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Iran lässt deutsche Wirtschaft träumen

Sabine Kinkartz, Berlin3. März 2016

80 Millionen Einwohner, große Gas- und Ölreserven und eine hoffnungslos veraltete Infrastruktur: Nach dem Atomstreit ist der Iran ein attraktiver Markt. Die deutsche Industrie hofft auf ein großes Stück vom Kuchen.

Iran Komplex Mahshahr in der Provinz Khuzestan
Bild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Wo andere noch sondieren, hat Siemens bereits zugeschlagen. Der Industriekonzern will die 500 Kilometer lange Bahnstrecke von Teheran nach Maschar elektrifizieren, eine Hochgeschwindigkeitstrasse nach Isfahan bauen, sowie 500 Passagierzüge für die iranische Bahn liefern. Entsprechende Absichtserklärungen wurden bereits Anfang des Jahres unterschrieben. In Kooperation mit der iranischen Mapna-Gruppe will Siemens außerdem das Stromnetz im Land modernisieren. 20 Gasturbinen und die dazu gehörenden Generatoren sollen in den nächsten zehn Jahren aus Deutschland geliefert, beziehungsweise im Iran in Lizenz gebaut werden. Ein Millionendeal.

"Mit diesen wichtigen Vereinbarungen lassen wir die langfristige Partnerschaft zwischen Mapna und Siemens im Energiebereich wieder aufleben", sagte Siemens-Chef Joe Kaeser, nachdem er am Mittwoch in Berlin mit Mapna-Vorstand Abbas Aliabadi Verträge über die Turbinenlieferung und weitere Absichtserklärungen unterschrieben hatte. Mit dabei: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und der iranische Energieminister Hamid Chitchian.

Halbierte Geschäfte

Chitchian ist mit einer 80-köpfigen Wirtschaftsdelegation nach Deutschland gereist und wird von Unternehmern mit offenen Armen empfangen. Die deutsche Wirtschaft sei hochgradig daran interessiert, an ihre traditionell guten Beziehungen zum Iran anzuknüpfen, sagt Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Deutschland war lange Jahre der wichtigste Handelspartner des Iran. 2005 belief sich das bilaterale Handelsvolumen auf fast fünf Milliarden Euro. 2015 war infolge der Wirtschaftssanktionen davon nur noch knapp die Hälfte übrig.

Irans Präsident Hassan Ruhani setzt auf Privatisierung - mit der Autoindustrie will er anfangenBild: ISNA

"Für den deutschen Mittelstand hat es immer noch ein ordentliches Iran-Geschäft gegeben, weil ja nicht alle Güter dem Embargo unterlagen", bemerkt Reinhold Festge, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "So ist es uns gelungen, die Kontakte mit den iranischen Freunden aufrecht zu erhalten." Kontakte, die jetzt schnell zu alter Größe wachsen müssten. So geht man bei der deutsch-iranischen Industrie- und Handelskammer davon aus, dass sich das Geschäftsvolumen innerhalb weniger Jahre wieder verdoppeln, mittelfristig sogar vervierfachen könnte.

Acht Prozent Wirtschaftswachstum

Daran ist auch der iranische Minister Chitchian interessiert. Auf einem vom DIHK veranstalteten deutsch-iranischen Wirtschaftsforum warb er um Investitionen. Mit seinen rund 80 Millionen überwiegend jungen Bewohnern habe das Land großes Potenzial. Derzeit nehme der Iran seinen neuen Entwicklungsplan in Angriff. "Darin ist vorgesehen, dass wir mit einem achtprozentigen Wachstums jährlich rechnen werden", erläuterte der Minister. Zudem könnte der Iran deutschen Firmen als Brückenkopf für Geschäfte in einer Region von rund 400 Millionen Menschen dienen, so Chitchian.

Acht Prozent Wachstum halten Beobachter angesichts des niedrigen Ölpreises allerdings für zu optimistisch. Die Weltbank geht derzeit für 2016 von 5,8 Prozent aus. Die iranische Regierung beabsichtigt, die Ölfördermenge deutlich auszuweiten, um die Gewinne zu steigern. Die Erlöse sollen auch genutzt werden, um den riesigen Modernisierungsbedarf im Iran zu decken. Aus Deutschland werden vor allem Maschinen und Anlagen nachgefragt.

Deutsche Qualität im Iran gefragt

In den iranischen Betrieben könne man sehr viele, sehr alte deutsche Maschinen besichtigen, die nach Betriebszeiten von bis zu 70 Jahren noch laufen, erzählt René Hahn, Geschäftsführer der deutsche iranischen Industrie- und Handelskammer. Die Ersatzteile für diese Maschinen seien in der Sanktionszeit vor allem aus China geliefert worden, in ungenügender Qualität. Deutsche Maschinenbauer, aber auch Ersatzteillieferanten dürften sich also gute Geschäfte versprechen.

Auto-Messe in Teheran

02:11

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"Made in Germany hat auch im Iran einen hervorragenden Ruf wegen des damit verbundenen Verständnisses von Qualität, der Zuverlässigkeit, aber auch der damit verbundenen Innovation", sagt Siegfried Russwurm, Vorsitzender der Nordafrika-Mittelost-Initiative und Vorstandsmitglied von Siemens. "Wahrscheinlich vor allem aber auch, weil wir nicht rush-and-go machen, also Container abladen, Geld kassieren und dann wieder aus dem Land verschwinden." Deutsche Unternehmen wollten in Zukunft auch Arbeitsplätze im Iran schaffen und Technologietransfer anbieten.

Die Banken mauern

So vielversprechend die Aussichten auch sein mögen, so groß ist jedoch derzeit noch die Hürde im Finanzsektor, vor der die Unternehmen stehen. Der Bundesverband der deutschen Banken hatte im Januar erklärt, dass die Finanzinstitute ihre Iran-Geschäfte erst dann wieder aufnehmen würden, wenn es Klarheit gebe, welche Geschäfte im Detail wieder erlaubt seien. Den Banken sitzt die Angst im Nacken, nachdem US-Behörden sie verdächtigt hatten, gegen die Sanktionen der USA verstoßen zu haben. Allein die Commerzbank hatte deswegen 2015 in einem Vergleich 1,45 Milliarden US-Dollar Strafe gezahlt.

Wirtschaftminister Gabriel reiste im Juli 2015 nach Teheran und traf dort auch seinen Amtskollegen Chitchian (li.)Bild: IRNA

Ganz besonders fürchten sich deutsche, aber auch europäische Banken davor, dass sie versehentlich Geschäfte mit Firmen machen könnten, hinter denen Personen oder Gruppen stehen, die von den USA weiter geächtet werden. "Es ist nicht so, dass die deutschen Banken nicht wollen", stellt VDMA-Präsident Festge fest. Das Problem sei politischer Natur und betreffe die unterschiedliche Wirtschaftpolitik der USA und Europas gegenüber dem Iran.

Klare Worte sind gefragt

"Ich würde mich freuen, wenn die deutsche Politik deutlich Farbe bekennen würde und auch mit den Amerikanern mal deutlich sprechen würde", so Festge. Wenn die Bundesregierung nicht eingreife, werde die deutsche Wirtschaft im Iran das Nachsehen haben. "Wir müssen befürchten, dass Italien und Frankreich an uns vorbeiziehen, weil dort die Regierungen in der Finanzfrage sehr viel mutiger sind."

Vor diesem Hintergrund freut sich Festge, der auch Vorstand eines mittelständischen Unternehmens ist, darüber, dass Konzerne wie Siemens bereits Nägel mit Köpfen machen. "Wir brauchen die großen Unternehmen als Führ-Unternehmen", erklärt er. Sie würden für den deutschen Mittelstand wie ein Eisbrecher fungieren. "Der Knoten beginnt sich aufzulösen, dank der Großen."

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