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PolitikAsien

Iranische Atomverhandlungen auf Eis

21. November 2022

Die Atomgespräche zwischen dem Westen und Teheran sind angesichts der iranischen Drohnenlieferungen nach Russland und der brutalen Reaktion auf die Proteste auf Eis gelegt. Eine gefährliche Situation.

Wiederaufbereitungsanlage in Natans
Wiederaufbereitungsanlage in Natans Bild: Alfred Yaghobzadeh/SalamPix/abaca/picture alliance

Hoffnungen auf einen bevorstehenden Erfolg bei den Atomgesprächen mit dem Iran haben sich zerschlagen: Weder die USA noch die Regierung in Teheran sind derzeit offenbar bereit, weiter über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Damit sind die zuletzt vorangeschrittenen Gespräche zur Wiederbelebung der internationalen Atomvereinbarung von 2015 (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) auf Eis gelegt.

Die Vereinigten Staaten wollten sich vorerst nicht mehr um eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran bemühen, erklärte der amerikanische Sonderbeauftragte für den Iran, Robert Malley, kürzlich. Zwar werde die Tür für Verhandlungen offengelassen, doch die US-Regierung werde sich nun auf eine Politik der Sanktionen und des Drucks konzentrieren, so Malley. Als Grund für den Kurswechsel nannte er das Vorgehen iranischer Sicherheitskräfte gegen regierungskritische Demonstranten in Iran wie auch den Export von Kampfdrohnen an Russland.  Zudem seien die Verhandlungen nicht vorangekommen: Bei Gesprächen in Wien war monatelang erfolglos nach einem Kompromiss im Streit über das Abkommen gesucht worden.

Belastete Beziehung: IAEA-Chef Rafael Grossi (l) und Irans Atom-Chef Mohammad Eslami Ende September in WienBild: Leonhard Foeger/REUTERS

Ebenso hat auch der Iran bereits vereinbarte Gespräche mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu ehemals geheimen nuklearen Aktivitäten und Standorten infrage gestellt. "Die Reise einer IAEA-Delegation ist derzeit nicht auf der Agenda", sagte Irans Vizepräsident und oberste Atom-Verantwortliche Mohammad Eslami der iranischen Nachrichtenagentur ISNA zufolge in Teheran.

Kein Grundvertrauen mehr im Westen

Um die Verhandlungen habe es bereits seit geraumer Zeit nicht gut gestanden, sagt Marcus Schneider, Leiter der Regionalprojekts für Frieden und Sicherheit im Mittleren Osten der Friedrich-Ebert-Stiftung, im DW-Interview. Personen aus dem Umfeld der deutschen Verhandlungsdelegation hätten ihm erklärt, dass es aus ihrer Sicht zuletzt kein Grundvertrauen mehr gegeben habe. "Die westlichen Verhandler haben den Eindruck, dass Iran das Abkommen im Grunde gar nicht mehr will", so Schneider. Immer dann, wenn man kurz vor einem Durchbruch gestanden habe, seien seitens Irans neue Forderungen gekommen. "Insofern verliefen die Verhandlungen ohnehin bereits sehr zäh."

Großer Rahmen, wenig Ertrag: Treffen der Partner der Atomvereinbarung in Wien im Dezember 2021Bild: EU Vienna Delegation/AA/picture alliance

Inzwischen hätten sich die Positionen beider Seiten verhärtet, so Schneider. "Nun da die Republikaner nach den Zwischenwahlen in den USA die Mehrheit im Repräsentantenhaus errungen haben, dürfte es für die Biden-Administration noch schwieriger werden, Iran Zugeständnisse zu machen." Umgekehrt herrschten in Iran ganz andere Bedingungen als etwa 2015, als die damalige Reformregierung bereit zu Kompromissen mit dem Westen war. Die derzeitige Regierung hingegen zeige sich dem Westen gegenüber ausgesprochen feindlich. "Insofern hat man im Westen einfach kein Vertrauen mehr, das diese Regierung tatsächlich ein Abkommen schließen will."

Der Iranexperte Ali Vaez von der International Crisis Group listet in einem aktuellen Tweet eine Reihe von Maßnahmen auf, die der Westen und die internationale Gemeinschaft in jüngster Zeit gegen den Iran getroffen haben. Die hätten mit den angeblichen von Teheran angekündigten "diplomatischen Erfolgen" wenig zu tun.

Trotz allem gebe es für den Iran auch starke Anreize für eine Rückkehr zu dem Abkommen, heißt es in dem Internet-Magazin "Al-Monitor". Bei einer Einigung könnte der Iran auf die Aufhebung von Finanz- und Energiesanktionen und die Freigabe von Vermögenswerten in Milliardenhöhe rechnen. Umgekehrt dürfte der Westen dann wohl von einer bis anderthalb Millionen Barrel iranischen Öls profitieren, die dann wieder auf den Weltmarkt gelangten. Angesichts der von der OPEC  beschlossenen Drosselung um zwei Millionen Barrel pro Tag wäre dies eine erhebliche Entlastung.

Angeblich "Plan B" in Washington

Sollte es aber nicht zu einer Einigung kommen, dürfte das Verhältnis zwischen Iran und dem Westen noch angespannter werden, sagt Marcus Schneider. Tatsächlich habe Iran zumindest in der derzeitigen Konstellation wenig Anlass, auf Annäherung an den Westen zu setzen. "Denn aus Sicht Teherans bleiben die Sanktionen entweder aufgrund der ungeklärten Atomgespräche bestehen oder aufgrund der brutalen Reaktion auf die Proteste. Darum wird es dort wenig Bereitschaft zu Zugeständnissen geben." 

Desillusioniert: Amerikanischer Iran-Sondergesandter Robert MalleyBild: Rod Lamkey/CNP/picture alliance

Sollten sich beide Seiten nicht einigen, wird es zu verstärkten Spannungen kommen, heißt es auch in einer Analyse der Zeitschrift "Foreign Policy" (FP). In dieser Situation könnten die Vereinigten Staaten und die Europäische Union weitere Sanktionen verhängen, Israels verdeckte Sabotage der iranischen Atomanlagen unterstützen und das entstehende, gegen Iran gerichtete Verteidigungsbündnis aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel ermutigen, heißt es in FP. "Der Westen könnte sogar ein direktes militärisches Eingreifen in Erwägung ziehen." Inzwischen arbeite man im Weißen Haus für den Fall eines endgültigen Scheiterns der Gespräche an einem "Plan B", so FP weiter. Diesem zufolge könnten die USA etwa Israel beschleunigt mit wichtigen Verteidigungssystemen wie etwa Tankflugzeugen für Luftangriffe mit großer Reichweite beliefern. Dadurch wäre es in die Lage versetzt, die nukleare Infrastruktur des Irans zu treffen. Auch eine militärische Intervention der USA selbst sei denkbar, zitiert das Magazin einen ungenannt bleibenden europäischen Diplomaten.

"Aussteigen wäre zu riskant"

Doch eine solche Intervention sei hochriskant, sagt Marcus Schneider. Man müsse sich im Klaren darüber sein, dass eine militärische Lösung mit sehr hohen Risiken behaftet ist. Denn sie könnte sich leicht zu einem regionalen Flächenbrand ausweiten und dazu führen, dass Iran verbundene Milizen im Libanon, im Irak, im Jemen und in Syrien aktiv werden. "Das Regime in Teheran hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es in der Lage ist, die Öl- und Gasinfrastruktur in Saudi-Arabien und auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten anzugreifen." Eine solche Entwicklung hätte auch ökonomische Konsequenzen, auch in Europa. In Deutschland würde der Ölpreis auf ein bislang ungewohntes Niveau steigen, erwartet Schneider. "Darum scheint es mir geboten, aus den Atomverhandlungen nicht auszusteigen. Gleichzeitig muss man anerkennen, dass das Abkommen im Moment politisch tot ist. Es gibt derzeit keine einfache Lösung."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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