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Politik

Iran, USA, Israel: Neue Konfrontation am Golf?

25. April 2020

Nach einem neuen Zwischenfall im Persischen Golf und dem Start eines Militärsatelliten ins All nehmen die Spannungen zwischen dem Iran und den USA zu.

Iran Militärsatellit Semnan Satellit
Bild: picture-alliance/dpa/Sepahnews

Zunächst erneut Muskelspiele im Persischen Golf, nun eine symbolische Demonstration militärischer Macht: Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran haben Mitte dieser Woche eine neue Stufe erreicht. Am Mittwoch erklärte die iranische staatliche Nachrichtenagentur IRNA, sie hätten den Militärsatelliten "Noor" ("Licht") ins All geschossen. 

Die Nachricht vom Start des Satelliten erfolgte nur wenige Tage nach einer - von beiden Seiten offenbar unter Kontrolle gehaltenen - Konfrontation im Persischen Golf. Am Mittwoch vergangener Woche hatte die US-Marine erklärte, mehrere Boote der Iranischen Revolutionsgarden hätten sich mehrfach "gefährlich" und "provozierend" amerikanischen Kriegsschiffen genähert.

US-Präsident Trump twitterte: Er habe die amerikanische Marine angewiesen, alle iranischen Kriegsschiffe zu zerstören, sollte diese amerikanische Schiffe noch einmal belästigen.

 

Die Antwort aus Teheran ließ nicht lange auf sich warten. Der iranische Außenminister riet Trump in seiner Replik, sich um die Corona-Opfer im eigenen Land zu kümmern. Der Persische Golf liege 7000 Meilen von den USA entfernt. Die Distanz zum Iran betrage hingegen null Meilen. 

"Es geht Iran um Entwicklung von Atomraketen"

Nach dem behaupteten Start des iranischen Satelliten reagierte US- Außenminister Mike Pompeo prompt: Mit dem Start habe Iran einer Resolution des UN-Sicherheitsrates widersprochen. "Jede Nation hat die Pflicht, die Vereinten Nationen anzurufen, um bewerten zu lassen, ob dieser Raketenstart mit dem Beschluss des Sicherheitsrates im Einklang stand", fügte Pompeo am Donnerstag hinzu.

Pompeo verwies auf die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates. "Ich glaube nicht, dass der Start auch nur ansatzweise damit vereinbar ist. Ich denke, dass Iran für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen werden muss", fügte er hinzu.

Laut UN-Resolution aus dem Jahr 2015 wird der Iran aufgefordert, "eine Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Flugkörpern durchzuführen, die dazu angelegt sind, Kernwaffen zum Einsatz bringen zu können, einschließlich Starts unter Verwendung von Technologie für solche ballistischen Flugkörper." Umstritten ist, ob diese Aufforderung verpflichtend ist.

Deutlich vernehmbar äußerte sich zum Start des Satelliten auch das israelische Verteidigungsministerium. "Der Versuch, einen Satelliten ins All zu befördern, dient allein als Fassade für Irans andauernde Entwicklung fortgeschrittener Raketentechnologie, sowohl von ballistischen Interkontinentalraketen (ICBM) als auch von anderen Raketen, die einen nuklearen Sprengkopf befördern können."

 

"Sicherheitsschock für den Westen"

Mit den Spannungen setzen die USA und der Iran ihren bisherigen, trotz einiger Scharmützel bislang eher symbolisch ausgetragenen Konfrontationskurs fort. So war auch der Start der Trägerrakete diese Woche kein Zufall. Die iranische Nachrichtenagentur MEHR teilte mit, dieser sei am Geburtstag der Revolutionsgarden erfolgt. Die Garden wurden im April 1979 ins Leben gerufen - ein deutliches Zeichen, dass der Iran auch unter dem Druck der Sanktionen nicht daran denkt, seinen Kurs zu ändern. 

Der Start des Satelliten sei nicht nur eine Überraschung, sondern auch eine großartige Leistung, so MEHR weiter. "Er ist ein großer Sicherheitsschock für den Westen und die Amerikaner, insbesondere, da der Iran unter harten US-Sanktionen steht." 

Das Streben des Iran, sein Raumfahrtprogramm auszuweiten, sei nicht neu, sagt der an der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) forschende Politologe Hamidreza Azizi gegenüber der DW. Es habe bereits mehrere Versuche gegeben, darunter auch gescheiterte. "Daher scheint mir die Art des neuen Satelliten wichtiger als der Zeitpunkt seines Starts. Zum ersten Mal hat der Iran öffentlich erklärt, dass er einen 'militärischen' Satelliten in die Umlaufbahn habe bringen wollen." Dass die gesamte Operation von den Revolutionsgarden durchgeführt wurde, lasse sich als deutliche Botschaft an die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten verstehen. Sie laute: "Ihre Aktionen haben es nicht geschafft, die militärischen Aktivitäten Irans einzudämmen."

Inszenierung der Stärke. Szene kurz vor dem Start der TrägerraketeBild: picture-alliance/AP Photo/Sepahnews

Iran provoziert, Trump reagiert zurückhaltend

Seit der Aufkündigung des Atomabkommens durch Trump 2018 setze der Iran auf eine wachsende Politik der Provokation, sagt Hamidreza Azizi von SWP. Die zeige sich zum einen in verstärkten militärischen Aktivitäten in der gesamten Region, vor allem am Persischen Golf. Und zum anderen in der Ausweitung der Raketen-, Weltraum- und Nuklearprogramme. "Der jüngste Satellitenstart war das jüngste, vielleicht wichtigste Beispiel dieser Entwicklung."

Inwieweit die Nachricht vom Satellitenstart eine neue bedrohliche Qualität in die Konfrontation am Golf bringt, ist derzeit noch nicht klar. Klar ist für die "Jerusalem Post" eines: "Der Iran versucht derzeit wie aufgeputscht, seine militärischen Fähigkeiten auf See, in der Luft und im Weltraum unter Beweis zu stellen."

Beschädigt: der iranische Öltanker Sabiti, Oktober 2020Bild: picture-alliance/AP Photo

Was die US-Politik betrifft, glaubt Hamidreza Azizi nicht, "dass Trumps jüngste Warnung der Beginn eines offenen Konflikts mit dem Iran ist. Eher handelt es sich um eine politische Position, die darauf abzielt, Stärke zu zeigen." 

Trump sei nach seinem Rückzug von der Atomvereinbarung insbesondere seitens der amerikanischen Demokraten vorgeworfen worden, seine Strategie habe den Iran nicht eingedämmt, sondern im Gegenteil aggressiver gemacht. Die maritime Konfrontation am Golf löste nun eine neue Welle der Kritik aus. Doch einen offenen Konflikt strebe Trump nicht an, so Azizi. "Er will deutlich machen, dass seine Regierung angesichts der so genannten 'iranischen Bedrohung' nicht untätig bleibt."

Gerade in Zeiten der Coronapandemie dürften die USA und der Iran - beide registrieren zahlreiche Infektionen - an einer Konfrontation kein Interesse haben. Das Säbelrasseln am Golf könnten beiden Regierungen helfen, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Sowohl in Teheran wie in Washington stehen die Staatsspitzen nicht zuletzt wegen ihres Umgangs mit dem Coronavirus unter Kritik.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika