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PolitikAsien

Wie sich der Iran drei Jahre nach Aminis Tod verändert hat

Youhanna Najdi
16. September 2025

Vor drei Jahren hat im Iran der Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam blutige Massenproteste ausgelöst. Das Regime befürchtet nun weitere Demonstrationen. Die Menschen leiden unter der Misswirtschaft.

Niederlande Iran Protest | Jina Mahsa Amini
Iranerin Amini starb 2022 in Polizeigewahrsam mit 22 JahrenBild: Peter Dejong/AP Photo/picture alliance

Vor drei Jahren starb im Iran Jina Mahsa Amini im Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei. Die kurdisch-iranische Frau war 22 Jahre alt. Ihr Tod löste im Iran flächendeckende Proteste gegen die Regierung aus. Es formierte sich die Massenbewegung "Frau, Leben, Freiheit".

Die Sicherheitskräfte gingen dabei brutal gegen die Demonstrationen vor und töteten laut Menschenrechtsgruppen mindestens 500 Menschen und verhafteten mehr als 20.000. Die Mullahs bleiben auf diese Weise weiter an der Macht.

Demonstration zum Todestag von Jina Mahsa Amini

02:47

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Veränderungen seit Aminis Tod

Der Iran hat eine junge Bevölkerung. Das Durchschnittsalter der 88 Millionen Einwohner lag 2024 bei circa 34 Jahren. In dem asiatischen Land mit mehrheitlich schiitischen Muslimen besteht für in Frauen die Pflicht, in der Öffentlichkeit Hidschab zu tragen. Doch im Zuge der "Frau, Leben, Freiheit"-Bewegung lehnen es immer mehr junge Frauen ab, diesen die Haare verdeckenden Schleier zu tragen. Amini, die Schlüsselfigur in den Protesten, war deswegen festgenommen worden, weil sie angeblich keinen Hidschab trug. Es folgten seitdem so viele Fälle, in den Frauen keinen Hidschab mehr tragen, dass die iranische Sittenpolizei mit der Vollstreckung der Strafen dagegen überfordert ist.

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02:01

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"Die Forderungen gehen inzwischen aber weit über die freie Auswahl der Bekleidung hinaus", betont Atefeh Chaharmahaliyan, Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin aus dem Iran, die inzwischen in Deutschland lebt. 2022 saß sie mehr als 70 Tage im iranischen Gefängnis, weil sie an Protestaktionen teilgenommen hatte. "Die Iranerinnen und Iraner, insbesondere die jüngere Generation, verstehen ganz klar, dass wirtschaftliche Forderungen und das Streben nach Freiheit wie zwei Säulen desselben Gebäudes sind - ohne die eine bricht die andere zusammen."

Schock nach Krieg mit Israel

Der dritte Jahrestag von Aminis Tod fällt in einer Zeit, in der die iranische Führung unter Anspannung steht, Sie kämpft noch immer mit den Folgen des zwölftägigen Krieges mit Israel im Juni und den gezielten Angriffen israelischer und US-amerikanischer Streitkräfte auf die iranische Nuklearinfrastruktur.

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Die wirtschaftliche Not hat sich verschärft. Die Bevölkerung ist tief enttäuscht von der Führung. Diese Situation mache das Regime zunehmend unsicher, sagt ein Aktivist in Teheran, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Die Machthaber reagieren auf ihre Weise; "Seit dem Krieg mit Israel ist die Zahl der politisch motivierten Verhaftungen sprunghaft angestiegen. Verurteilte wurden schnell hingerichtet", sagt der Aktivist im DW-Interview. "Die Regierung nutzt den anhaltenden Druck, um die Menschen einzuschüchtern und Demonstranten davon abzuhalten, wieder auf die Straße zu gehen." Die "Leidenschaft der Iraner für Freiheit und Gerechtigkeit" sei trotz der Unterdrückung durch das Regime ungebrochen. "Die Notwendigkeit einer Veränderung ist sogar noch tiefer verwurzelt und präsenter geworden."

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Neue Massenbewegung?

Werden unzufriedene Menschen wieder auf die Straßen gehen? Die iranische Aktivistin Helen Nosrat, die jetzt in Deutschland lebt, sieht das eher skeptisch. "Obwohl die Mahsa-Bewegung einen bleibenden kulturellen Einfluss auf die iranische Gesellschaft hinterlässt und die Hidschab-Pflicht erheblich geschwächt hat, ist es unwahrscheinlich, dass nach dem jüngsten Krieg mit Israel eine Bewegung ähnlichen Ausmaßes entsteht", sagt sie.

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"Die Kriegssituation hat den Menschen viel größere Probleme bereitet. Und viele konzentrieren sich jetzt eher darauf, zu überleben, sich selbst und ihre Familien zu schützen, und nicht darauf, die Regierung zu verändern."

Behnam Daraeizadeh, Rechtsanwalt und Forscher am US-amerikanischen Center for Human Rights in Iran (CHRI), vertritt eine ähnliche Ansicht. "Die regionalen Entwicklungen und die bewaffneten Konflikte mit Israel und den USA führen nicht unbedingt zu Protesten. Sie können sogar eine hemmende und gar lähmende Rolle spielen."

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Der Krieg verstärke in der Gesellschaft die Wahrnehmung, dass die Zukunft in den Händen militärischer und diplomatischer Akteure liege, nicht in den Händen des Volkes. "Und mit zunehmenden militärischen Spannungen verschärft die Regierung ihre Repressionen gegen zivile Aktivisten", so Daraeizadeh weiter.

Menschen leiden unter der Krise

Der Konflikt mit Israel habe "die Kette langjähriger Krisen im Iran verschärft", meint dagegen die Schriftstellerin Chaharmahaliyan. "Die Kombination aus wirtschaftlicher Not und Forderungen nach Freiheit schafft ernsthaft die Voraussetzungen für eine neue Protestwelle." Die schwere Wirtschaftskrise steht dabei ganz oben auf der Liste der Sorgen einer durchschnittlichen Familie im Iran.

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Umfassende US-Sanktionen nach der Kündigung des Atomabkommens durch US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit 2018 haben die Wirtschaft im Iran praktisch zum Erliegen gebracht. Nachdem er wieder ins Weiße Haus eingezogen ist, setzt er sein Embargo mit "maximalem Druck" gegen Teheran fort. Die Folgen für den Iran: hohe Inflation, sinkende Kaufkraft, Jugendarbeitslosigkeit und zunehmende Armut.

Menschenrechtsanwalt Daraeizadeh glaubt deswegen, dass eher die wirtschaftliche Schieflage die Menschen wieder auf die Straßen bringen würde, vor allem unter den stark benachteiligte Menschengruppen. Und wenn es dazu käme, wäre es "sehr wahrscheinlich radikaler" als die Bewegung vor drei Jahren, erwartet die Schriftstellerin Chaharmahaliyan.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan