn der Damm einmal gebrochen ist und es zu einer Flut kommt, wird dies von großer Bedeutung sein."
Norwegen überprüft israelische Beteiligungen
Der norwegische Staatsfonds, der weltweit größte seiner Art, hielt Ende 2024 Anteile an 65 israelischen Unternehmen im Wert von rund 1,95 Milliarden US-Dollar (1,67 Milliarden Euro). Er hält nach wie vor Beteiligungen an fast 50 israelischen Unternehmen. Der Fonds, eine Tochtergesellschaft der norwegischen Zentralbank, gab an, diese Beteiligungen aktiv zu überprüfen, um die Einhaltung des Völkerrechts sicherzustellen. Man plane nun, alle israelischen Projekte intern zu managen und künftige Investitionen auf Unternehmen zu beschränken, die im israelischen Aktienindex vertreten sind.
Die BDS-Bewegung begrüßte die Entscheidung Norwegens als "großen ethischen Sieg". Die Gewerkschaft LO, eine der einflussreichsten Arbeitnehmerorganisationen Norwegens, hat sich bei der Regierung für entschlossenere Maßnahmen eingesetzt. Die Mitglieder der Gewerkschaft haben kürzlich für einen vollständigen Wirtschaftsboykott Israels gestimmt.
Die Ankündigung Norwegens folgt auf eine Reihe von Desinvestitionen in ganz Europa. Im April 2024 hat sich der irische strategische Investmentfonds ISIF aus sechs israelischen Unternehmen zurückgezogen. Mehrere Gemeinderäte im Vereinigten Königreich haben ebenfalls Anträge verabschiedet, die ihre Pensionsfonds dazu verpflichten, ihre Investitionen in Israel aufzugeben.
Viele dieser Entscheidungen standen im Zusammenhang mit Israels Siedlungsprogramm im besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem, das von den Vereinten Nationen und der Europäischen Union als völkerrechtswidrig eingestuft wird. Israel kündigte kürzlich die größte Ausweitung der Siedlungen im besetzten Westjordanland seit Jahrzehnten an, wobei der israelische Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, dieser Schritt "verhindere die Gründung eines palästinensischen Staates".
BDS "nichts" im Vergleich zu Trumps Israel-Zöllen
Dany Bahar, Senior Fellow am Center for Global Development, einem in der US-Hauptstadt Washington ansässigen Think Tank, glaubt, dass die Auswirkungen von Boykotten und Desinvestitionen auf das Wachstum Israels und seine Fähigkeit, Krieg zu führen, nach wie vor gering sind. Die BDS-Boykotte und Desinvestitionen "haben nicht in einem Ausmaß stattgefunden, das die israelische Wirtschaft beeinträchtigen könnte", sagte Bahar gegenüber der DW. "Sie sind nichts im Vergleich zu den Zöllen, die Trump gegen Israel verhängt hat", die er als den "schlimmsten Boykott" bezeichnete, den Israel jemals erlebt habe. Im April erklärte US-Präsident Donald Trump, dass israelische Waren, die in die USA eingeführt werden, mit einem Zollsatz von 17 Prozent belegt werden, obwohl Israel alle Zölle auf US-Importe abgeschafft hat. Der Satz wurde später auf 15 Prozent gesenkt.
In Bezug auf den Verkauf der norwegischen Vermögenswerte argumentierte Bahar, dass die allgemeine Investitionslandschaft in Israel weiterhin stabil sei und dass die Marktkräfte diese Entscheidung wahrscheinlich außer Kraft setzen würden. "Jemand anderes wird diese Anteile kaufen, weil es sich um gute Unternehmen handelt. Israel hat der Welt in Bezug auf Wissen und Produkte viel zu bieten. Investoren wissen das", sagte er.
Trotz der Besorgnis einiger Investoren aufgrund geopolitischer Spannungen und BDS-Kampagnen haben sich die ausländischen Investitionen in Israel nach einem Einbruch im Jahr 2023 deutlich erholt. Im Jahr 2024 beliefen sich die Nettoinvestitionen von Nichtansässigen laut der Bank von Israel auf etwa 27 Milliarden US-Dollar, verglichen mit nur acht Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.
Israel mit wachsenden Gefahr von Sanktionen konfrontiert
Diese Widerstandsfähigkeit unterstreicht die robusten wirtschaftlichen Fundamentaldaten Israels und seine engen Verbindungen zu den globalen Märkten. Der zunehmende internationale Druck - verdeutlicht durch die jüngste Entscheidung Norwegens - signalisiert jedoch eine wachsende Tendenz, Israel durch gezielte Sanktionen für seine Handlungen im Gazastreifen und im Westjordanland zur Rechenschaft zu ziehen. In seinem letzten Amtsjahr verhängte der ehemalige US-Präsident Joe Biden Sanktionen gegen 19 israelische Siedler und acht Organisationen wegen Gewalt im Westjordanland. Sie wurden von Donald Trump im Januar 2025 wieder aufgehoben.
Über 30 Bundesstaaten, darunter Texas und Florida, haben Anti-BDS-Gesetze erlassen, die es staatlichen Behörden verbieten, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die Israel boykottieren. Großbritannien, Frankreich und Kanada haben israelische Siedler, denen Gewalt vorgeworfen wird, mit Reisebeschränkungen und dem Einfrieren von Vermögenswerten belegt. Die EU hat außerdem rechtsextreme israelische Gruppen, die an Angriffen auf Palästinenser beteiligt sind, auf eine schwarze Liste gesetzt. Washington hat unterdessen Personen, die mit den Unruhen in Verbindung stehen, den Zugang zu Immobilien und Finanzmitteln verwehrt.
Neun weitere Länder, darunter Südafrika, Bolivien und Malaysia, sind noch weiter gegangen und haben umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Israel verhängt. Zu diesen Maßnahmen gehören das Verbot von Waffenverkäufen und das Ende von Treibstoff-Lieferungen, die vom Militär verwendet werden könnten. Deutschland, traditionell einer der engsten Verbündeten Israels, kündigte diesen Monat an, alle Militärexporte, die in Gaza verwendet werden könnten, "bis auf Weiteres" einzustellen, und verwies dabei auf die sich verschärfende humanitäre Krise.
Könnten Sanktionen Israel zum Einlenken zwingen?
Die EU erwägt außerdem, Israel den Zugang zum 95 Milliarden Euro (111 Milliarden US-Dollar) schweren Forschungsfonds "Horizon Europe" zu verwehren, und macht dafür Menschenrechtsverletzungen in Gaza verantwortlich. Der Plan ist derzeit aufgrund mangelnder Einigkeit ins Stocken geraten, da Frankreich, Spanien, Irland und Slowenien Brüssel zu mehr Maßnahmen drängen, während Deutschland, Italien und Ungarn Sanktionen ablehnen. Bental warnte, dass EU-Sanktionen "ernsthafte Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit israelischer Unternehmen haben würden".
Fast ein Drittel der israelischen Exporte gehen in die EU, was laut Bental etwa ein Prozent des israelischen BIP ausmacht. Bahar teilte diese Besorgnis, verwies jedoch auf die tief verwurzelte Rolle Israels in der weltweiten Innovation und im Handel als Grund dafür, dass weiterer Druck seitens der internationalen Gemeinschaft nur begrenzt wirksam sein dürfte. "Was auch immer man von Israel und dem Krieg halten mag, das Land verfügt über sehr qualifizierte Ingenieure und Entwickler. Die Wirtschaft ist so stark in die Weltwirtschaft eingebunden, dass es nicht so einfach ist, sich von Israel abzukoppeln", sagte er gegenüber der DW.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert