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Irak: UNESCO fördert Wiederaufbau in Mossul

5. Februar 2025

2014 hat die IS-Terrormiliz die irakische Stadt Mossul unter ihre Kontrolle gebracht und systematisch Kulturdenkmäler zerstört. Nach der Befreiung begann der Wiederaufbau. Jetzt sind einige Gebäude wiederhergestellt.

Die stark beschädigte Al-Nuri-Moschee in Mossul: Bauteile werden von Gerüsten aus Holu gestützt
Blick auf die Wiederaufbauarbeiten auf dem Gelände der Al-Nuri-Moschee, wo 2014 das Kalifat des Islamischen Staates ausgerufen wurdeBild: Ismael Adnan/dpa/picture-alliance

Es war ein Krieg gegen die eigene Geschichte: Im Herbst 2014 begann die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), in eroberten Gebieten im Irak und in Syrien Mahnmale, Denkmäler, Kirchen und selbst Moscheen zu zerstören. Hier, im früheren Zweistromland Mesopotamien, soll die Wiege der menschlichen Zivilisation liegen, mit Hochkulturen, die lange vor dem Islam das geistige und kulturelle Zentrum des antiken Orients bildeten.

Das antike Palmyra ist zum Symbol für die Zerstörung von Kulturdenkmälern durch den IS gewordenBild: Marco Brivio/Zoonar/picture alliance

Viele Bauwerke und Kulturstätten aus jener Zeit zählen schon lange zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das hat die IS-Kämpfer herzlich wenig interessiert. Genauso wie sie die antiken Städte Hatra und Ninive verwüstet haben, sind sie über die nordirakische Metropole Mossul hergefallen, haben Gotteshäuser und Kulturstätten zerstört; seltene Bücher und Manuskripte sowie Artefakte aus Bibliotheken, Museen und Sammlungen wurden vernichtet oder geplündert, tausende Einwohner wurden vertrieben - der Geist von Mossul wurde ausgelöscht.

2017 eroberte die irakische Armee Mossul zurück. Doch viel war von der Stadt nicht mehr übrig. Berühmte Baudenkmäler lagen in Schutt und Asche, mehr als 130.000 Häuser waren zerstört.

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28:35

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Wiederaufbau für 140 Millionen Euro

Seit 2018 hilft die UNESCO, zusammen mit der irakischen Regierung, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der EU und weiteren Partnern, die Kulturdenkmäler wieder aufzubauen - mit dem Ziel, die kulturelle und religiöse Vielfalt der irakischen Stadt wiederherzustellen und nach dem Motto "Revive the spirit of Mosul" den Geist von Mossul wiederzubeleben. Und so wurden die berühmte Al-Nouri-Moschee mit ihrem schiefen Al-Hadba-Minarett, das Al-Saa'a-Konvent "Unserer Lieben Frau" und die syrisch-katholische Al-Tahira-Kirche, 124 denkmalgeschützte Häuser, die Al-Aghawat-Moschee sowie die Al-Ekhlass-Schule in der Altstadt wieder aufgebaut. Mehr als 140 Millionen Euro wurden dafür investiert.

In der Tahira-Kirche wurde auch nach der Zerstörung weiter gebetetBild: Ahmet Izgi/Anadolu Agency/picture alliance

Für den Wiederaufbau der Al-Tahira-Kirche wurden 30 Bauarbeiter allein aus der Nachbarschaft der Kirche rekrutiert, erzählt Bauleiter Anas Zeyad Abdulmalek auf der UNESCO-Webseite. Es gebe den Leuten ein gutes Gefühl, wenn sie beteiligt seien. Er werde oft gefragt, warum denn der Aufbau von Kirchen und Moscheen schneller vorangetrieben werde als von Wohn- und Krankenhäusern. "Der Wert von Kirchen und Moscheen ist es, dass sie Orte des Friedens sind. Hier sind Menschen zusammengekommen, um zu beten. Diese Erinnerungen und dieses Erbe möchten wir den Menschen zurückgeben."

Besonders wichtig sei es, so Abdulmalek weiter, dass Christen und Muslime zusammenarbeiten, egal, ob sie eine Kirche oder eine Moschee wieder aufbauen. "Das Hauptziel des Projektes ist die Versöhnung und der Zusammenhalt in Mossul, mit seiner ganzen Vielfalt, egal ob Christen, Juden oder Muslime, die über Jahrhunderte hier friedlich miteinander gelebt haben."

Begegnungsstätten und Wahrzeichen

Auch das Al-Saa'a Konvent im Zentrum der Stadt war eine wichtige religiöse, kulturelle und soziale Begegnungsstätte. Charakteristisch war sein Glockenturm - der einzige Ort in Mossul, an dem es Glocken gab. Er war ein Geschenk der Ehefrau Napoleons III., Kaiserin Eugénie, an die Dominikaner, die das Kloster betrieben. Es war der erste Glockenturm überhaupt im Irak. Die 1880 installierte Turmuhr läutete jede Stunde und gab dem Leben der Einwohner einen Rhythmus.

Nun läuten die Glocken im Turm des Al-Saa'a-Konvents wiederBild: UNESCO

Nachdem der IS das Kloster geplündert und verwüstet hatte, musste ein aufwendiger Sanierungsplan erstellt werden, alles in Zusammenarbeit mit lokalen Experten. Nach nur elf Monaten war das Kloster wiederhergestellt und drei neue Glocken gibt es auch - wieder aus Frankreich, hergestellt in einer Gießerei in der Normandie.

Die Identität eines ganzen Landes

Eine besondere Herausforderung war die Wiederherstellung des Al-Hadba-Minaretts, das zur Al-Nouri-Moschee gehört. Der schiefe Turm, der sich zwar geneigt hatte, aber nie in sich zusammengefallen war, wachte viele Jahrhunderte über die Stadt - er war ein Wahrzeichen und gehörte zur Identität der Menschen Mossuls. Er gehörte zu den wichtigsten Bauwerken des Irak und war sogar auf einem Geldschein verewigt. Die Zerstörung des Hauptteils des Minaretts war eine nationale Tragödie. Während der Kämpfe zur Befreiung von Mossul im Jahr 2017 bildeten die Einwohner eine Menschenkette, um die vollständige Zerstörung des Minaretts zu verhindern.

Das Minarett wurde originalgetreu wiederhergestellt, inklusive der charakteristischen KrümmungBild: UNESCO

Im Vorfeld des Wiederaufbaus wurden die Bürger befragt, ob die Ruine des Minaretts stehen bleiben und daneben eine Art Kopie gebaut werden sollte. "94 Prozent der Befragten wollten das Minarett wieder haben - genau dort, wo es stand, und genau so wie es aussah: mit denselben Dekorationen, mit derselben Neigung," sagt der Bauleiter des Minaretts Omar Yasir Adil Taqa auf der UNESCO-Homepage. Man entschloss sich, das Minarett auf dem Sockel, der noch stand, aber schwer beschädigt war, wieder aufzubauen. Nun steht der Turm wieder, in mühsamer Kleinarbeit zusammengesetzt aus den Originalsteinen, die das Aufbauteam aus Tausenden Tonnen Schutt geborgen hat.

Kulturdenkmäler oder Infrastruktur?

Durch die Restaurierungsarbeiten sind laut UNESCO 6.000 neue Jobs in Mossul entstanden. Mit ihrer Hilfe wurden über 1.300 junge Menschen in traditionellen Gewerken - wie Zimmerer, Steinmetze, Maler - ausgebildet.

Am 5. Februar reist UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay zum Abschluss der Bauarbeiten nach Mossul, um die wiederhergestellten Bauwerke zu besichtigen. Die offizielle Einweihung durch den irakischen Premierminister Mohammed Shia Sudani wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Nachtleben findet längst wieder statt in Mossul, wie hier in einem beliebten Café in der AltstadtBild: ZAID AL-OBEIDI/AFP

Die Einwohner von Mossul sind dankbar für den Wiederaufbau der Kulturstätten in der Altstadt. Doch die Stadt braucht noch viel Zeit, Geld und Manpower, bis ihre Infrastruktur völlig wieder hergestellt ist. Geplant sind noch mehr Begegnungsstätten wie Parks und große Plätze. Ganz wichtig ist auch der Neubau des größten Krankenhauses der Region - der Ibn-Sina-Universitätsklinik. Während dies noch in der Planung steckt, soll der internationale Flughafen Mossul voraussichtlich in diesem Jahr wiedereröffnet werden, so ein Sprecher des irakischen Verkehrsministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur Ina.

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online