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PolitikIrak

Irak und Türkei: Wille zum Neustart - aber kein Durchbruch

23. April 2024

Lange galt das Verhältnis zwischen Ankara und Bagdad als schwierig. Während eines Besuchs von Präsident Erdogan in Bagdad versuchten beide Seiten, die größten Probleme auszuräumen. Experten ziehen eine gemischte Bilanz.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu am Flughafen von Bagdad. Neben ihm der irakische Premier Mohammed al-Sudani.
Großer Empfang: der türkische Präsident Erdogan am Flughafen von Bagdad, neben ihm der irakische Premier al-Sudani Bild: Turkish Presidency/Murat Cetinmuhurdar/Handout/Anadolu/picture alliance

An seinen Vorstellungen für eine bessere Zusammenarbeit ließ der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während seines Besuchs in Bagdad keinen Zweifel. Der Irak solle gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK) vorgehen, forderte er. Der Irak müsse "von allen Formen des Terrorismus befreit werden", erklärte Erdogan laut Agenturberichten bei einem Treffen mit dem irakischen Präsidenten Abdul Latif Raschid. 

Zudem unterzeichnete Erdogan mit Iraks Regierungschef Mohammed al-Sudani ein Rahmenabkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Energie und Wirtschaft. Dazu gehört etwa ein rund 16 Milliarden Euro teures Straßen- und Eisenbahnprojekt. Außerdem sollen die derzeit ruhenden Ölexporte aus dem Irak in die Türkei wieder aufgenommen werden. Durch Projekte dieser Art wollten beide Länder "eine dauerhafte Kooperation in allen Bereichen aufbauen", sagte der irakische Premier beim ersten Besuch eines türkischen Spitzenpolitikers seit 2011.

Mit Blick auf die bislang eher angespannten Beziehungen beider Länder sei das Treffen ein deutlicher Schritt nach vorn, sagt Lucas Lamberty, Landesdirektor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bagdad. Es habe bereits im Vorfeld verschiedene Besuche türkischer Politiker in Bagdad gegeben. "Dass der Besuch von Präsident Erdogan nun überhaupt stattgefunden hat, ist an sich schon ein Erfolg." Sicher müsse man abwarten, inwiefern die nun unterzeichneten Beschlüsse auch umgesetzt würden. "Aber der gute Wille ist da", so Lamberty zur DW.

Die Beziehungen beider Staaten waren in der Vergangenheit in mehrfacher Hinsicht angespannt. Während des Krieges in Syrien etwa unterstützte die Türkei die gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpfenden Aufständischen. Die Regierung in Bagdad hingegen stand eher dem Assad-Regime nahe - nicht zuletzt unter dem Einfluss Russlands und vor allem des Iran. Dieser unterstützt mehrere Milizen im Irak, allen voran die sogenannten Kataib Hisbollah. 

Im Dialog: der türkische Präsident Erdogan (r.) und Iraks Premier al-SudaniBild: Turkish Presidency/Murat Cetinmuhurdar/Handout/Anadolu/picture alliance

Gemeinsamer Kampf gegen die PKK?

Einer der aus türkischer Sicht wichtigsten Punkte ist der Kampf gegen die in der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation gelisteten PKK in Iraks Autonomer Region Kurdistan. Im Jahr 2019 hatte die Türkei Militäroperationen in der Autonomen Region Kurdistan gegen die PKK begonnen. 

Die Türkei argumentiert, nur durch die Präsenz ihrer Armee im Irak ließe sich die PKK von der Grenze fernzuhalten. Aus Sicht des Irak stellt dies jedoch eine nicht hinnehmbare Verletzung seiner territorialen Integrität dar. Doch im März dieses Jahres hatte die irakische Regierung dann überraschend der langjährigen türkischen Forderung nach einem Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entsprochen. Wenige Tage vor dem Treffen hatte das türkische Verteidigungsministerium erklärt, seine Operationen im Norden des Nachbarlandes ausweiten zu wollen.

"Aufgrund des Autonomiestatus der Region Kurdistan-Irak, in der ein Großteil der Basen der PKK liegt, hat die Angelegenheit auch eine inner-irakische Dimension",  sagt Lucas Lamberty. "Die Regierung in Bagdad hat natürlich einige Schritte unternommen, etwa die PKK zur verbotenen Organisation erklärt. Wie sie der Türkei noch weiter entgegenkommen kann, bleibt jedoch abzuwarten." Grundsätzlich gehe es dem Irak vor allem darum, die eigene Souveränität zu stärken und zu schützen. 

Auf türkischer Seite hingegen sieht man in Erdogans Besuch bereits einen wichtigen Schritt in Richtung eines gemeinsamen Kampfes gegen die PKK. Bilgay Duman vom Zentrum für Nahost-Forschung (ORSAM) in Ankara, im DW-Gespräch: "Dieser Schritt gehört zu den größten Errungenschaften der Vereinbarungen." 

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Streitpunkt Wasserressourcen 

Immerhin eine Annäherung hat es bei einem der größten Streitpunkte gegeben, der Aufteilung der Wasserressourcen.  Nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels leidet der Irak in den vergangenen Jahren zunehmend an Wassermangel. Flossen durch die Flüsse des Landes zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 1350 Kubikmeter pro Sekunde, hat sich die Menge inzwischen auf gerade 149 Kubikmeter reduziert. Besonders betroffen sind die Zuflüsse zu den großen Strömen Euphrat, Tigris und Diyala. Für den Rückgang mitverantwortlich ist auch die Türkei. Sie hat an Flüssen Tigris und Euphrat mehrere Staudämme errichtet. 

Nun wollen der Irak und die Türkei die gemeinsame Wassernutzung aus den Flüssen Euphrat und Tigris mit einem neuen Abkommen besser regeln. In einer für die Dauer von zehn Jahren unterzeichneten Vereinbarung geht es neben besserem Wasser-Management auch um Entwicklungsprojekte und einen besseren Austausch bei Bewässerungssystemen.

"Grundsätzlich sei die Vereinbarung zu begrüßen, sagt Irak-Experte Lamberty von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Die Gespräche haben zwar noch keine endgültige Lösung gebracht. Aber durch die Beschlüsse wurde nun ein Prozess angestoßen, mit dem die Herausforderungen angegangen werden können."

Angesichts der komplexen Ausgangslage stelle das Treffen für beide Seiten einen Erfolg dar, meint der türkische Experte Bilgay Duman. "Die Priorität der Türkei ist der Kampf gegen die PKK. Die Priorität des Irak ist die Wasserfrage. Nun sind sich beide Seiten in diesen beiden Punkten einig, und wir können auch diese Projekte als gemeinsamen Gewinn betrachten."

Doch eine Lösung der chronischen Wasserknappheit sei damit aus irakischer Sicht noch längst nicht geschafft - darauf verweist der Bagdader Politologe Ihsan Al-Shammari. Womöglich sei Iraks Regierung einfach zu schwach, um der Türkei gegenüber eigene Interessen durchzusetzen, so Al-Shammari zur DW.

Redaktionelle Mitarbeit: Elmas Topcu, Alla Ahmed

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika