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PolitikAsien

Iran: Neue Maßnahmen für Kopftuchzwang

29. März 2023

Kopftuchverweigerinen im Iran soll die Annullierung von Führerscheinen und Pässen drohen. Der Widerstand macht die Regierung verzweifelt, glauben Experten.

Iran | Muslimische Frauen ohne Kopftuch in Teheran
Viele Frauen im Iran tragen kein Kopftuch mehr in der ÖffentlichkeitBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

"Unsere Pläne für den Hijab werden bald effektiver durchgesetzt als bisher", kündigte Parlamentsabgeordneter Hossein Jalali am Sonntag (26.03.) an. Der konservative Kleriker Jalali ist Mitglied des Kulturausschusses im iranischen Parlament. Laut Jalali habe der Kulturausschuss in den letzten Monaten 300 Sitzungen mit Vertretern des Nationalen Sicherheitsrats gehabt, um den neuen "Keuschheits- und Hijab-Plan" zu besprechen. So soll man sich auf neue Strafmaßnahmen gegen die Frauen geeinigt haben, die sich weigern, in der Öffentlichkeit das vorgeschriebene Kopftuch zu tragen.

Sollte der Plan umgesetzt werden, könnte diesen Frauen künftig Bußgeld bis zu umgerechnet 60.000 Euro drohen. Zum geplanten Strafenkatalog zählt auch die Annullierung von Führerschein und Reisepass. Dafür soll die Regierung laut Jalali in den nächsten ein bis zwei Wochen einen Gesetzentwurf vorlegen. Die Überwachung, Dokumentierung und Strafmitteilungen sollen durch ein automatisiertes Überwachungssystem und den Einsatz von künstlicher Intelligenz erfolgen. Es werde künftig keine "physische Auseinandersetzung" mehr mit Kopftuchverweigerinnen geben, betont Jalali.

"Sie reden so, als ob unser Problem nur die 'physische Auseinandersetzung' wäre", sagt Zahra im Gespräch mit der DW. Die junge Frau ist gerade in Urlaub am Kaspischen Meer im Iran. Die 13-tägigen Neujahrsferien im Iran sind noch nicht vorbei. Im Iran begann das Jahr mit dem Frühlingsfest, auch Newroz genannt, am 20. März. "Viele Iraner wie wir sind momentan auf der Reise. Hier im Norden am Kaspischen Meer sehe ich überall Frauen, die wie ich kein Kopftuch tragen. Wir sind viele. Sie können uns nicht zwingen, wieder Kopftuch zu tragen."

Spuren von Gewalt und Unterdrückung verwischen

Wie Zahra berichten andere Frauen von ähnlichen Situationen. Auch im Netz findet man zahlreiche Fotos und Videos von Frauen, die gerade irgendwo im Iran Urlaub machen und sich ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen. Von der Sittenpolizei, die Kleidervorschriften für Frauen kontrolliert und sie im Fall eines Verstoßes verhaftet, oft gewaltsam, findet man momentan kaum eine Spur.

Nach dem tragischen Tod von Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam im vergangenen September ist die iranische Sittenpolizei aus der Öffentlichkeit nahezu verschwunden. Bis heute dementieren die Behörden, bei der Verhaftung der 22-jährigen Amini Gewalt angewendet zu haben. Amini, die ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig getragen haben soll, fiel kurz nach der Verhaftung ins Koma und wurde später im Krankenhaus offiziell für tot erklärt.

Ihr Tod war Ausgangspunkt einer monatelang anhaltenden Protestwelle. Viele Frauen haben die Gewaltbereitschaft der Sittenpolizei am eigenen Leibe erfahren. Frauenaktivistinnen posten Videos im Netz, die heimlich von Passanten aufgenommen wurden und das brutale Vorgehen bei der Verhaftung von Frauen beweisen.

Die Aufzeichnung bei der Festnahme soll künftig verboten werden. Das Parlament arbeitet an einem Gesetzentwurf, der das Filmen von "alltäglichen Ereignissen" in der Öffentlichkeit und das Teilen der Videos in den sozialen Netzwerken verbieten soll, berichteten iranische Medien im Dezember.

Emanzipation im Iran

"Die Machthaber arbeiten an einem perfiden Plan", befürchtet Mahdieh Golroo im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die iranische Frauenaktivistin lebt seit 2020 in Schweden. "Mit den neuen Strafmaßnahmen wollen sie vor allem die Kosten zu Lasten der gesamten Familie in die Höhe treiben. Das heißt, der Vater oder der Ehemann, der die Bußgelder bezahlen muss, muss künftig aufpassen, was seine Tochter oder Ehefrau tut."

Ein Bußgeld bis umgerechnet 60.000 Euro wäre knapp dreimal höher das sogenannte "Blutgeld". Dieses Blutgeld wird nach dem islamischen Gesetz als Wiedergutmachung im Falle eines Tötungsdeliktes von der Familie des Täters an die Opferfamilie gezahlt. Dass die Strafe für die Verweigerung des Kopftuches höher sei als die Entschädigung für ein Menschenleben, zeige, wie verzweifelt das politische System gerade sei, meint Golroo.

"Diese Methode der Einschüchterung wurde auch direkt nach der islamischen Revolution von 1979 eingesetzt. Damals griffen religiöse Schlägertruppen kopftuchlose Frauen in der Öffentlichkeit an. Aus Angst um ihre Sicherheit zwangen viele Männer damals ihre Frauen und Töchter, Kopftuch zu tragen. Dieselbe Methode wird diesmal nicht funktionieren. Viele Frauen sind gut ausgebildet und finanziell unabhängig. Schauen sie sich die Scheidungsstatistiken im Iran an: Die Zahl der Scheidungen hat sich in den letzten 40 Jahren vervierfacht. Sie werden von ihren Müttern und Großmüttern, die nach der Revolution mit ansehen mussten, wie ihre Rechte eingeschränkt werden, unterstützt."

Der neue "Keuschheits- und Hijab-Plan" werde nicht aufgehen, glaubt Mahdieh Golroo. Dass sich die Hardliner im Kulturausschuss des Parlaments und die Vertreter des Obersten Nationalen Sicherheitsrates 300-mal treffen mussten, um den Plan zu besprechen, zeige auch die Uneinigkeit innerhalb der politischen Führung.

"Der Wandel findet nicht linear statt"

"Fakt ist, dass ein Wandel im Iran stattgefunden hat", sagt die Konfliktforscherin Mariam Salehi im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Expertin vom Zentrum für interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung an der Freien Universität Berlin forscht unter anderen über politische Umbrüche im Mittleren Osten und Nordafrika (MENA). "Die Bevölkerung im Iran wird sich nicht mehr alles gefallen lassen. Die Veränderungen finden nicht linear statt. Es gibt auch Rückschläge. Aber die Gesellschaft wird sich nicht mehr mit diesem Druck abfinden. Und wenn das System bereits Risse hat, kann es nicht mehr so weiter machen wie zuvor. Insofern ist es eine Frage der Zeit, bis es zu einem Bruch kommt." Salehi weist darauf hin, dass das religiöse Oberhaupt Ali Chamenei bereits 83 Jahre alt sei. Der Wechsel an der Spitze des Staats könnte zu Zeitwende im Iran führen.

Das Staatsoberhaupt Chamenei hat im Lande das letzte Wort in allen Angelegenheiten. In seiner jährlichen Rede zum iranischen Neujahrsfest am 20. März räumte er zwar ein, dass es "Schwachstellen" innerhalb des herrschenden Systems gebe, die angegangen werden müssten. Aber zugleich betonte Chamenei, Forderungen nach Änderungen des politischen Systems seien Teil einer feindlichen Verschwörung, die darauf abzielte, die wichtigsten Symbole der Islamischen Republik auszulöschen und das Land dem Westen zu unterwerfen.

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