Teheran behauptet, einen US-Agentenring aufgedeckt zu haben. Experten sagen, die Anschuldigungen seien der Versuch, die iranische Bevölkerung hinter ihrer Regierung zu vereinen und die USA als hinterhältig darzustellen.
Anzeige
Es klingt wie der Plot eines Agentenfilms: Anfang der Woche gab das iranische Geheimdienstministerium bekannt, es habe 17 iranische Staatsbürger verhaftet, die unter Verdacht stehen, Spione des US-Geheimdienstes CIA zu sein. Das verkündete ein Sprecher des Ministeriums auf einer Pressekonferenz in Teheran. Er nannte weder seinen Namen, noch die der 17 verhafteten Personen – aber er teilte der Presse mit, dass einige der Verdächtigen bereits zum Tode verurteilt worden seien.
Von Seiten der US-Regierung wurde die Nachricht dementiert. Die angebliche Festnahme von CIA-Spionen sei vollkommen falsch und enthalte "Null Wahrheit", verkündete US-Präsident Donald Trump auf Twitter. "Mehr Lügen und Propaganda … eines religiösen Regimes." Auch US-Außenminister Mike Pompeo äußerte sich kritisch. "Ich denke, jeder sollte das, was die Islamische Republik Iran behauptet, mit Vorsicht genießen", sagte Pompeo.
Dass die iranische Regierung ihren angeblichen Erfolg gegen den US-Spionagering ausgerechnet jetzt verkündet, ist wohl kein Zufall. Die Spannungen zwischen Teheran und den USA sowie anderen westlichen Staaten verschärfen sich seit Wochen. Zuletzt setzte der Iran einen britischen Öltanker in der Straße von Hormus am Persischen Golf fest.
US-Präsident Trump versucht seit seinem Aufkündigen des Atom-Deals mit immer stärkeren Sanktionen, den Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Das hat auf politischer Ebene bisher nur zu einer Verhärtung der Fronten geführt. Aber die Sanktionen machen das Leben für die Menschen im Iran immer schwerer – und hier kommt die Verhaftung der angeblichen CIA-Spione ins Spiel.
"Das ist wahrscheinlich der Versuch [der iranischen Regierung], Unterstützung in der Öffentlichkeit aufzubauen", sagt Doug Bandow, Senior Fellow der Denkfabrik Cato Institute, im DW-Gespräch. "Sie behaupten, sie seien unter Beschuss, dass die USA in bösartige Aktivitäten verwickelt sind und Spione schicken. In den meisten Ländern kommt so etwas nicht gut an."
Spionage-Beschuldigungen nicht ungewöhnlich im Iran
Mit der Behauptung, Spione des Erzfeindes USA enttarnt zu haben, könnte die iranische Regierung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Neben dem Signal an die eigene Bevölkerung fungiert die Aktion möglicherweise auch als Ablenkungsmanöver.
"Das iranische Regime sucht nach einer Ablenkung, nach dem Motto: 'Guckt nicht auf den Persischen Golf, guckt hierher!'", sagte Amir Fakhravar von der US-basierten Dissidentengruppe National Iranian Congress der DW. Fakhravar ist eine umstrittene Figur, auch unter Gegnern der iranischen Regierung. Kritiker beklagen, er vereinfache die Situation und werfe alle Oppositionellen in einen Topf, da er wiederholt behauptet, die Menschen im Iran seien auf Trumps Seite.
Fakhravar sagt, er habe persönliche Erfahrungen mit Spionage-Anschuldigungen der Regierung in Teheran machen müssen. "Ich habe mehr als fünf Jahre im Gefängnis im Iran gesessen", erzählt er. "Einer der Anklagepunkte war, dass ich ein CIA-Spion sei. Dabei hatte ich damals noch nie [den Iran] verlassen, ich hatte keine Familienangehörigen im Ausland und habe nie ins Ausland telefoniert."
Spionageabwehr der Mullahs
Im Iran droht Spionen die Todesstrafe. Am vergangenen Samstag wurde ein mutmaßlicher US-Spion gehängt. Viele Todesurteile und Hinrichtungen im Lande sind politisch motiviert.
Bild: FARS
Zerschlagung eines "Spionagenetzwerks"
Nur wenige Tage nachdem der Iran die Zerschlagung eines "neuen Spionagenetzwerks" mit Verbindungen zum US-Auslandsgeheimdienst CIA gemeldet hatte, wurde die Hinrichtung eines Spions im Gefängnis Rajai Shahr (Bild) bestätigt. Seyyed Jamal Haji Zavareh war nach offiziellen Meldungen ein pensionierter Mitarbeiter der Luft- und Raumfahrtabteilung im Teheraner Verteidigungsministerium.
Bild: hra-news.org
Seit September 2017 in Haft
Menschenrechtsaktivisten berichten hingegen, dass der 47-jährige Zavareh Mitarbeiter der Luftwaffe der iranischen Revolutionsgarde (Bild) gewesen sei. Er soll bereits im September 2017 verhaftet und lange Zeit schwer gefoltert worden sein.
Bild: Imago/ZUMA Press
Mossad ist aktiv
Federführend bei der Spionageabwehr ist die Revolutionsgarde (Sepah). Diese hat aber offenbar mit Verrätern in den eigenen Reihen zu kämpfen. Im Mai 2018 präsentierte Israels Premier Netanjahu (Bild) Details über das iranische Atomprogramm. Zuvor gelang es dem israelischen Geheimdienst Mossad, mehr als 55.000 Seiten geheimdienstliche Dokumente in Teheran zu entwenden.
Bild: Reuters/A. Cohen
Aktion mit Insiderwissen
Die Mossad-Agenten sollen mit speziellen Schneidbrennern mehrere Schließfächer in einer Lagerhalle geöffnet haben. Ohne Insiderwissen wäre die Ortung der Dokumente nicht möglich gewesen. Bis heute wurde der Fall nicht aufgeklärt. Auf der UN-Vollversammlung 2018 nutzte Netanjahu (Bild) diese Informationen.
Bild: Getty Images/AFP/T. A. Clary
Umweltaktivisten als Sündenbock
Die Revolutionsgarde verhaftete dagegen acht Umweltaktivisten (Bild), die im Umfeld der Lagerhalle in der Wüste gesehen worden sein sollen. Wegen Spionage sitzen sie seit Jahren in Untersuchungshaft. Doch die iranische Regierung sagt, dass die Beweise fehlen. Das Ermittlungsverfahren konnte nicht eingeleitet werden.
Undercover für USA und Israel
Die vermeintlichen Beweise gegen Kourosh Ahmadi (Bild) genügten der Regierung offensichtlich. 2013 wurde Ahmadi mit seinem Komplizen Mohammad Heydari hingerichtet. Es wurde berichtet, dass Kourosh Ahmadi der CIA Informationen zur Verfügung gestellt haben soll. Heydari hätte dagegen "Dokumente über die Sicherheitsfragen und Staatsgeheimnisse" an israelische Mossad-Agenten weitergegeben.
Bild: Youtube
Zusammenarbeit mit Mossad
Auch Ali Ashtari (Bild) soll Insiderwissen gehabt haben. Der Geschäftsmann hatte Zugang zu Sicherheitskreisen in der Revolutionsgarde. Der 43-Jährige verkaufte Kommunikations- und Sicherheitsausrüstung an die Revolutionsgarde. Nachdem er nach Auffassung des Gerichts drei Jahre lang mit dem Mossad zusammengearbeitet hatte, wurde er 2008 wegen Spionage hingerichtet.
Bild: FARS
Auch Atomforscher soll spioniert haben
Zugang zu "vertraulichen Informationen" soll auch Shahram Amiri (4. v. l.) gehabt haben. Der iranische Atomforscher wurde wegen Spionage für die USA im August 2016 hingerichtet. Der Iran wirft den USA vor, den Atomphysiker auf einer Pilgerreise entführt zu haben. Die CIA hätte ihn abgeworben. Die USA stritten das jedoch ab. Weitere Einzelheiten dazu gibt es nicht.
Bild: AP
Freilassung aus Mangel an Beweisen
Gegen Nizar Zakka (Bild) wurden nie Beweise über die vermeintliche Spionage für den Erzfeind USA vorgelegt. Der US-Libanese wurde 2015 nach der Teilnahme an einer politischen Veranstaltung in Teheran verhaftet. Die schiitische Hisbollah in Libanon stellte einen Antrag auf Freilassung, dem der Iran im Juni 2019 zugestimmt hat.
Bild: picture-alliance/H. Malla
Geste an Washington?
Die schiitische Miliz Hisbollah (Bild) gilt als Verbündete der iranischen Revolutionsgarde. Der Internetaktivist Zakka betrieb eine nichtkommerzielle Organisation und beriet auch die Regierung in Washington. Seine Freilassung in einer Zeit steigender Spannungen zwischen dem Iran und den USA wurde von der Presse als Geste an Washington gedeutet.
Bild: picture-alliance/AA
Journalist als Geisel
Auch die Festnahme von Jason Rezaian, dem amerikanisch-iranischen Korrespondenten der "Washington Post", war offenbar politisch motiviert. Wegen "Spionage" saß er seit 2014 für 18 Monate im Gefängnis. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen wurde er im Januar 2016 freigelassen. Später hat Rezaian den Iran verklagt. Er sei als Geisel gehalten und psychologisch gefoltert worden.
Bild: Reuters/Zoeann Murphy/The Washington Post
"Umsturz des Regimes" durch Ausbildung
Die 41-jährige Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Mitarbeiterin der englischen Journalistenstiftung von Thomson Reuters, wurde 2016 bei einer Reise im Iran verhaftet. Die Justiz glaubt, Zaghari-Ratcliffe habe durch die Journalistenausbildung einen Umsturz der Regierung geplant. Sie selbst bestreitet das. Da Gericht verurteilte sie zu fünf Jahren Haft.
Bild: Iran-Emrooz/HRANA
Mahnwache in London
Ihr Ehemann Richard Ratcliffe, ein britischer Staatsbürger, sagte im DW-Interview, die Revolutionsgarde hätte ihm regelmäßig Signale übermittelt, die klar zeigen, dass das Urteil gegen seine Frau politischer Natur sei. Ratcliffe ist vor zwei Wochen in Hungerstreik getreten und hält regelmäßig Mahnwache vor der iranischen Botschaft in London.
Bild: Imago Images/ZUMA Press/D. Haria
13 Bilder1 | 13
Die Deklarierung unliebsamer Personen als Agenten hat Tradition im Iran. Im Juli 2014 verhafteten iranische Behörden den Journalisten Jason Rezaian und seine Frau Yeganeh. Rezaian war als Korrespondent für die Washington Post in Teheran stationiert. Ihm wurde vorgeworfen, er sei der Chef des CIA-Büros in Teheran. Der Journalist stritt alles ab – und saß trotzdem anderthalb Jahre im Gefängnis. Er kam kurz vor der Unterzeichnung des Atomdeals zwischen dem Iran und westlichen Staaten im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.
Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Projektmanagerin der Thomson-Reuters-Stiftung, des gemeinnützigen Arms des Informationskonzerns Thomson Reuters, wurde im April 2016 im Iran verhaftet und wegen Verschwörung, Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten und Spionage zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zaghari-Ratcliffe, die einen britischen und einen iranischen Pass hat, muss ihre Haftstrafe vermutlich komplett absitzen.
"Als Unsinn abgehakt"
Bandow hält es für unwahrscheinlich, dass die 17 Verhafteten tatsächlich Spione sind. "Wenn [iranische Behörden] tatsächlich CIA-Agenten verhaftet hätten, von denen sie glaubten, sie seien wertvoll für die USA – ich glaube kaum, dass sie das groß verkündet hätten", sagt der Außenpolitik-Experte. Und selbst wenn – die USA seien wohl kaum bereit, einen Deal auszuhandeln.
"Was würde man denn im Tausch anbieten? Das Aussetzen der Sanktionen? Das wird nicht passieren", sagt Bandow. "Die USA haben meiner Meinung nach genau richtig reagiert: Sie haben es als Unsinn abgehakt."
Wie es für die beschuldigten Männer und Frauen weitergeht, bleibt dabei offen.