1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Iran in der Corona-Dauerkrise

3. August 2021

Der Iran steckt in der fünften Welle der Corona-Pandemie. Kurz vor wichtigen religiösen Feiern soll ein harter Lockdown die schnelle Ausbreitung bremsen. Viele Iraner haben jede Hoffnung verloren.

Iran, Corona-Sitiation
Bild: Fatemeh Bahrami/AA/picture alliance

Die Delta-Variante der Corona-Mutante verbreitet sich weiter rasant im Iran. Am Montag hatte das Land neue Rekordwerte bei Neuinfektionen verzeichnet: mehr als 37.000 neue Fälle innerhalb von 24 Stunden. "Alle vier Minuten stirbt im Iran ein Mensch an Covid-19. Und die Zahl wird in den nächsten zehn Tagen weiter steigen", warnte der iranische Vizegesundheitsminister Iradsch Harirchi im staatlichen Fernsehen. 90 Prozent der Landesfläche seien als Risikogebiet eingestuft. 

Besonders schlimm ist die Situation in der nordostiranischen Stadt Maschhad. Dort befindet sich der heilige Schrein des achten schiitischen Imams Reza. Das Heiligtum wird jährlich von Millionen Pilgern aus ganzem Land besucht - auch während der Corona-Pandemie. Die Ärzte in Maschhad sind schon seit Anfang der Sommerferien im Juni alarmiert angesichts der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante im ganzen Land. Nach langem Zögern hat Gesundheitsminister Said Namaki jetzt einen zweiwöchigen Lockdown vorgeschlagen. Der soll vom Corona-Krisenstab auf Umsetzbarkeit geprüft werden.

Tweet: "Bei der Zahl der Neuinfektionen stehen wir an der ersten Stelle" 

Schiitischer Trauermonat beginnt bald

In der nächsten Woche fängt der Monat Muharram an. Dieser erste Monat des islamischen Kalenders ist für Schiiten eine Zeit des Gedenkens und der Trauer. Es wird dabei des Todes des dritten Imams gedacht. In allen Moscheen des schiitischen Iran finden zehn Tage und Nächste lang Trauerzeremonien statt. Es sind die wichtigste religiöse Feierlichkeit für die konservativen Kreise im Iran, die sich bislang gegen die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen die Corona- Pandemie wehren.

Viele Experten fürchten, die Muharram-Feiern könnten die Pandemie weiter befeuern. Aber "nicht nur die religiösen Menschen, sondern auch die weniger religiösen und gut ausgebildeten Menschen im Iran haben kein Vertrauen in das Krisenmanagement der Staatsführung", berichtet Hadi Yazdi. Der iranische Arzt spricht im Interview mit der DW vom Unwillen der Menschen, staatlich vorgegebenen Schutzmaßnahmen zu folgen. "Die Corona-Pandemie wütet seit anderthalb Jahren im Iran. Und die Menschen sehen kein Licht am Ende des Tunnels."

Völlig überforderte Behörden, die am Anfang die Ausbreitung des Virus verschwiegen haben, versuchten die notwendigen Hygiene- und Quarantänemaßnahmen kleinzureden. Später verbreiteten sie Verschwörungstheorien über die mRNA-Impfstoffe westlicher Hersteller wie BioNTech und Moderna. Der Religiöse Führer Ayatollah Chamenei, der seit Februar 2020 unter strengsten Hygienemaßnahmen lebt, bezeichnete das Coronavirus als biologische Waffe der USA und verbot den Import von Impfstoffen.

Stockende Impfkampagne 

Erst mit Verspätung bestellte das Land das chinesische Vakzin Sinopharm und den russischen Sputnik-V und setzt weiter auf die Entwicklung eines eigenen Impfstoffs. Mitte Juni erteilte das Gesundheitsministerium dem iranischen Impfstoff COVIRAN-Barekat eine Notzulassung und erlaubte die Massenproduktion.

Das iranische Barekat-Institut versprach zwar, wöchentlich drei Millionen Impfdosen zu produzieren. Wegen "technischer Probleme" konnte es bis Ende Juli aber nur 1,5 Millionen liefern. Die nationale Impfkampagne gerät ins Stocken. Und die Wut und das Misstrauen steigen weiter. Ein zweiwöchiger Lockdown wird die Impfkampagne auch nicht weiterbringen, schreiben viele Kritiker in sozialen Netzwerken.

Von den 83 Millionen Einwohnern des Landes haben erst knapp 11 Millionen ihre erste Dosis erhalten. Nur 2,4 Millionen Iraner sind vollständig mit russischem, chinesischem oder iranischem Impfstoff geimpft. Das entspricht lediglich 2,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. 

Nur 2,4 Millionen Iraner sind bis jetzt vollständig geimpftBild: Morteza Nikoubazl/picture alliance

"Viele sind verunsichert und wollen sich mit dem iranischen Impfstoffe COVIRAN nicht impfen lassen", sagt Arzt Yazdai und gesteht: "Meine Arztkollegen und ich haben kein gutes Gefühl, dafür zu werben. Wir wissen sehr wenig über die Wirksamkeit des Impfstoffs und sind täglich mit zahlreichen Fragen unserer Patienten konfrontiert. Sie haben aber auch große Skepsis gegenüber dem chinesischen und russischen Impfstoff, weil sie ständig widersprüchliche Informationen im Internet lesen."

In sozialen Netzwerken findet man zahlreiche Berichte darüber, dass viele vollständig geimpfte Menschen trotzdem nach der Ansteckung mit dem Delta-Mutant gestorben sein sollen. In dem relativ jungen Land mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren sind laut Behördenangaben bis jetzt ca. 91.000 Menschen an den direkten Folgen einer Corona-Erkrankung ums Leben gekommen. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO übernimmt die Zahlen. Wegen geringer Testkapazitäten zweifeln aber selbst die Behörden an dieser Zahl.

Inzwischen kennt fast jeder Iraner persönlich ein Todesopfer der Pandemie. Zugleich bilden sich viele verzweifelte Menschen ein, durch eine symptomfreie Corona-Infektion bereits immunisiert zu sein. Deswegen fühlen sie sich nicht zur Einhaltung von Regeln und Maßnahmen verpflichtet. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen