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PolitikAsien

Iran: Kampagne gegen Todesstrafe

16. Juli 2020

Ein iranisches Gericht hat drei junge Männer wegen Brandstiftung bei Protestkundgebungen im vergangenen Herbst zum Tode verurteilt. Nun droht die Vollstreckung des Urteils. Dagegen erhebt sich internationaler Protest.

Iran Todesstrafe
Bild: picture-alliance/dpa/W. Steinberg

Kann die Kampagne das Leben der jungen Männer retten? Seit Beginn dieser Woche zieht ein neuer Hashtag durch den Iran. "StopExecutionOfIranianProtestors" heißt er und wendet sich gegen die von einem Gericht angeordnete Hinrichtung dreier junger Demonstranten. Medienberichten zufolge haben allein im Iran rund zwei Millionen Bürger über Twitter gegen das Gerichtsurteil protestiert

Die drei Verurteilten - Saeed Tamjidi, Amir Hossein Moradi und Mohammad Rajabi - hatten sich an den Protesten im vergangenen November beteiligt. Diese hatten sich zunächst an gestiegenen Benzinpreisen entzündet, richteten sich dann aber gegen das politische System des Landes insgesamt. 

Im Februar dieses Jahres hatte eine Strafkammer des Islamischen Revolutionsgerichts die drei jungen Männer schuldig gesprochen, sich während der Proteste an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt zu haben. Auf dieser Grundlage verurteilte es sie zum Tode. 

Internationaler Protest

Viele Iraner forderten die Rücknahme des Urteils und riefen zur Solidarität mit den Verurteilten auf. Auch außerhalb des Irans wurde das Urteil stark kritisiert. "Das barbarische Urteil löst hier in Deutschland und auch in anderen Teilen der Welt große Empörung und Unverständnis aus", sagt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main, im DW-Interview. "Die iranische Staatsführung könnte mit diesem Urteil ein Exempel für weitere gerichtliche Entscheidungen in den sogenannten 'Benzinfällen' statuieren." Die iranische Führung versuche zudem, die Zivilbevölkerung durch das Urteil von weiteren Demonstrationen abzuhalten und diese ganz zu verhindern, so Lessenthin weiter.

Martin Lessenthin: "Große Empörung und Unverständnis weltweit"Bild: picture alliance/Eventpress

Revision nicht ausgeschlossen

Die iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete nun, Justizchef Ibrahim Raeissi habe sich persönlich eingeschaltet. Er habe weitere Untersuchungen zu dem bereits rechtskräftigen Urteil befürwortet, hieß es. Die Justizbehörde widersprach dieser Darstellung allerdings: Eine Revision des Urteils sei zwar möglich, diese müssten aber die Anwälte der Angeklagten beantragen.

Entsprechende Schritte hätten die Rechtsanwälte bereits eingeleitet, teilte Babak Paknia, einer der Anwälte der Verurteilten, am Mittwoch über Twitter mit. Ihm und seinen Kollegen sei nun Zugang zu den Akten gewährt worden. "Nach dem umfangreichen Einlesen werden wir einen neuen Antrag zur Revision stellen. Wir warten auf die Aufhebung der Vollstreckung des Urteils."

Bereits Anfang Juli hatten die Verteidiger der drei Angeklagten in einem Offenen Brief erklärt, diese hätten ihre Geständnisse unter "anormalen" Umständen abgelegt. Der 15. Strafkammer des Revolutionsgerichts warfen sie "ungewöhnlichen und ungesetzlichen Strafprozess vor." Ihre Klienten hätten sich an Brandstiftungen nicht beteiligt.

Nachdem einer der Angeklagten Amirhossein Moradi im November 2019 verhaftet worden war, hatten sich die anderen zwei - Saeed Tamjidi und Mohammad Rajabi - in die Türkei abgesetzt. Diese kam einem Auslieferungsgesuch aus Teheran nach und übergab sie den iranischen Behörden. 

Die Auslieferung war in der Türkei nicht unumstritten. "Nach der internationalen Rechtsprechung hätte man die beiden nicht ausliefern dürfen", sagt Ibrahim Kaboglu, türkischer Verfassungsrechtler und Abgeordneter der oppositionellen sozialdemokratischen CHP im türkischen Parlament. Er forderte "ein neues, faires Gerichtsverfahren" gegen die drei Männer. 

Unruhe im November 2019 in der iranischen Hauptstadt TeheranBild: picture-alliance/abaca/Salampix

Ein politisches Urteil?

Die Todesurteile dienten vor allem dazu, die Bevölkerung einzuschüchtern, sagt der Polit-Analyst Mohammad Mohebbi in Teheran im Gespräch mit der DW. Die wirtschaftliche Situation des Landes werde immer schwieriger. Dies liege zum einen an den US-Sanktionen und zum anderen an der Ineffizienz der Regierung. "Die Menschen sind zornig. Diese Entwicklung hat die Stimmung in der Gesellschaft höchst explosiv werden lassen." Die Todesurteile dienten nun dazu, den Ausbruch von Protesten bereits im Ansatz zu ersticken.  

Die iranische Staatsführung stelle die Demonstrationen als Sabotageaktionen und Versuch dar, das iranische Regime zu schwächen oder gar zu stürzen, sagt Martin Lessenthin von der IGFM. Dabei beriefen sich die Juristen auf den Vers 33 aus Sure 5 in der Scharia. Dieser spricht von jenen, die "Verderben stiften auf Erden". Darunter fielen auch und subversive staatsfeindliche Tätigkeiten und Apostasie, so Lessentin. "Das Dogma lässt viel Interpretationsspielraum zu und bietet der Justiz und anderen staatlichen Institutionen rechtliche Grundlage für willkürliche Entscheidungen."

Kampagne gegen die Todesstrafe

Inzwischen richten sich die Proteste nicht mehr allein gegen die Todesurteile, sondern nehmen die Praxis der Hinrichtungen grundsätzlich ins Visier. Amnesty International zufolge wurden im Jahr 2018 251 und im Jahr 2019 253 Menschen hingerichtet.  

Die derzeitige Kampagne findet vor allem auf digitaler Ebene statt. Das habe durchaus Vorteile, sagt Martin Lessenthin von der IGFM. "Viele Menschen, insbesondere auch die westliche Welt, werden auf die politische, wirtschaftliche und Menschenrechtssituation im Iran aufmerksam und können Druck auf die Staatsführung des Irans ausüben, indem sie öffentlich Kritik üben." 

Zudem bietet das Internet den Iranern bereits seit längerer Zeit eine Plattform, um sich zu vernetzen und auszutauschen. "Es lässt sich auch vermuten, dass Onlineproteste gegen die iranischen Strafverfolgungsbehörden zum Teil schwieriger nachzuverfolgen und zu ahnden sind als die persönliche Teilnahme an öffentlichen Demonstrationen", so Lessenthin.

Mitarbeit: Maryam Ansari

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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