1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wie wirken Sanktionen?

10. August 2022

Sie sind politisch beliebt, aber wissenschaftlich umstritten. Sie richten sich gegen kleine Länder wie Kuba oder gegen Wirtschaftsriesen wie China und Russland. Sechs Beispiele über Folgen von Sanktionen.

Auf dem Boden vor dem Kanzleramt steht in großen Buchstaben "Energy Embargo Now!"
Protest vor dem Kanzleramt: In Berlin forderten Demonstranten im Mai ein Energie-Embargo gegen RusslandBild: Paul Zinken/dpa/picture alliance

Waffenembargo, Reiseverbot, Handelsblockade:  Das Sanktionskarussell dreht sich immer schneller. Jüngste Beispiele sind Chinas Exportverbote gegen Taiwan und die umfangreichen Strafmaßnahmen gegen Russland nach der Invasion in der Ukraine. 

Während die Vereinten Nationen (UN) ihre Sanktionen auf 14 Länder beschränken, stehen bei der EU 35 Länder auf der Liste. Die USA bestrafen 38 Länder und Organisationen.

Doch funktioniert die Alternative zur bewaffneten Auseinandersetzung? Geht sie über eine politische Signalwirkung hinaus? In seinem jüngsten Friedensgutachten zieht das "German Institute for Global and Area Studies" (Giga) eine gemischte Bilanz.

China ist am stärksten von Sanktionen betroffen

"Weniger als die Hälfte aller Sanktionen enden durch vollständige Zugeständnisse der Sanktionierten", heißt es dort. "Das macht deutlich, dass Sanktionen ein ambivalentes friedenspolitisches Instrument sind und ebenso wie militärische Interventionen in eine politische, diplomatische und wirtschaftliche Gesamtstrategie eingebettet sein müssen."

Laut Giga gibt es aber auch "eindeutige Erfolge". Dazu gehörten das Ende des libyschen Atomwaffenprogramms (Sanktionen von 1978 - 2006), die Anti-Korruptions-Maßnahmen gegen Bulgarien (2007 - 09) und die UN-Sanktionen zum Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste (2003 - 16). Auch die Sanktionen gegen Apartheid-Südafrika in den 1990er Jahren gelten als Erfolg. Aus der langen Liste der sanktionierten Länder, von denen sich die meisten im globalen Süden befinden, hat sich die DW sechs Staaten herausgesucht, um einen Blick auf die Wirkung der jeweiligen Strafmaßnahmen zu richten.

Bei ihrem Treffen im Iran Ende Juli tauschten sich Putin und der türkische Präsident Erdogan auch über Sanktionen ausBild: Sergei Savostyanov/TASS/dpa/picture alliance

Türkei

Seit dem 14. Oktober 2019 hat die EU Ankara mit Sanktionen belegt. Grund sind die Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer vor der Küste Zyperns. Die Maßnahmen umfassen Reiseverbote oder das Einfrieren von Vermögen einzelner Personen und Firmen, die in die Gasförderung involviert sind.

Außerdem haben die USA seit Dezember 2020 Sanktionen gegen den NATO-Partner verhängt. Grund war der Kauf militärischen Equipments vom staatlichen russischen Waffenexporteur Rosoboronexport. Ankara habe damit gegen die Sekundärsanktionen der USA verstoßen, die Geschäfte mit von den USA sanktionierten Ländern wie Russland verbieten. Die Sanktionen haben die Wirtschaftskrise in der Türkei verschärft, allerdings noch nicht zu einem Einlenken von Präsident Recep Tayyip Erdogan geführt.

Venezuela

Gegen die venezolanische Regierung von Präsident Nicolas Maduro haben viele Länder Strafmaßnahmen verhängt, allen voran die USA, Kanada, Mexiko, Panama und die Schweiz.

Angesichts der Energiekrise haben die USA ihre Sanktionen gegenüber dem venezolanischen Erdölkonzern PDVSA gelockert Bild: Ivan Alvarado/REUTERS

Die USA halten seit 2015 umfangreiche Sanktionen gegen die Regierung in Caracas aufrecht und seit 2019 auch gegen den staatlichen Erdölkonzern PDVSA. Angesichts der aktuellen Energiekrise wurden einige Restriktionen gelockert. Seit November 2017 hat auch die EU als Reaktion auf die Verstöße gegen Menschenrechte und Demokratie restriktive Maßnahmen verhängt. Die Sanktionen haben Venezuela politisch isoliert und zu einer verstärkten Abhängigkeit des Landes von China und Russland geführt. Der angestrebte Regimewechsel ist ausgeblieben.

Kuba

Das von US-Präsident John F. Kennedy am 3. Februar 1962 verhängte Handelsembargo gegen Kuba ist die am längsten anhaltende Sanktion der Geschichte. Mit dem Embargo sollte der Sturz Fidel Castros und des kommunistischen Regimes erwirkt werden.

Seit 1992 bringt Kuba jährlich einen Antrag zur Verurteilung und Abschaffung des US-Handelsembargos in der UN-Vollversammlung ein. Mittlerweile spricht sich eine große Mehrheit der Länder für ein Ende der Maßnahmen aus, insbesondere die Länder in Lateinamerika. Die EU hat ihre Sanktionen gegen Kuba 2008 aufgehoben. 

Nachdem US-Präsident Donald Trump die von seinem Vorgänger Barack Obama erwirkten Erleichterungen zurücknehmen ließ, will Joe Biden nun die US-Sanktionen erneut abschwächen. Die Sanktionen haben das Regime in Havanna gestärkt, weil es für alle Krisen die USA verantwortlich machen konnte.

Kritik am Embargo ist erlaubt, an der Regierung nicht: Demonstration gegen das US-Handelsembargo auf Kuba Bild: Ismael Francisco/AP Photo/picture alliance

Mali

Das westafrikanische Land Mali ist mehrfach mit Sanktionen belegt: Vom UN-Sicherheitsrat (Resolution vom 5.9.2017), von der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, von der EU und den USA.

Aufgrund von "wiederholten Verstößen gegen das Waffenstillstandsabkommen, den Friedensvertrag von 2015, terroristischen Aktivtäten sowie Angriffen gegen die UN-Friedensmission MINUSMA" beschlossen die USA am 26. Juli 2019 zusätzliche Sanktionen gegen das Land.

Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, die nach dem Militärputsch im August 2020 ebenfalls Sanktionen gegen Mali verhängt hatte, hob diese am 7. Juli dieses Jahres wieder auf. Zur Begründung hieß es, mit der Ankündigung von Parlamentswahlen für November 2023 und Präsidentschaftswahlen 2024 sei die Grundlage für die Aufhebung der Sanktionen erfüllt.

Bei einem Sprengstoffanschlag im November 2021 auf die UN-Mission in Mali wurde ein Militärfahrzeug zerstörtBild: Amaury Hauchard/Getty Images/AFP

Libyen

Auch die Liste der Sanktionen gegen Libyen ist lang. Erstmals verhängte der UN-Sicherheitsrat 1993 nach einem Bombenanschlag auf eine US-amerikanische Passagiermaschine über dem schottischen Lockerbie eine Reihe von Restriktionen. Diese wurden 2003 aufgehoben, nachdem der damalige Staatschef Muammar al-Gaddafi sich schuldig bekannt hatte und 270 Opferfamilien entschädigt wurden.

Während des Bürgerkrieges 2011 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat ein Sanktionspaket, unter anderem mit einer Flugverbotszone. Das Ölexportverbot, das eigentlich am 30. Juli 2022 aufgehoben werden sollten, wurde bis zum 30.10.2023 verlängert. Die EU verhängte am 21.9.2020 wegen Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das Waffenembargo zusätzliche Sanktionen. Die Maßnahmen waren teilweise erfolgreich, insbesondere die Flugverbotszone gilt als Erfolg. 

Das von den UN verhängte Erdölexportverbot hat die Produktion in Libyen gedrosselt

Iran

Kein Land unterliegt einem so komplexen Sanktionsregime wie der Iran. Grund sind neben dem iranischen Atomprogramm auch Menschenrechtsverletzungen und die Unterstützung von Terrorismus.

Die UN-Sanktionen gegen den Iran wurden in zwei Schritten aufgehoben. Am 16. Januar 2016 nach dem Abschluss des internationalen Atomprogramms, und im Oktober 2020, als das UN-Waffenembargo aufgehoben wurde. Dies gilt als Beleg für die Wirksamkeit von Sanktionen.  

Die EU schlossen sich der UN an, hielten aber einige Sanktionen aufgrund von Vorwürfen zu Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus weiter aufrecht. Auch die USA halten trotz Lockerungen an einem komplexen Sanktionsregime fest

Die Sanktionen haben massive wirtschaftliche Folgen im Iran. Die UN-Beauftragte Alena Douhan zeigt sich nach einem Besuch im Iran im Mai dieses Jahres "sehr besorgt" über die humanitären Probleme im Land.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen