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Politik

Der Irak zwischen den Fronten

Nermin Ismail
15. Mai 2019

International wächst die Sorge vor einer Eskalation am Persischen Golf. Die USA gehen von einer neuen Bedrohungslage aus und erste Diplomaten verlassen den Irak. Auf wessen Seite stellt sich der Irak?

Symbolbild US-Truppen im Irak und Syrien
Rund 5000 US-Soldaten sind noch im Irak stationiertBild: imago/StockTrek Images

Alle Beamten, die in Bagdad nicht gebraucht werden, sollen den Irak umgehend verlassen. Das US-Außenministerium begründet den Rückruf seines Botschaftspersonals mit einer Bedrohung durch "USA-feindliche konfessionelle Milizen" im Irak. Die US-Regierung habe nur "beschränkte Möglichkeiten, amerikanischen Bürgern im Irak in Notfällen zu Diensten zu stehen", heißt es in einer Mitteilung des State Department.

Seit Wochen erhöht die US-Regierung den Druck auf Teheran massiv. Anfang des Monats entsandten die USA einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in die Region. Danach folgten ein weiteres Kriegsschiff und ein Flugabwehrraketensystem. Sowohl US-Außenminister Mike Pompeo als auch der Iran betonten, keinen Krieg zu wollen. Dennoch ist die nächste Eskalationsstufe erreicht: Sabotage-Zwischenfälle in der Region, Drohnenangriffe auf eine saudische Pipeline, US-Drohungen. Die Sorge wächst, dass ein Zwischenfall in der angespannten Situation eine unkontrollierbare Eskalation auslöst.

Großer Einfluss der Iraner im Irak

Der irakische Ministerpräsident Adel Abdul-Mahdi erklärte, keine Bewegungen beobachtet zu haben, die eine Bedrohung darstellten: "Wir haben den Amerikanern gegenüber deutlich gemacht, dass die Regierung ihre Pflicht erfüllt, alle Beteiligten zu schützen."  

Eine der wichtigsten Ölpipelines Saudi-Arabiens wurde von mit Sprengstoff beladenen Drohnen angegriffenBild: picture-alliance/dpa/K. Jebreili

Doch als Nachbarland des Iran und ehemalige Besatzungszone der USA führt wohl kein Weg daran vorbei, dass der Irak eine Rolle im Konflikt spielt. "Der Irak ist in den letzten Jahren in einer ganz schwierigen Situation, weil er sowohl mit den Amerikanern als auch mit Teheran sehr eng verbündet ist", erklärt Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik im DW-Interview.

Der Iran nimmt außerdem Einfluss auf die irakische Politik. So gilt der ehemalige schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki für viele Sunniten im Irak als Marionette des Iran. Teheran übt im Nachbarland außerdem Einfluss über Schiitenmilizen aus. Der Irak sei zerrissen zwischen seinem Wunsch, gute Beziehung zu den Amerikanern zu unterhalten, und dem ganz massiven politischen, militärischen und wirtschaftlichen Einfluss, den die Iraner nehmen, meint der Politikexperte Steinberg.

"Politische Katastrophe für den Irak"

Das macht es für den Irak umso schwerer, eine klare Haltung im Streit zwischen Teheran und Washington einzunehmen. Sowohl US-Soldaten als auch iranische Milizen sind im Irak präsent. Obwohl der Irak eher dazu neige, die Wünsche Teherans zu berücksichtigen, versuche er eine Eskalation des Konflikts zwischen beiden Parteien auf irakischem Boden zu verhindern, so Nahostexperte Steinberg. "Für den Irak wäre es eine politische Katastrophe, wenn es tatsächlich zu Angriffen kommt. Vor allem deshalb, weil es zu amerikanischen Vergeltungsschlägen kommen könnte, möglicherweise auch gegen iranisch kontrollierte Milizen im Irak."

Bei einer militärischen Auseinandersetzung würde die irakische Regierung versuchen, neutral zu bleiben, erklärt Manaf Musawi, Leiter des Zentrums für strategische Studien in Bagdad, gegenüber der DW. Doch große Teile der Sicherheitsbehörden, die von Schiitenmilizen kontrolliert werden, als auch auch Teile der Bevölkerung würden sich gegen die USA stellen, so Musawi. 

US-Außenminister Pompeo flog wegen der Dringlichkeit nach Bagdad und nicht wie angekündigt nach DeutschlandBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Zwar hatte US-Außenminister Mike Pompeo die irakische Regierung aufgefordert, die Milizen unter Kontrolle zu halten, doch könnte das nach Einschätzung des ehemaligen US-Diplomaten Nabil Khoury zu einem Bürgerkrieg im Land führen: "Den Schiitenmilizen die Waffen wegzunehmen, würde zu Konflikten im Irak führen. Der Versuch, diese Milizen aufzulösen und in die irakische Armee aufzunehmen, ist gescheitert," so Khoury vom Chicago Council on Global Affairs zur DW.

Misstrauen gegenüber den USA

Derzeit sind noch etwa 5000 US-Soldaten im Irak stationiert. Teheran könnte versucht sein, sie bei einem militärischen Konflikt anzugreifen. Da der Iran die militärischen Kapazitäten nicht hätte, einen offenen Krieg zu führen, würde er andere Taktiken anwenden, wie Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt: "Wir sollten deshalb nicht erwarten, dass es dort zu großen Kämpfen zwischen großen Einheiten kommt. Ein wahrscheinlicheres Szenario ist, dass proiranische Milizen indirekt vorgehen. Beispielsweise durch Raketen oder Mörserbeschuss von amerikanischen Basen. In direkten Kämpfen gegen US-Truppen hätten sie keine Chance."

Ob die Warnungen vor iranischen Angriffen eine reale Grundlage haben, ist noch unbekannt, denn sie wurden von keiner Regierung belegt. Parallelen zum Jahr 2003 drängen sich auf: Damals wurde dem Irak die Behauptung, das Land würde Massenvernichtungswaffen besitzen, zum Verhängnis. Die Behauptung wurde niemals bestätigt, dennoch folgte die Invasion. Seitdem ist das Misstrauen gegenüber Washington groß.

Klar ist: Ein militärischer Konflikt würde den Irak hart treffen. "Trump will eigentlich keinen Krieg führen. Er wäre destruktiv für alle. Aber der provokanten Rhetorik folgt immer die Mobilisierung und da können Fehler passieren," meint Ex-Diplomat Khoury. Deswegen müssten alle sehr vorsichtig sein. "Die Vereinigten Staaten von Amerika erleben eine sehr eigenartige Zeit mit einer sehr ungewöhnlichen Administration. Es ist schwierig da etwas vorauszusagen."

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