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PolitikAsien

Iran reichert an und wartet ab

18. September 2021

Während der Iran weitere Fortschritte bei der Urananreicherung macht, bleiben letztere in der Atomdiplomatie aus. Experten sehen den Westen am Zug.

Iran Hassan Rouhani und Ali Akbar Salehi
Irans damaliger Präsident Rohani besichtigt im April 2021 moderne Anlagen zur UrananreicherungBild: Office of the Iranian Presidency/AP Photo/picture alliance

Iran könnte mittlerweile die Fähigkeit besitzen, binnen eines Zeitraums von nur einem Monat genug nukleares Material für einen einzelnen Atomsprengkopf herzustellen. Zu diesem Ergebnis kamen laut einer Meldung der "New York Times" vom vergangenen Mittwoch Experten nach dem Studium der neuesten Daten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). US-Beamte, die die unter Verschluss gehaltenen Auswertungen studiert hätten, dürften sich öffentlich nicht dazu äußern, hätten in Hintergrundgesprächen aber erklärt, dass der Iran über das erforderliche Spaltmaterial absehbar verfügen könne, so die Zeitung weiter. Allerdings werde es noch länger dauern, bis das Land auch über einen einsetzbaren Gefechtskopf verfügt.

Außer Spesen nichts gewesen? Die Wiener Atomgespräche drehen sich im KreisBild: Lisa Leutner/AP Photo/picture alliance

Kein konkreter militärischer Plan

Die NYT beruft sich zudem auf eine wenige Tage zuvor veröffentlichte Studie des "Institute for Science and International Security" (ISIS) in Washington. Demnach könnte der Iran als Folge seines "Rennens zur Uran-Anreicherung auf 60 Prozent während des Sommers" eine zweite Menge waffenfähigen Urans für einen Atomsprengkopf binnen weniger als drei, und eine dritte Menge binnen weniger als fünf Monaten produzieren. Als waffenfähiges Uran gilt solches, das einen Anreicherungsgrad von 90 Prozent aufweist, also zu 90 Prozent aus dem spaltbaren Isotop Uran-235 besteht. Laut dem jüngsten IAEA-Bericht  verfügt der Iran inzwischen über rund zehn Kilogramm auf 60 Prozent und rund 84 Kilogramm auf 20 Prozent angereichertes Uran. Laut der Atomvereinbarung von 2015 ist dem Iran nur eine Anreicherung von maximal 3,67 Prozent erlaubt. 

Bislang hätten sich die Berechnungen des ISIS immer als weitgehend zutreffend erweisen, sagt der Politologe Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. "Insofern ist es durchaus möglich, dass der Iran mittlerweile so viel Spaltmaterial und effiziente Zentrifugen  besitzt, um innerhalb von ein bis zwei Monaten eine ausreichende Menge Spaltmaterial für einen Sprengkopf herzustellen. Aber das reicht ja nicht aus, um bereits atomwaffenfähig zu sein. Dazu gehört viel mehr."

Zudem gebe es bislang keine Indizien, dass der Iran sein militärische Atomprogramm, das er vor ungefähr 15 Jahren eingestellt hat, wieder aufgenommen hat, so Meier im DW-Interview. "Vermutlich will der Iran derzeit vor allem seine Verhandlungsmasse und den Druck auf die Europäer und die Amerikaner erhöhen."

Der Iran reichert an unter den Augen der IAEA in Wien Bild: Michael Gruber/Getty Images

Chefunterhändler ausgetauscht

Unterdessen wurde bekannt, dass der Iran seinen Chefunterhändler bei den Wiener Gesprächen über die Wiederbelebung des Atomabkommens ausgetauscht hat. Demnach bleibt der bisherige Leiter Abbas Araktschi zwar Teil der Verhandlungsdelegation, habe jedoch nur noch beratende Funktion. Zudem wurde Aratschki auch als stellvertretender Außenminister abgesetzt und durch Ali Bagheri, einen engen Vertrauten von Präsident Ebrahim Raisi, ersetzt. Bagheri wurde bekannt durch seinen harte Verhandlungslinie gegenüber dem Westen.

Der Personalwechsel sei in erster Linie Teil einer generellen Umbesetzung im iranischen Außenministerium, sagt der Politikwissenschaftler Hamidreza Azizi von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Zwar sei der Wechsel eines stellvertretenden Ministers durchaus üblich, wenn ein neuer Minister das Amt übernehme. Dennoch könne der dem Lager der Hardliner zugehörige Bagheri für einen neuen konfrontativen Kurs stehen. "Insgesamt aber ist der Austausch eine bürokratische Angelegenheit und sollte nicht unbedingt als Wandel in der iranischen Atompolitik betrachtet werden", so Hazizi gegenüber der DW.

Bescheidener Erfolg: IAEA-Chef Grossi (l) konnte bei seinem Treffen mit Mohammad Islami, dem Leiter der iranischen Atombehörde, eine Einigung über die Überwachungskameras der IAEA erzielen. Bild: FARARU

Holpriger Weg

Am vergangenen Wochenende hatte die iranische Staatsführung anlässlich eines Besuchs von IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran zudem erklärt, sie werde den internationalen Inspektoren erlauben, neue Speicherkarten in Überwachungskameras an seinen relevanten Nuklearstandorten einzubauen. Damit wurde eine monatelange Blockade der Überwachungstätigkeit der IAEA zumindest teilweise beendet. Dies deute an, dass der Iran nach wie vor den diplomatischen Weg beschreiten wolle, so Azizi. Allerdings scheine die Staatsführung ihre Position in einer Reihe kritischer Fragen verhärtet zu haben, insbesondere was die Forderung Teherans nach Garantien betrifft, dass die USA sich nicht erneut aus dem Abkommen zurückziehen werden.

Wie also könnte es weitergehen mit Blick auf die Verhandlungen? Es sei wichtig, dass die Gespräche möglichst schnell wieder aufgenommen würden, sagt Oliver Meier. Darauf müsste die westliche Seite drängen. "Klar ist aber auch, dass es die USA waren, die das Abkommen zuerst verletzt haben und Iran darauf reagiert hat. Von daher wäre ein deutliches Signal angebracht, dass man bereit ist, all jene Sanktionen aufzuheben, die Trump verhängt hat." Generell sollte man durch konkrete Zusagen deutlich machen, dass die Vorteile zu einer Rückkehr zum Atomabkommen für Iran gegenüber einer weiteren Verletzung überwiegen.

Der Iran scheine zwar nach wie vor an einem Abkommen interessiert, sagt Hamidreza Azizi. Doch hätten die Erfahrungen der letzten drei Jahre ihn offenbar durchsetzungsfähiger und weniger flexibel werden lassen. "Ich denke darum, dass eine Einigung immer noch möglich ist. Doch der Weg dorthin scheint jetzt ziemlich holprig."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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