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PolitikIran

Iran: Schaufensterpolitik für Frauen

12. Juli 2023

Im Iran dürfen Frauen nun ins Fußballstadion. Teheran will auch eine Botschafterin nach Europa entsenden. Eine Charmeoffensive gegen den Ansehensverlust? Expertinnen sehen keinen Grund zum Feiern.

Fußball Freundschaftsspiel Iran gegen Russland
Auch im Stadion werden Frauen von Sittenpolizistinnen überwachtBild: dpa/picture-alliance

Die Nachricht verbreitete sich schnell in der internationalen Presse: Der Iran will nach mehr als 40 Jahren Frauen den Zutritt zu Stadien ermöglichen: Sie sollen künftig auch Männern beim Fußballspielen zusehen dürfen. Am Sonntag, 9. Juli, erklärte der Chef des iranischen Fußballverbands, Mehdi Tadsch, dass Frauen in dieser Saison erstmals in mehreren Großstädten Zugang zu den Stadien bekommen werden. Die Saison beginnt im August. 

"Angesichts dessen, was wir erlebt haben, kenne ich keine einzige Frau, die sich über einen Stadionbesuch freuen würde", sagt die Fotografin Ghazal Abdollahi im Gespräch mit der DW. Ghazal lebt seit Ende 2022 in Berlin. Sie floh während der aktuellen Protestbewegung aus dem Iran. Ihre Mutter, eine Fotojournalistin und Frauenrechtsaktivistin, ist derzeit im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert. "Es ist lächerlich, wenn die Regierung glaubt, sie könne die Stimmung im Land ändern, indem sie Frauen den Stadionbesuch erlaubt. Wissen Sie, wie viele junge Menschen seit September letzten Jahres im Iran durch staatliche Gewalt getötet wurden?" 

Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurden im Zuge der jüngsten Protestbewegung mindestens 527 Menschen getötet. Demonstranten wurden von Sicherheitskräften erschossen oder zu Tode geprügelt. Auslöser der landesweiten Proteste war der tragische Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Sie wurde verhaftet, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen hatte. Nach wenigen Stunden wurde sie leblos in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie später offiziell als tot erklärt wurde. 

Frauen wollen mehr als Stadionbesuche 

"Die Regierung geht weiterhin mit aller Härte gegen Frauen vor, die längst viel mehr verlangen, als nur einen Stadionbesuch", sagt die iranische Soziologin Azadeh Kian im Gespräch mit der DW. Kian ist Direktorin des Zentrums für Gender- und feministische Studien an der Universität Paris und erforscht seit langem die Frauenbewegung im Iran. Aus ihrer Sicht hat im Iran eine kulturelle Revolution stattgefunden. Frauen seien es satt, ständig bevormundet zu werden und wollen sich nicht länger dem Kopftuchzwang beugen. Frauen, die sich weigern, ein Kopftuch zu tragen, werden aber in sozialen Netzwerken und in der Öffentlichkeit überwacht und bestraft, sei es an Universitäten oder am Arbeitsplatz. Geldstrafen drohen und es wird ihnen der Zugang zur Infrastruktur wie Metrostationen und Banken, Universitäten und sogar Krankenhäusern verwehrt.

Am Montag, dem 10. Juli, traf sich Präsident Ebrahim Raisi mit Vertretern der Justiz, der Polizei, des Ministeriums für Kultur und der Islamischen Führung sowie des Innenministeriums, die alle für die Durchsetzung der Kleiderordnung für Frauen zuständig sind. Raisi forderte sie auf, die Kopftuchpflicht streng durchzusetzen. 

"Schutz" vor dem Anblick männlicher Körper 

In dieser Gemengelage erwartet Expertin Kian, dass "die Regierung den Zugang zu den Stadien streng kontrollieren wird". Möglicherweise wird nur eine geringe Zahl an Tickets an Frauen vergeben werden. Seit der islamischen Revolution 1979 waren weibliche Zuschauer weitgehend von Fußball- und anderen Sportveranstaltungen ausgeschlossen, obwohl es dafür kein entsprechendes Gesetz gab. Kleriker argumentierten, dass Frauen vor dem Anblick "halbnackter" männlicher Sportler geschützt werden müssten. Unter dem Druck der FIFA und der Asian Football Confederation (AFC) wurde dieses Verbot schrittweise aufgehoben.

Iran: Mutige Frauen im Stadion

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Mit Blick auf einige Länderspiele, bei denen eine kleine Anzahl von Frauen als Zuschauerinnen im Stadion zugelassen wurde, sagt Soziologin Kian: "Die Behörden werden wieder dafür sorgen, dass möglichst viele Frauen mit langen schwarzen Tschadors bekleidet im Stadion sitzen und von der Presse fotografiert werden. Dies ist das Bild, das sie nach außen präsentieren möchten: Frauen, die den Werten der Islamischen Republik treu sind und das politische System unterstützen."

Erstmals Frau als iranische Botschafterin 

Diese Frauen werden auch von Konservativen gerne gefördert. Anfang Juli wurde bekannt gegeben, dass Masoumeh Abad Irans neue Botschafterin in Helsinki wird. Damit wird die Regierung zum ersten Mal seit der Islamischen Revolution eine Frau als Botschafterin in den Westen entsenden. Die Nachricht überraschte viele im Iran. Masoumeh Abad gilt zwar in den religiös konservativen Kreisen als gut vernetzt, verfügt jedoch über keine außenpolitische Erfahrung. Sie war eine Legislaturperiode lang (2013-2017) Mitglied des Teheraner Stadtrats. 

"In den letzten dreißig Jahren habe ich beobachtet, wie Frauen im Iran politische Karrieren verfolgen durften", sagt Azadeh Kian und fügt hinzu: "Während der Präsidentschaften von Mohammad Khatami oder Hassan Rohani, die Reformen versprachen, habe ich Frauen kennengelernt, die daran glaubten, dass sie etwas bewirken könnten. Allerdings wurden sie schnell desillusioniert, da dieses System keine Veränderungen zulässt. Hardliner wie Ahmadinedschad oder Präsident Raisi wiederum fördern Frauen, die an eine Verbesserung der Situation von Frauen nicht einmal denken." 

Das letzte Wort in allen politischen Angelegenheiten im Iran hat der religiöse Führer Ali Chamenei. Er und konservative Kleriker betrachten sich als Verteidiger der islamischen Werte, die sie durch westliche Einflüsse bedroht sehen. Feminismus oder Gleichberechtigung von Frauen und Männern lehnen die Konservativen grundsätzlich ab, weil das gegen ihre religiöse Vorstellungen und gegen die auf der Scharia basierenden Gesetze im Iran verstoßen würde.

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