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Iran: Dramatischer Anstieg bei Todesstrafen

24. Februar 2025

Im vergangenen Jahr wurden fast 1000 Menschen im Iran hingerichtet - die höchste Zahl seit 20 Jahren. Anwälte und Aktivisten protestieren gegen die Exekutionen. Menschenrechtler fordern internationale Konsequenzen.

Washington Protest gegen islamische Regime im Iran
Protest gegen Hinrichtungen im Iran. Hier vor einem Jahr in Washington DC Bild: Allison Bailey/NurPhoto/picture alliance

Die Zahl der Hinrichtungen im Iran erreichte im Jahr 2024 ein alarmierendes Rekordhoch. Wie aus einem aktuellen Bericht der Iran Human Rights Organisation (IHR) und der französischen NGO Ensemble Contre la Peine de Mort (ECPM) hervorgeht, wurden mindestens 975 Menschen exekutiert - die höchste Zahl seit über 20 Jahren.

"Die Todesstrafe ist die Grundlage vieler Menschenrechtsverletzungen im Iran. Sie dient als Instrument zur Unterdrückung und Einschüchterung der Gesellschaft", erklärte Mahmud Amiry-Moghaddam, Leiter der in Norwegen ansässigen IHR, im Gespräch mit der DW.

Die Todesstrafe werde nicht nur bei schweren Straftaten wie Mord verhängt, sondern auch bei Tötungen, wenn diese in Notwehr begangen wurden. Zunehmend wird sie auch gegen politische Aktivisten verhängt. "Das Regime nutzt die mangelnde internationale Aufmerksamkeit, um so viele Hinrichtungen wie möglich zu vollstrecken", so Amiry-Moghaddam.

Besonders deutlich zeigte sich dies in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres, als die Spannungen zwischen dem Iran und Israel zunahmen: In dieser Zeit wurden täglich bis zu sechs Menschen hingerichtet.

Auch die Vereinten Nationen zeigten sich besorgt. "Die hohe Zahl der Hinrichtungen im Iran ist zutiefst beunruhigend", mahnte UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk Ende Januar. Nach Angaben seines Büros wurden allein in einer Woche im Dezember rund 40 Menschen exekutiert.

Irans Gefängnisse: Sexueller Missbrauch als Strategie

02:14

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Die Zahl der Hinrichtung von Frauen erreichte mit 31 registrierten Fällen den höchsten Stand seit 2007. Einige der hingerichteten Frauen hatten ihre Ehemänner getötet, um sich gegen Vergewaltigung zu wehren oder nachdem sie zur Heirat gezwungen worden waren. Eine Frau tötete ihren Ehemann, um ihre Tochter vor sexuellem Missbrauch zu schützen, berichtete Liz Throssell, Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros.

Menschenrechtler fordern Abschaffung der Todesstrafe

Bekannte Menschenrechtsaktivisten, darunter die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die sich derzeit aus gesundheitlichen Gründen im Hafturlaub befindet, protestieren immer wieder gegen die steigende Zahl an Hinrichtungen. In einem Video, das der DW vorliegt, versammelten sich Aktivisten am 19. Februar vor dem berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran.

Mit dieser Kundgebung solidarisierten sie sich mit den Inhaftierten, die wöchentlich gegen die Todesstrafe protestieren. Die Gefangenen hatten vor einigen Monaten die Kampagne "Dienstags ohne Hinrichtungen" ins Leben gerufen, um jeden Dienstag gegen die Exekutionen zu demonstrieren.

Mahmud Amiry-Moghaddam bezeichnet diese Bewegung als bedeutenden gesellschaftlichen Wandel: "Zum ersten Mal in der Geschichte Irans führen Gefangene eine Protestbewegung gegen die Todesstrafe an. Das könnte der Beginn einer breiteren gesellschaftlichen Bewegung sein."

Neben Narges Mohammadi beteiligten sich auch andere prominente Persönlichkeiten wie die Juristin und Theologin Sedighe Vasmaghi an den Protesten. In einer gemeinsamen Erklärung mit der Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh verurteilte Vasmaghi die Todesurteile gegen weibliche politische Gefangene scharf: "Diese Urteile sind eine eindeutige Rache an der Protestbewegung mit dem Slogan 'Frauen, Leben, Freiheit‘."

Protestaktion gegen Todesstrafe vor dem Evin-Gefängnis in Teheran: "Nein zur Todesstrafe" steht auf den PlakatenBild: privat

Auch 228 iranische Rechtsanwälte kritisierten in einem offenen Brief an den Justizchef Gholamhossein Mohseni-Ejei die Verfahren gegen die Aktivistinnen Pakhsan Azizi, Varisheh Moradi (Mirzaei) und Sharifeh Mohammadi als grob unfair. Die drei Frauen waren wegen ihrer Teilnahme an politischen Protesten festgenommen und in Schnellverfahren zum Tode verurteilt worden. In dem der DW vorliegenden Schreiben betonen die Unterzeichner, sie handelten nicht nur als Juristen, sondern auch aus menschlicher Verantwortung:  "Diese Urteile verstoßen nicht nur gegen islamische und humanitäre Werte, sondern verletzen auch die internationalen Verpflichtungen Irans zum Recht auf Leben und auf ein faires Verfahren."

"Todesstrafe in den Mittelpunkt diplomatischer Verhandlungen rücken"

Die Iran Human Rights Organisation (IHR) und der französischen NGO Ensemble Contre la Peine de Mort (ECPM) rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Hinrichtungen im Iran zu einem vorrangigen Thema diplomatischer Gespräche zu machen.

"Freiheitlich-demokratische Staaten müssen diese Welle der Exekutionen verurteilen und den wachsenden Widerstand im Iran gegen die Todesstrafe unterstützen. Es gilt, kurz- und langfristige Wege zu finden, um Druck auf die iranische Regierung auszuüben und Gesetzesänderungen zu bewirken," forderte Amiry-Moghaddam.

Tanz als Ausdruck der Freiheit

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Besondere Sorge bereitet die hohe Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten: Von den 975 Exekutionen im Jahr 2024 entfielen 503 - über die Hälfte - auf Personen, die in Verbindung mit Drogenvergehen verurteilt worden waren. Trotz dieser alarmierenden Entwicklung arbeitet die UN-Behörde für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) weiterhin mit iranischen Behörden zusammen. Menschenrechtsorganisationen fordern, die UNODC müsse sich verstärkt dafür einsetzen, dass Drogendelikte nicht länger mit dem Tod bestraft werden oder ihre Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik beenden.

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