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IOC-Mitglied Michael Mronz: "Keine Organisation ist perfekt"

25. Oktober 2023

Das Internationale Olympische Komitee sei besser als sein Ruf, sagt das neue IOC-Mitglied Michael Mronz im DW-Interview. Außerdem spricht er über die in Deutschland verbreitete Skepsis gegenüber Olympischen Spielen.

Michael Mronz hält bei seiner Vereidigung als neues IOC-Mitglied in Mumbai in Indien die Olympische Fahne.
Michael Mronz hält bei seiner Vereidigung als neues IOC-Mitglied in Mumbai in Indien die Olympische FahneBild: Cao Can/Xinhua/picture alliance

DW: Sie sind jetzt eine gute Woche Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Wie fühlt sich das an?

Michael Mronz: Über das große Vertrauen, das mir geschenkt wurde, freue ich mich sehr. Mit einem klaren Votum von 64 zu neun Stimmen in das IOC gewählt worden zu sein, ist eine tolle Bestätigung, spricht aber auch für eine Erwartungshaltung. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den anderen IOC-Mitgliedern, insbesondere mit Britta Heidemann [ehemalige Fecht-Olympiasiegerin aus Deutschland, seit 2016 im IOC - Anm. d. Red.]. Es ist für mich eine Ehre, damit verbunden aber auch eine Verantwortung.

Wie hat man sich Ihre Arbeit als IOC-Mitglied konkret vorzustellen?

Ich bin nicht Vertreter Deutschlands im IOC, sondern Vertreter des IOC in Deutschland. Hier geht es darum, das Wirken und die Interessenabwägung des IOC hierzulande sichtbarer zu machen und mich daneben auch in die Diskussionen rund um den Sport einzubringen. Auf der anderen Seite ist man als IOC-Mitglied aufgefordert, bei den IOC-Sessions an wichtigen Entscheidungen mitzuwirken und abzustimmen. Daneben ist man als IOC-Mitglied in einigen Kommissionen aktiv.

IOC-Mitglied zu sein ist offiziell ein Ehrenamt. Wie viel Aufwand bedeutet die neue Aufgabe für Sie?

Es ist immer die Frage, ob man verwalten oder gestalten will. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne Dinge gestalte. Ich kann noch nicht absehen, wie viel Zeitaufwand es mit sich bringt. Aber ich stelle meine Zeit gerne dafür zur Verfügung, weil ich von der Kraft der Olympischen Spiele und auch der Organisation IOC überzeugt bin. Der Sport kann Brücken bauen, wo Sprachlosigkeit vorherrscht. Zudem ist der Sport meiner Meinung nach eine zentrale soziale Achse der Gesellschaft. Das kommt vielleicht in diesen Tagen einfach zu kurz. 

Aktuell bestimmt der Konflikt in Israel und im Gaza-Streifen die Weltöffentlichkeit. Auch IOC-Chef Thomas Bach spricht immer wieder davon, dass der Sport Brücken bauen könne. Was aber kann der Sport leisten, wenn diese Brücken, wie jetzt, gewissermaßen weggesprengt werden?

Die aktuelle politische Lage ist maximal herausfordernd. Trotzdem muss man sich fragen, wo Kommunikation aufgebaut werden oder erhalten bleiben kann. Und da kann der Sport einen Beitrag leisten, auch wenn es schwierig ist.

Was halten Sie davon, dass sich Aktive aus dem Sport zu diesem Konflikt äußern?

Ich finde es wichtig und richtig, dass Sportlerinnen und Sportler eine persönliche Meinung zu diesen Themen haben und diese auch äußern, wenn sie möchten.

Das IOC hat sich bislang noch nicht festgelegt, ob russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler an den Spielen 2024 in Paris teilnehmen dürfen oder nicht. Wie lange kann sich das IOC nach ihrer Meinung für diese Entscheidung noch Zeit lassen?

Ich bin gerade mal eine Woche gewählt und damit auch automatisch Mitglied im Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Ich habe meine Kolleginnen und Kollegen dort noch gar nicht kennengelernt. Ich habe eine Position zu der Frage, denke aber, dass es klug ist, erst einmal mit den DOSB-Präsidiumsmitgliedern zu reden, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gehe. 

Russische Aktive unter neutraler Fahne bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Bisher war der deutsche Sport relativ geschlossen gegen eine Teilnahme Aktiver aus Russland und Belarus in Paris. Wie war ihr Eindruck beim IOC-Kongress in Mumbai - muss sich der deutsche Sport bewegen, um nicht Gefahr zu laufen, international bald isoliert dazustehen?

Es gab gerade ein internationales Athletenforum beim IOC, bei dem sich eine klare Mehrheit dafür ausgesprochen hat, dass russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler unter neutraler Flagge, ohne Nationalhymne und ohne nationale Sportkleidung antreten sollten. Es gibt eine gleichlautende Mehrheitsentscheidung des IPC [Internationales Paralympisches Komitee]. Diese Diskussion muss man in den nächsten Wochen auch in Deutschland führen. Ich will ihr aus den vorher genannten Gründen aber nicht vorgreifen.

Das IOC um den deutschen Präsidenten Thomas Bach hat in Deutschland nicht gerade einen guten Ruf. Finden Sie das eher schlechte Image ungerechtfertigt?

Es gibt wohl keine nationale oder internationale Institution, auf die die Deutschen schauen, applaudieren und sagen: Diese Organisation - sei es der DFB, die UEFA, die FIFA oder sonst wer - ist einfach nur super. Das gehört wohl zur deutschen Mentalität. Bei jeder Organisation gibt es Soll und Haben. Wir Deutschen neigen dazu, nur die Soll-Seite zu zeigen und seltener auf die Haben-Seite zu blicken. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, auf die positiven Seiten des IOC hinzuweisen. Zum Beispiel darauf, dass 90 Prozent der primär durch Olympische Spiele erwirtschafteten IOC-Einnahmen in den Sport zurückfließen und dass nur jedes fünfte Land Sport anbieten kann, weil es Geld aus dem IOC erhält. Es gibt keine Organisation, die perfekt ist, aber auch keine, an der alles nur zu kritisieren ist.

In Deutschland herrscht offenbar verbreitet Skepsis gegenüber Olympischen Spielen: Wir schauen gerne zu, aber bitte nicht bei uns. Können Sie für eine bessere Stimmung im Land sorgen?

Ich bin nicht ins IOC gewählt worden, um eine mögliche deutsche Bewerbung weiterzuentwickeln. Das Verfahren liegt federführend beim DOSB. Ich kann nur aus meiner Erfahrung bei der Olympia-Initiative Rhein-Ruhr [für die Sommerspiele 2032, die dann nach Brisbane gingen] berichten. Wir hatten dort Zustimmungswerte von 70 bis 80 Prozent, weil wir uns auf den Nutzen Olympischer Spiele für das Leben der Menschen konzentriert haben. Mehr vernetzte Mobilität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit. Wenn die Menschen spüren, dass ihnen die Spiele persönlich einen Nutzen bringen, steigert das die Akzeptanz und die Identifikation mit dem Ereignis.

Noch scheint Deutschland davon aber weit entfernt zu sein.

Man darf nicht erwarten, dass schon zehn oder mehr Jahre vor einem Sport-Großereignis Euphorie herrscht. Noch wenige Monate vor der Fußball-WM 2006 in Deutschland gab es eine große Skepsis in der deutschen Bevölkerung. Am Ende aber blieb die WM als das "Sommermärchen" hängen, das die Menschen daraus gemacht haben. Darauf kommt es an. Dass die Bürgerinnen und Bürger am Ende das Ereignis lieben und die Kraft sehen, die daraus hervorgeht. So hatte auch der Aufschwung des Frauenfußballs in Deutschland seinen Ursprung in der Männer-WM 2006, weil danach viele Mädchen in die Vereine eintraten. Man darf nicht nur den Moment sehen, sondern muss auch auf das Zielfoto schauen.

Michael Mronz ist ein deutscher Sport- und Eventmanager. Als Geschäftsführer der Aachener Reitturnier GmbH organisierte er die Weltreiterspiele 2006 und ist für den CHIO in Aachen verantwortlich, das größte Reitturnier der Welt. Außerdem war Mronz unter anderem an der Organisation der Leichtathletik-WM 2009 und der -EM 2018, beide in Berlin, beteiligt. Am 17. Oktober wurde der 56-Jährige für zunächst acht Jahre ins Internationale Olympische Komitee gewählt. 

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