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Politik

Iran im Fadenkreuz des IS?

7. Juni 2017

Der Iran engagiert sich seit Jahren stark im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien und im Irak. Dennoch ist das Land selbst bislang von IS-Anschlägen verschont geblieben. Hat sich das nun geändert?

Iran Anschlag
Bild: Tasnim

Die Anschläge waren professionell koordiniert, die Ziele wohlüberlegt. Als zwei Angreifergruppen am Mittwochvormittag in und um Teheran zuschlugen, zielten sie mitten ins Herz der Islamischen Republik. Mehrere Bewaffnete stürmten das Mausoleum des Obersten Revolutionsführers Ayatollah Khomeini 20 km südlich der iranischen Hauptstadt. Ein Attentäter soll sich vor dem Gebäude in die Luft gesprengt haben, die übrigen Angreifer schossen um sich. Die iranische Nachrichtenagentur ILNA berichtete, dass im Inneren des Mausoleums eine weitere Bombe entschärft worden sei. Gleichzeitig drangen mitten in Teheran vier weitere Attentäter in den Parlamentskomplex ein. Medienberichten zufolge sollen sie sich als Frauen verkleidet auf das Parlamentsgelände geschlichen haben. Auch dort eröffneten die Angreifer das Feuer, auch dort sprengten sich mindestens zwei Attentäter in die Luft, die übrigen Täter verschanzten sich im Gebäude und lieferten sich stundenlange Gefechte mit iranischen Sicherheitskräften. Am Ende wurden insgesamt sechs Angreifer getötet. Insgesamt starben bei den Anschlägen mindestens 12 Menschen, 40 weitere wurden verletzt. Eine Frau wurde festgenommen.

Schnelle Propagandamaschine des IS

Symbolträchtiger Ort: das Mausoleum von Ayatollah KhomeiniBild: picture-alliance

Mittlerweile bekannte sich die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu den Anschlägen, die offenbar professionell vorbereitet worden sind. Sollte tatsächlich die Terrormiliz hinter dem Doppelattentat stecken, hätte die Bedrohung für den Iran eine neue Qualität erreicht. Während der gesamte Nahe und Mittlere Osten immer wieder von Anschlägen heimgesucht wird, sind der Iran und seine Hauptstadt Teheran bislang von Attentaten verschont geblieben.

Während die iranischen Staatsmedien auffällig zurückhaltend über die Vorfälle berichten, verbreitete Aamaq News, das inoffizielle Sprachrohr des IS, noch während der Angriffe ein 24-sekündiges Video, auf dem die Erstürmung des Parlaments zu sehen sein soll. Zwei Angreifer sollen darauf dem iranischen Staat auf Arabisch gedroht haben. Normalerweise verbreitet der IS nur äußerst selten Statements oder Videos zu noch laufenden Anschlägen, sondern bekennt sich oft erst im Nachhinein dazu. Doch ein Angriff auf das Grabmal Khomeinis ist von besonderer Symbolkraft. Dieser hatte 1979 die vom IS so verhasste und als "ketzerisch" angesehene schiitische Islamische Republik Iran gegründet. Als Hegemonialmacht aller Schiiten im Mittleren Osten befindet sich der Iran auf der Feindesliste des sunnitischen IS ganz weit oben.

Der Iran beteiligt sich aktiv an der Bekämpfung des IS im Irak und in Syrien. In beiden Staaten unterstützt er die Regierungstruppen mit eigenen Militärberatern. Auch Spezialeinheiten der iranischen Al-Quds-Brigaden sollen nach Medienberichten an Kampfhandlungen gegen den IS beteiligt sein.

Erster IS-Anschlag im Iran?

Der Einsatz der Spezialkräfte am iranischen Parlament dauerte mehrere StundenBild: Ilna

Dennoch hat die Terrormiliz allen Drohungen zum Trotz bislang noch kein Attentat auf iranischem Staatsgebiet verüben können, auch wenn sie immer wieder damit gedroht hatte. Experten führen das auch auf die engmaschige Überwachung der iranischen Gesellschaft durch den staatlichen Geheimdienst zurück. Generell verzeichnet der Iran zwar immer wieder kleinere Anschläge, die meist auf das Konto inneriranischer sunnitischer Extremistengruppen gehen. Jedoch wurden diese fast ausschließlich außerhalb der großen Städte des Irans verübt - meist in den Gebieten, in denen mehrheitlich Sunniten wohnen, etwa in Belutschistan im äußersten Südosten des Landes. Der letzte größere Anschlag dieser Art ist schon sieben Jahre her. Damals waren bei einem Sprengstoffanschlag auf eine Moschee in der Region 39 Menschen getötet worden.

Iraner als Angriffsziel

Unstreitbar ist jedoch, dass der IS seit einiger Zeit auch den Iran immer stärker ins Fadenkreuz genommen hat. Im März 2017 war ein 36-minütiges Propagandavideo in den sozialen Netzwerken aufgetaucht, in dem ein maskierter Dschihadist damit drohte, den Iran zu unterwerfen und in eine sunnitische Nation zu verwandeln. Auch Khomeinis Nachfolger, Ayatollah Ali Chamenei, wurde dabei direkt bedroht. Seit Ausbruch der Kämpfe im benachbarten Irak gab es immer wieder Meldungen, nach denen sich iranische Soldaten Gefechte mit sunnitischen Extremisten geliefert haben, die versucht haben sollen, in den Iran einzudringen.

Bei einem Selbstmordanschlag bei Bagdad starben im November 2016 rund 90 iranische PilgerBild: Reuters/A. Al-Marjani

Vor einem Jahr, im Juni 2016, hatte der iranische Geheimdienst eigenen Angaben zufolge eine Serie von rund 50 Anschlägen verhindert, die dem IS nahestehende Extremistengruppen in dicht besiedelten Gebieten im ganzen Land geplant haben sollen. Dabei seien zehn Terroristen verhaftet und über 100 Kilogramm Sprengstoff beschlagnahmt worden. Im November 2016 hatte sich ein Selbstmordattentäter an einer Tankstelle nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad in die Luft gesprengt. Zu der Zeit parkten dort sieben iranische Pilgerbusse. Rund 90 zumeist iranische Pilger wurden bei dem Attentat getötet. Sie waren auf dem Rückweg aus dem irakischen Kerbela, wo sich eine der wichtigsten schiitischen Pilgerstätten befindet.

Saudi Arabien beschuldigt

Die Regierung in Teheran ist darum bemüht, die Anschläge weitestmöglich herunterzuspielen. Ein Statement der iranischen Antiterroreinheit bestätigte, dass "verschiedene vereinzelte Terroristen" nach Teheran eindringen konnten, ohne zu erklären, woher diese stammten. Sie seien aber "neutralisiert" worden. Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani, der sich zum Zeitpunkt des Anschlags im Gebäudekomplex befand, spielte den Angriff auf das Abgeordnetenhaus herunter. "Feige Terroristen" hätten ein Gebäude infiltriert, seien aber sofort gestellt worden. Der Angriff sei ein "kleiner Vorfall" gewesen, der aber zeige, dass die Terroristen "Probleme machen wollten." Verschiedene Regierungsvertreter beschuldigten zudem Saudi-Arabien, hinter dem Angriff zu stecken. Die Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi Arabien sind seit Jahren angespannt und befinden sich auch aufgrund der derzeitigen Katar-Krise auf einem Tiefpunkt.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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