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Irak: Druckmittel Geisel

12. April 2004

Der April ist für die US-Armee der verlustreichste Monat seit dem Ende des Irak-Krieges im Mai 2003. Etwa 70 Soldaten starben. Ebenso gefährdet wie die Militärs sind ausländische Zivilisten im Irak.

Gefährdet: US-Soldaten auf Patrouille im IrakBild: AP

Noch nie waren Ausländer im Irak seit dem Kriegsende im Mai 2003 so gefährdet wie jetzt - und selten war die Nachrichtenlage verwirrender. Das Schicksal zahlreicher entführter oder vermisster Ausländer im Irak bleibt unklar. Das US-Militär teilte am Montag (12.4.) mit, sieben Mitarbeiter von US-Firmen würden vermisst. Vermummte "Freiheitskämpfer" drohen damit, drei entführte Japaner bei lebendigem Leib zu verbrennen, wenn die japanischen Truppen nicht abziehen. Ein anderer Trupp von Aufständischen verschleppte vor laufender Fernsehkamera einen US-Bürger in Zivil, der einen amerikanischen Militärkonvoi begleitet hatte. Er werde ein "noch schlimmeres Schicksal" erleiden als jene vier US-Sicherheitsleute, deren Leichen Anfang April in Falludscha geschändet worden waren, wenn sich die US-Truppen um Falludscha nicht zurückziehen, drohten die Entführer.

Ausländer werden zum Druckmittel der Rebellen - wenn sie nicht bereits tot sind wie höchstwahrscheinlich jene zwei deutschen GSG-9-Beamten, die auf dem Weg nach Bagdad waren. Die beiden Männer waren das "Schlusslicht" in einem Konvoi der deutschen Botschaft, dem die Guerillas hinterher schossen, als die Wagenkolonne bei Falludscha durch ihren Kontrollpunkt raste. In den letzten Tagen verschwanden, soweit bekannt wurde, auch zwei Palästinenser und ein syrisch-stämmiger Kanadier.

Unklare Lage

Britische Geisel Gary Teeley nach der FreilassungBild: AP

Am Montag (12.4.2004) wurden ferner sieben Chinesen und zwei Tschechen als entführt gemeldet. Die Chinesen seien aber inzwischen wieder frei, berichtete die
amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am späten Montag (12.4.) Ein Brite, der im südirakischen Nasirija verschleppt worden war, wurde nach Verhandlungen mit Stammesältesten freigelassen. Aufständische hatten zuvor behauptet, sie hätten rund 30 Ausländer in ihrer Hand, darunter auch Spanier, Portugiesen und Amerikaner. Sieben Koreaner waren zuvor unter unklaren Umständen aus Geiselhaft freigekommen. Nach Angaben des Regierenden Rates wurden zwölf Geiseln nach Intervention der einflussreichen Vereinigung der moslemischen Geistlichen im Irak freigelassen.

Die meisten Entführungen ereignen sich in der Nähe der sunnitische Aufständischen-Hochburg Falludscha. Dort hatten die US-Marines Anfang April eine große Offensive gestartet. An Falludscha führt die Autobahn von Amman nach Bagdad vorbei, die wichtigste Verkehrsader ins Ausland. Weil Falludscha zur Kampfzone wurde, ist die Autobahn derzeit unpassierbar. Die Reisenden sind gezwungen, Umwege durch die umliegenden Dörfer zu nehmen. Dort patrouillieren aber vermummte Rebellen mit Panzerfäusten und Kalaschnikows.

Zum Kampf entschlossen

Ein Einwohner von Falludschah beobachtet U.S. MarinesBild: AP

Trotz der Vermittlungsgespräche von Vertretern des von den USA eingesetzten Regierungsrats mit schiitischen Rebellen bekräftigte die US-Armee, den radikalen Schiitenführer Moktada el Sadr entweder töten oder gefangen nehmen zu wollen. Ein Vertreter der im mehrheitlich sunnitischen Falludscha verhandelnden Irakischen Islamischen Partei erklärte, die Gespräche der Bagdader Delegation über die Waffenruhe würden am Dienstag (13.4.) fortgesetzt. Der Sprecher der US-Zivilverwaltung, Dan Senor, sagte, die USA seien an den Verhandlungen nicht direkt beteiligt. US-Brigade-General Mark Kimmit äußerte in Bagdad die Hoffnung, dass die legitime irakische Verwaltung in Falludscha auf politischem Wege wiederhergestellt werden könne. Andernfalls seien die Marineinfanteristen bereit, "die Zerstörung der feindlichen Kräfte zu vollenden".

Viele Opfer

Im Irak sind bei Kampfhandlungen seit Anfang des Monats nach Angaben der US-Armee 70 Soldaten getötet worden. Damit ist der April seit dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen im Mai 2003 der bislang verlustreichste Monat für die Besatzungsarmee. Auf der Gegenseite starben ... ...im April nach Schätzungen von Kliniken und der US-Armee etwa 700 Menschen.

Angesichts der dramatischen Entwicklung im Irak, gerät die Front der Besatzer ins Wanken. Der britische Premierminister Tony Blair will von US-Präsident George W. Bush nach Zeitungsberichten eine größere Rolle der Vereinten Nationen im Irak einfordern. Die UN sollen demnach die für den 30. Juni angestrebte Machtübergabe und die nachfolgenden Wahlen stärker als bisher geplant überwachen. Blair wolle den Präsidenten bei einem für Freitag (16.4.2004) geplanten Treffen in Washington außerdem zu einer diplomatischen Offensive in Europa überreden. Dazu sollten US-Außenminister Colin Powell oder Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice die wichtigsten Hauptstädte bereisen. Nach außen hin wolle Blair mit Bush weiter eine geschlossene Front bilden.

Spanien

Der designierte spanische Parlamentspräsident Manuel Marin drängte die Vereinten Nationen am Montag zur Übernahme der Kontrolle in Irak. Die Zeit für die UN laufe ab, sagte Marin dem Fernsehsender Telecinco. Die internationale Gemeinschaft werde verstehen, dass die neue spanische Regierung die Truppen aus Irak abziehen werde. "Die einzige Lösung sind die Vereinten Nationen, aber ich habe das Gefühl, die Zeit läuft ab", sagte Marin weiter.

Japan

Der japanische Regierungschef Junichiro Koizumi zeigte sich dagegen unerschütterlich im Kampf der USA gegen die Aufständischen im Irak. Trotz der ultimativen Todesdrohung der irakischen Kidnapper gegen die drei japanischen Geiseln, wenn Tokio seine rund 550 Soldaten nicht aus dem Irak abzieht, blieb Koizumi standhaft: Japan werde sich dem Terrorismus nicht beugen. Die Soldaten bleiben im Irak, lautete seine klare Botschaft am Montag. Daran konnten auch die Angehörigen der Geiseln nichts ändern, obwohl sie immer wieder von japanischen Medien weinend und die Regierung um eine konziliantere Haltung anflehend vor die Kameras geführt wurden. (mas)

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