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Iran: Regime gegen Kulturschaffende

25. Juli 2022

Jüngst wurden mehrere prominente regierungskritische Regisseure im Iran festgenommen. Die Behörden befürchten größere Protestwelle und erhöhen deswegen Druck auf prominente Regissieure, glauben Experten.

Jafar Panahi | Mohammad Rasoulof | Mostafa Alahmad
Jafar Panahi, Mohammad Rasoulof und Mostafa Alahmad (v.l.n.r.) wurden jüngst verhaftetBild: dpa/picture alliance/eghtesadnews

Jafar Panahis Solidarität wurde dem Starregisseur  zum Verhängnis. Nachdem sich Panahi Anfang Juli bei der Staatsanwaltschaft nach dem Schicksal zweier kurz zuvor verhafteter Kollegen erkundigte, wurde auch er umgehend verhaftet und in das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis gebracht. Dort muss er nun eine bereits vorher verhängte sechsjährige Haftstrafe absitzen. 

Panahis ist weltbekannt. Sein Film "Taxi Teheran" hatte 2015 den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Seine Sorge galt zwei Regisseurkollegen: Mohammad Rasoulof, der 2020 mit seinem Film "Doch das Böse gibt es nicht" ebenfalls den Goldenen Bären der Berlinale gewann, und Mostafa Al-Ahmad. Beide waren kurz zuvor verhaftet worden.

Jafar PanahiBild: picture-alliance/dpa

Aufruf zur Gewaltlosigkeit als Verbrechen?

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt beide Filmmacher, durch den Hashtag "Put your gun down" (Legt deine Waffen nieder!) die öffentliche Ordnung gefährdet zu haben. In dem Aufruf hatten über 70 Personen aus der iranischen Filmindustrie ein Ende der Polizeigewalt gefordert. Die Initiatoren sind nach Überzeugung iranischer Staatsanwaltschaft Rasoulof und Al-Ahmad.

Hintergrund des Appells ist der Einsturz eines Hochhauses in der südwestiranischen Stadt Abadan mit mehr als 40 Todesopfern im Mai, der zu landesweiten Protesten und gewaltsamem Durchgreifen der Polizei führte.

"Wenn eine Regierung in eine politische und wirtschaftliche Sackgasse gerät, hat sie keine Toleranz für jede Art von zivilem Ungehorsam", schrieb Panahi kurz vor seiner Verhaftung auf Instagram. "Sie denkt, dass sie durch Unterdrückung und Schaffung einer Krise die öffentliche Meinung von den Problemen ablenken kann."  In dem Post kritisierte er auch den harschen Umgang der Behörden zum Aufruf "Put your gun down". "Ist es ein Verbrechen, Menschen dazu aufzurufen, sich der Gewalt zu enthalten?"

Evin-Gefängnis in TeheranBild: dpa/picture-alliance

Vollstreckung mit Verspätung

Die nun erfolgte Entscheidung der Staatsanwaltschaft fußt auf einem früheren Urteil: 2010 war Panahi wegen "Propaganda gegen das Regime" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, im Jahr 2009 Proteste gegen die Wiederwahl des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad unterstützt und kritische Filme gedreht zu haben.

Derartige Strafen seien üblich für Vergehen, die die iranische Justiz als Anschlag auf die innere Sicherheit des Landes werte, sagt Dieter Karg, Leiter der Iran-Koordinationsgruppe bei Amnesty International. Er vermutet, Panahi habe sich in den Augen der Staatsanwaltschaft nicht nur durch die Unterzeichnung des Offenen Briefes schuldig gemacht. "Eine Rolle dürfte wohl auch der Umstand gespielt haben, dass Panahi und Rasoulof der Zensur ein Schnippchen geschlagen haben, indem sie trotz Verbots weiterhin Filme drehten und dass diese zudem sehr erfolgreich im Ausland waren", so Karg im DW-Interview.

"Oppressiver Repressionskurs"

Mit Urteilen wie dem gegen Panahi setze das Regime in Teheran auf einen "oppressiven Expansionskurs", sagt Sara Bazoobandi, Politologin vom German Institut for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. "Es setzt darauf, einen Zustand der Angst zu erzeugen, um die verschiedenen Formen ziviler und politischer Unruhe zu unterbinden. Das Kalkül: Steigen die Risiken für die Teilnahme an oder gar für die Organisation von Protestkundgebungen, dürfte diese viele Menschen von entsprechenden Plänen abhalten." Auch deshalb seien die Gerichtsurteile gegen die Demonstranten sehr hart. "Auch die Gerichte stehen für einen Kurs aggressiver Unterdrückung", so Bazoobandi gegenüber der DW.

Bei diesem Kalkül gehe das Regime auch gezielt gegen die Kultur- und Unterhaltungsszene vor. "Diese Personen - etwa Regisseure, Schauspieler und Sportler - sind oftmals besonders prominent", so Bazoobandi. "Entsprechend hoch ist der Druck, den das Regime auf sie ausübt, wenn sie sich gegen es wenden. Harte Urteile gegen sie haben im Kalkül des Regimes darum eine besonders abschreckende Wirkung."

Größere Protestbewegung befürchtet

Etwas anders sieht es Dieter Karg. Von der Kulturszene erwarte die Regierung nicht die größte Gefahr. Eher fürchte es, verschiedene Protestkundgebungen könnten sich zu einer größeren aufschaukeln. "Es vergeht ja praktisch keine Woche, in der es nicht zu irgendwelchen Protesten kommt, sei es wegen Preissteigerungen, der Unterdrückung anderer Proteste, oder - wie in diesem Fall - der Einsturz eines Gebäudes wie in Abadan, der vermutlich auf Planungsfehler oder Korruption zurückgeht. Solidarisieren sich dann Intellektuelle oder Personen des öffentlichen Lebens mit diesen Protesten, stellt das für das Regime durchaus eine Gefahr dar."

Eine allzu entschlossene Repression ist für das Regime allerdings auch nicht ohne Risiko. Denn dadurch könnte es weitere Proteste provozieren. "Nach Jahren der Sanktionen und des wirtschaftlichen Missmanagements könnten unterbeschäftigte und verärgerte Iraner das Gefühl haben, dass sie weniger zu verlieren haben, wenn sie das System in Frage stellen, was bedeutet, dass mehr von ihnen bereit sein könnten, auf Gewalt zurückzugreifen", heißt es in einer Studie der International Crisis Group.

Regissieur Rasoulof mit Publikum in Berlin im Juni 2021Bild: Tobias Schwarz/AFP/picture alliance

Die Verhaftungswelle im Iran löste  internationale Empörung aus.


Dennoch sei es schwierig, eine angemessene Antwort auf die Verhaftungen und das Urteil zu formulieren, sagt Dieter Karg von Amnesty International. "Bricht man die Beziehungen ganz ab, hat man überhaupt keine Wirkungsmöglichkeiten mehr." Dennoch müsse man der iranischen Regierung klarmachen, dass sie sich immer weiter isoliere. "Leider müssen wir derzeit feststellen, dass sie nicht völlig isoliert ist. Sie wird unterstützt durch andere Autokraten."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika