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PolitikNahost

Iran 2025: Der Winter wird hart

25. Dezember 2024

Das Jahr 2025 könnte für den Iran ein Wendepunkt werden. Präsident Trumps Rückkehr ins Weiße Haus und der Widerstand der Frauen bergen entscheidendes Potenzial für Veränderungen.

Ajatollah Chamenei vor Mikrophonen auf einem Podium, im Hintergrund hängt ein Foto von Ruhollah Musawi Chomeini
Irans oberster Führer Ajatollah Chamenei: "lebenslang gegen Israel" Bild: Iranian Leader Press Office/Handout/Anadolu/picture alliance

"Der Iran befindet sich seit langem in einer schwierigen Situation und weiß, dass es keinen anderen Weg gibt, als sich zu ändern", so fasst der Iran-Experte Arash Azizi im Gespräch mit der DW die aktuelle Lage zusammen. Die Führung der Islamischen Republik müsse ihre Politik ändern und ein Abkommen mit dem Westen schließen, um die internationale Isolation und den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu überwinden, betont dabei der Historiker und Dozent an der Clemson University in den USA. Die Führung sei "besorgt über die Rückkehr der Politik des maximalen wirtschaftlichen Drucks, die die Trump-Regierung umsetzen könnte".

Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump wird im Januar sein Amt antreten. Seine Iran-Politik könnte für die Machthaber in Teheran nochmal einen neuen, düsteren Akzent in dem schon ereignisreichen persischen Jahr setzen, das nicht mit dem Dezember, sondern erst zum Frühlingsanfang endet. Viele Iraner fragen sich: Naht nun ein harter Winter für die Führung der Islamischen Republik? 

Dramatische neun Monate für die Islamische Republik

Die letzten neun Monate waren für den Iran von dramatischen Ereignissen geprägt. Im Frühling kam Präsident Raisi, ein Hardliner und potenzieller Nachfolger des obersten Führers Ali Chamenei, bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben. Sein unerwarteter Tod führte zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, die überraschend der moderate Politiker Massud Peseschkian gewann.

Im Sommer erschütterte die gezielte Tötung von Ismail Hanija, außenpolitischer Chef der Hamas, die Islamische Republik. Die Hamas ist eine terroristische Organisation und entsprechend von der Europäischen Union, den USA, Deutschland und weiteren Ländern so benannt.

Der Angriff im Präsidentenpalast in Teheran riss damit eine Schlüsselfigur der "Achse des Widerstands" gegen Israel und den Westen aus den Reihen der Unterstützer. Im Herbst brach mit der Tötung des Hisbollah-Führers Nasrallah und im Dezember mit dem Sturz von Baschar al-Assad in Syrien die - auch sehr kostspielige - "Achse des Widerstands" zusammen.

Nach Assads Sturz: Wie geht es weiter in Syrien?

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"Es ist meiner Meinung nach durchaus möglich, dass die Führung der Islamischen Republik versucht, Spannungen mit dem Westen zu reduzieren", erklärt Arash Azizi. Er verweist auf einen Gastbeitrag des früheren Außenministers und Atom-Unterhändlers des Irans, Mohammad Javad Zarif im Magazin Foreign Affairs. Der Artikel wurde vor dem Sturz Assads am 2. Dezember mit dem Titel "How Iran Sees the Path to Peace" veröffentlicht. Darin betont Zarif, der im August dieses Jahres wenige Tage als Vizepräsident dem Kabinett von Präsident Massud Peseschkian angehörte, die Bereitschaft des Landes, mit westlichen Ländern, einschließlich den USA, zu verhandeln.

"In Bezug auf Israel argumentiert Zarif, dass der Iran jede Einigung akzeptieren werde, die die Palästinenser selbst erzielen. Das ist ein bedeutender Punkt", fügt Azizi hinzu.

Auf die Frage, ob die Führung der Islamischen Republik ihre Feindschaft gegenüber Israel überdenken könnte, erklärt Azizi: "Die Frage ist, wie man dies intern durchsetzen kann. Es widerspricht der Haltung des religiösen Führers Chamenei und seiner lebenslangen anti-israelischen Position." Wichtig sei nun zu sehen, "wie Präsident Trump und der israelische Ministerpräsident auf diesen Moment der Schwäche der Islamischen Republik reagieren werden", so Azizi weiter.

Die Atombombe für Irans Sicherheit?

Dieser Moment der Schwäche sowie die Rückschläge, die der Iran und seine Verbündeten in den vergangenen Monaten hinnehmen mussten, haben im Land eine neue Debatte über eine militärische Abschreckung entfacht. Immer lauter fordern Politiker aus den hinteren Reihen die Entwicklung von Atomwaffen. Anfang Dezember erklärte Ahmad Naderi, ein Parlamentsabgeordneter aus Teheran, es sei an der Zeit, einen Atomwaffentest durchzuführen.

Iran kurz vor der Atombombe?

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Aus Sorge vor einer Eskalation haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien Ende November Gespräche mit dem Iran über die Begrenzung seines Atomprogramms geführt. "Es waren Gespräche über Gespräche", kommentiert der Politikberater Cornelius Adebahr diese diplomatischen Schritte.

Er betont: "Es ist eine Notwendigkeit, diese Gespräche zu führen, bevor Trump sein Amt antritt. Sobald Trump im Amt ist, könnte er sich auf die eine oder andere Weise unter Druck gesetzt fühlen. Es gibt Stimmen, die ihm raten, hart durchzugreifen." Ein Plan oder zumindest die Umrisse eines Plans seien von Vorteil für die Europäer, so Adebahr.

"Sorge um Frieden in der Gesellschaft"

Ein Deal mit dem Westen ist nicht die einzige Herausforderung für die aktuelle Regierung des Iran. Auch für interne Probleme, insbesondere die anhaltende Auseinandersetzung über das Kopftuchgesetz, gibt es bisher keine Lösung.

Die Hardliner setzen verstärkt auf Maßnahmen, die den Druck auf Frauen erhöhen sollen. Im Parlament haben sie ein neues Kopftuchgesetzt verabschiedet, das landesweit Empörung und Wut ausgelöst hat. Frauen drohen bei Missachtung der Verschleierungspflicht unter anderem hohe Geldstrafen, die Verweigerung öffentlicher Dienstleistungen, Ausreisesperren und im Extremfall Haftstrafen.

Viele iranische Frauen lassen sich nicht mehr einschüchtern und tragen in der Öffentlichkeit kein Kopftuch Bild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Der Präsident Peseschkian hat sein Veto gegen das Gesetz eingelegt. Er und seine Berater scheinen zu erkennen, dass eine Provokation der Gesellschaft und mögliche Massenproteste in diesem Moment der Schwäche für die Islamische Republik äußerst gefährlich sein könnten.

Auch Peseschkian sei nicht bereit zu verstehen, was die Frauen wirklich wollten, sagt die Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Journalistin Faezeh Abdipour im Gespräch mit der DW. Schon seit der Islamischen Revolution 1979 sind Frauen verpflichtet, Kopftuch zu tragen. Das neue Gesetz soll die Strafen lediglich noch drastisch verschärfen.

Abdipour, die aufgrund ihres Engagements für religiöse Minderheiten und Menschenrechte mehrfach verhaftet wurde, betont: "Frauen in der Islamischen Republik haben gelernt, täglich und konsequent für ihre Freiheit und ihr Leben zu kämpfen. Sie wollen selbst entscheiden, was sie anziehen. Doch leider wird das politische System in dieser Frage wohl kaum nachgeben."

Die Lage für Frauen, die sich weigern, den Hidschab zu tragen, verschärfe sich zunehmend. "Es gibt Patrouillen der Sittenpolizei in U-Bahnen und an Kreuzungen und Geldstrafen für das Nichttragen des Hijabs", berichtet Abdipour. Ihr eigenes Auto wurde vor einigen Monaten aufgrund eines 'Verstoßes' gegen die Kopftuchpflicht beschlagnahmt. "Die Geldstrafe, die ich zahlen musste, war extrem hoch", fügt sie hinzu.

Trotzdem halten sich viele Frauen nicht mehr an die strengen islamischen Kleidungsregeln. Dieser Trend folgte auf die Massenproteste im Herbst 2022, die unter dem Motto 'Frau, Leben, Freiheit' die Weltöffentlichkeit bewegten.

Irans Frauen wehren sich gegen Kleiderregeln

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