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Iran: Regimekritik aus den Reihen des Sports

Jens Krepela Mitarbeit: Farid Ashrafian
2. Oktober 2022

Nach der Festnahme eines Ex-Nationalspielers kritisieren immer mehr Sportler aus dem Iran das brutale Vorgehen der Regierung in Teheran. Ex-Bayern-Profi Ali Karimi wird gar zur einer der Galionsfiguren der Proteste.

Ausdruck der Kritik: Irans Nationalspieler stehen mit schwarzen Trainingsjacken auf dem Platz, während die Hymne gespielt wird - kurz vor dem Spiel gegen Senegal.
Ausdruck der Kritik: Irans Nationalelf mit schwarzen Trainingsjacken während der Hymne vor dem Spiel gegen SenegalBild: Johannes Friedl/GEPA pictures/IMAGO

Nun also Hossein Mahini. Der frühere iranische Fußball-Nationalspieler ist der nächste, der den Druck des Regimes in Teheran zu spüren bekommt. Sein Haus wurde durchsucht, der 36-Jährige verhaftet, weil er die laufenden Proteste nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini unterstützt hat. Mahini ist damit Teil einer bemerkenswert breiten Front prominenter Iranerinnen und Iraner aus dem Sport, die die Gewalt verurteilen und sich mehr oder weniger deutlich gegen das Mullah-Regime positionieren. 

Dazu gehört auch, Öffentlichkeit zu schaffen, damit die  Einschüchterungsversuche durch die Machthaber nicht im Verborgenen bleiben. Die iranische Fußball-Ikone Ali Karimi machte Mahinis Verhaftung deshalb auch via Twitter publik. Der für seine kritische Haltung bekannte Karimi ist inzwischen so etwas wie eine Galionsfigur des Widerstands geworden.

Auf seinen Kanälen in den sozialen Medien unterstützt er die Proteste. Mit deutlichen Worten verurteilte der 43 Jahre alte Ex-Profi der Bundesligisten FC Bayern München und FC Schalke 04 die ungeklärten Umstände des Todes Aminis. Nicht einmal Weihwasser könne "diese Schande abwaschen", schrieb Karimi. Im Laufe der Woche wurde sein Haus in Teheran kurzzeitig beschlagnahmt. 

Bei Karimis Ex-Klub Bayern München gab es Reaktionen auf die Geschehnisse im Iran. Im Freitags-Spiel der Bundesliga, das der deutsche Rekordmeister mit 4:0 gegen Bayer Leverkusen gewann, rollten die Fans in der Südkurve während der Partie ein Transparent mit der Aufschrift "Frauen, Leben, Freiheit! Solidarität mit der Frauen-Revolution im Iran!" aus. 

Auch die Fans von Werder Bremen rollten im Samstags-Spätspiel gegen Borussia Mönchengladbach ein Transparent in der Kurve aus: "Nieder mit dem Patriarchat, nieder mit dem Mullah-Regime. Lang lebe die feministische Revolution im Iran", war in grünen Buchstaben zu lesen. 

Nationalspieler in der Kritik 


Sportlerinnen und Sportler, die sich klar gegen die Machthaber positionieren, finden sich auch in anderen Sportarten. Der 32 Jahre alte Sadjad Estaki, der 2015 als erster Iraner in der Handball-Bundesliga aktiv war, erklärte aus Protest seinen Rücktritt aus der Handball-Nationalmannschaft. Der 38 Jahre alte Mojtaba Abedini, der erfolgreichste Fechter des Landes und Kapitän des Nationalteams, will auch nicht mehr für den Iran antreten: "Aus Solidarität mit den unterdrückten Bürgerinnen und Bürger meiner Heimat sehe ich es als meine Pflicht an, angesichts dieser Vorkommnisse und aus Respekt vor ihnen meinen Rücktritt aus dem Nationalteam zu erklären."


Aus dem Kreis der aktiven Fußball-Nationalspieler hatte es zuletzt auch deutliche Worte gegeben: "Schämt euch alle, wie leichtfertig Menschen ermordet werden! Lang leben die iranischen Frauen!“, schrieb Sardar Azmoun, der in der Bundesliga für Bayer Leverkusen kickt. Am Rande eines Testspiels in Österreich gegen Senegal hatten weitere iranische Teamkollegen und die Gewalt gegen die Demonstrierenden verurteilt. "Wir sind immer auf der Seite des Volkes, das in diesen Tagen nichts anderes fordert als seine grundsätzlichen Rechte", schrieb Mannschaftskapitän Alireza Jahanbakhsh. Das Echo auf diese Äußerungen ist allerdings geteilt. Zu zögerlich und zu zaghaft käme diese Kritik daher, ärgern sich viele Fans in den sozialen Netzwerken. Für die Nationalelf, die eigentlich Identifikationspunkt schlechthin für die fußballbegeisterten Menschen im Iran ist, bröckelt kurz vor der WM in Katar die Unterstützung.

Brennende Barrikaden in Teheran - die Proteste ebben auch zwei Wochen nach dem Tod von Mahsa Amini nicht abBild: iran-emrooz

WM-Ausschluss gefordert

Die iranische Frauenrechtsbewegung "Open Stadiums" hat die FIFA aufgefordert, den Iran von der WM auszuschließen. "Warum sollte die FIFA dem iranischen Staat und seinen Vertretern eine weltweite Bühne geben?", heißt in dem Schreiben, das die Organisation an FIFA-Präsident Gianni Infantino persönlich gerichtet hat. "Dieser Staat lehnt es nicht nur ab, Grundrechte und Menschenwürde zu respektieren. Er foltert und tötet sein eigenes Volk." Darauf müssedie FIFA reagieren. 

Das rein Sportliche scheint im Iran scheint komplett in den Hintergrund getreten zu sein. Die Solidarität und der Kampf für mehr Frauenrechte eint viele: Rekordnationalspieler Ali Daei wendet sich via Instagram gegen Unterdrückung und Gewalt. Mit Blick auf die Verhaftung von Hossein Mahini schreckt der Alt-Internationale Mehdi Mahdavikia nicht davor zurück, die Machthaber zu warnen: "Diese Tage werden ins Gedächtnis der Geschichte eingehen", schreibt der 45 Jahre alte Ex-Bundesliga-Profi des Hamburger SV und von Eintracht Frankfurt.

Dazu postete er Symbolträchtiges: acht Hände und Arme, die sich gegenseitig festhalten. Sie stehen für die verschiedenen ethnischen Gruppen des Landes, die, so die immer wieder geschürte Sorge aus Teheran, auseinanderfallen könnten, wenn es keine starke zentrale Führung mehr gebe. Deren Macht gerät durch die Proteste ins Wanken. 

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