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Iran: Aktivistin Narges Mohammadi erneut verurteilt

John Silk mit Agenturen
6. Oktober 2023

Sie erhielt den Friedensnobelpreis, weil sie für die Rechte der Frauen im Iran stritt. Nun verurteilte ein Gericht in Teheran Narges Mohammad zu einer weiteren Gefängnisstrafe - wegen "Propaganda gegen den Staat".

Narges Mohammadi vor dem Cover des Buches "White Torture" (auf persisch)
Narges Mohammadis Buch "White Torture" war Inspirationsquelle für den Dokumentarfilm. Jetzt wurde die Nobelpreisträgerin erneut verurteiltBild: DW

Ein weiteres Jahr soll Narges Mohammadi hinter Gitter, befand das Revolutionsgericht in der iranischen Hauptstadt, wie ihr Anwalt Mostafa Nili im Onlinedienst X mitteilte. Das Urteil sei mit Mohammadis Aufrufen zum Boykott von Parlamentswahlen, Briefen an schwedische und norwegische Abgeordnete und "Kommentaren über Frau Dina Ghalibaf" begründet worden. Dina Ghalibaf ist eine Journalistin und Studentin, die Sicherheitskräften vorgeworfen hatte, sie nach ihrer Festnahme vergewaltigt zu haben.

Noch im März hatte Friedensnobelpreisträgerin Mohammadi von einer Gefängniszelle aus eine Audiobotschaft versandt, in der sie einen "großangelegten Krieg gegen Frauen" in der Islamischen Republik Iran anprangerte. Die 52-Jährige ist seit November 2021 im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert. Ihren Mann und ihre beiden Kinder hat sie seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Der jetzige Prozess war bereits das vierte derartige Verfahren gegen sie. Ihrer Familie zufolge wurde sie bereits zu insgesamt zwölf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt sowie zu 154 Peitschenhieben, zwei Jahren Exil und verschiedenen sozialen und politischen Einschränkungen. Sie weigert sich auch im Gefängnis, das Kopftuch zu tragen.

"Die weiße Folter" von Narges Mohammadi (persisches Buchcover)Bild: Baran Verlag

"Im Iran ist eine Einzelzelle nicht mit der Isolation in westlichen Gefängnissen zu vergleichen", erklärte im Oktober Taghi Rahmani, Ehemann der Friedensnobelpreisträgerin. Er muss es wissen: Nach Angaben der NGO "Reporter ohne Grenzen" ist er "der am häufigsten inhaftierte Journalist im Iran".

"In einer Einzelzelle im Iran ist man eingesperrt und hat keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten. Und auch keine anderen Optionen. Kein Treffen, kein Buch, kein Aufsatz. Man trägt eine Augenbinde und hört nur Geräusche", so Rahmani gegenüber der DW bei einer Vorführung des Films "Weiße Folter" ("White Torture") in Berlin. Die Dokumentation deckt die psychologischen Foltermethoden auf, denen politische Aktivistinnen und Aktivisten in der Islamischen Republik ausgesetzt sind.

Buch und Film über die "weiße Folter" 

Narges Mohammadi ist stellvertretende Vorsitzende des iranischen "Defenders of Human Rights Center" (DHRC), der 2008 von der iranischen Regierung verboten wurde - und und seit 2023 eben auch Friedensnobelpreisträgerin. Die Schwedische Akademie zeichnete sie für ihren unermüdlichen Kampf gegen die Unterdrückung der iranischen Frauen und ihren Einsatz für Menschenrechte und Freiheit aus. Mohammadi wurde in den letzten 25 Jahren mehrfach verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt

Narges MohammadiBild: Iran Emrooz

Trotz aller Bemühungen des Mullah-Regimes: Zum Schweigen bringen konnte es Mohammadis Stimme nicht. Die Aktivistin begann, das Leiden ihrer Mitgefangenen zu dokumentieren. In dem Buch "White Torture" schrieb sie die Interviews auf. Darauf  basiert der gleichnamige Dokumentarfilm von Gelareh Kakavand.

Der Ausdruck "Weiße Folter" bezeichnet eine psychologische Foltermethode, die im Iran angewandt wird: Über längere, unbestimmte Zeit werden Gefangene in einer Zelle isoliert inhaftiert, in der alles komplett weiß ist.

Verdeckte Dreharbeiten im Iran

Eingang des berüchtigten Evin-Gefängnisses in TeheranBild: WANA NEWS AGENCY/File Photo/REUTERS

Während einer Haftpause drehte sie eine Dokumentation zusammen mit dem iranischen Filmemacher Vahid Zarezadeh. Die Dreharbeiten fanden größtenteils verdeckt statt. "Die Bedingungen, unter denen der Film gedreht wurde, waren schwierig", sagte Vahid Zarezadeh der Deutschen Welle. Der Filmemacher sah sich gezwungen, aus dem Iran zu fliehen. Zuvor war er verhört und bedroht worden, weil er in seinen Filmen auf die Zustände in den Gefängnissen hingewiesen hatte. 

Unterdessen setzt sich Narges Mohammadis Leidensweg mit der erneuten Verurteilung fort.

Übersetzung aus dem Englischen: Nikolas Fischer. Dies ist die erneute aktualisierte Fassung eines DW-Artikels vom 27.09.2023.

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