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PolitikAsien

Iran - USA: Tief verwurzelte Feindschaft

19. Januar 2021

Sanktionen und abgebrochene Beziehungen: Das feindselige Verhältnis zwischen USA und Iran geht auf die Geiselnahme zurück, die vor 40 Jahren endete.

Antiamerikanismus im Iran
Bild: picture-alliance/dpa

Der 20. Januar 1981 war der letzte Tag im Amt für den damaligen US-Präsident Jimmy Carter. Für 52 amerikanische Geiseln in der besetzten US-Botschaft in Teheran war es der erste Tag in Freiheit. Nach 444 Tagen Geiselhaft konnten sie in ihre Heimat reisen. Im Gegenzug wurde eingefrorenes iranisches Vermögen in den USA in Höhe von fast acht Milliarden US-Dollar freigegeben. Die Geiselnahme ist ins kollektive Gedächtnis beider Völker eingegangen.

Die verpatzte Befreiungsaktion mit in der Wüste abgestürzten US-Helikoptern im April 1980 trug zu Carters Niederlage gegen Ronald Reagan bei der Präsidentschaftswahl im selben Jahr bei. Bücher befassten sich mit dem Thema, auch Hollywood verarbeitete den Stoff.

"Zweite Revolution gegen den Satan USA"

Der Überfall auf die US-Diplomaten war gleichzeitig ein Wendepunkt in der Geschichte der iranischen Revolution: Aus Protest gegen den Angriff radikaler iranischer Studenten auf die US-Botschaft in Teheran am 4. November 1979 trat Premierminister Mehdi Bazargan zurück. Mit seinem Rücktritt überließ der Politiker des liberal-islamischen Flügels der Revolution die politische Bühne den religiös-konservativen Revolutionären um Ayatollah Chomeini. Letztere bauten nach diesem Wendepunkt kontinuierlich ihre Macht aus und drängten aller anderen politischen Kräfte an den Rand. Ayatollah Chomeini war begeistert von der Besetzung der US-Botschaft in Teheran: Er bezeichnete sie als "die zweite Revolution gegen den großen Satan USA."

Die US-Botschaft in Teheran wurde von einer Gruppe islamistischer Studenten gestürmt. 66 Mitarbeiter wurden als Geiseln genommenBild: Fars

Aus "Solidarität mit den unterdrückten Schichten der Gesellschaft in den imperialistischen USA" ließ der Ayatollah alle weiblichen und afroamerikanische US-Bürger unter den 66 Geiseln frei, insgesamt 13 Personen. US-Vizekonsul Richard Queen wurde einige paar Monaten später aus "humanitären Gründen", wegen seines schlechten Gesundheitszustands, freigelassen.

Für die Freilassung der 52 verbliebenen Geiseln forderte der Iran die Auslieferung von Irans letztem König: Der an Krebs erkrankte Schah Mohammadreza Pahlavi hielt sich zur Behandlung in einem Krankenhaus in New York auf. Für die Revolutionäre war der Schah eine Marionette der USA, der seinen Thron allein dem US-Geheimdienst CIA verdanke. Der hatte 1953 den Sturz des ersten demokratisch gewählten Premierministers Mohammad Mossadegh organisiert. Später halfen die USA dem Schah, seinen berüchtigten Geheimdienst Savak aufzubauen und seine Kritiker systematisch zu unterdrücken.

Terroranschläge gegen US-Ziele

Die USA lehnten die Forderung der Revolutionäre nach einer Auslieferung des Schahs ab. Allerdings wurde er  - ohne Hoffnung auf Genesung - zunächst nach Panama verlegt, er starb im Juli 1980 in Kairo.

Als Reaktion auf die Geiselnahme brachen die USA die diplomatische Beziehungen mit dem Iran ab, ein Zustand, der bis heute anhält. Washington erließ eine Reihe von Sofortmaßnahmen gegen den Iran, darunter das Verbot von Rüstungsexporten in den Iran und das Verbot jeglicher Verträge mit der iranischen Regierung oder iranischen Unternehmen. Diese Sanktionen blieben jahrzehntelang in Kraft und gelten bis heute, mit Ausnahme einer kurzen Tauwetterperiode nach Abschluss des Atomabkommens 2015.

Die Sanktionen wurden im Laufe der Jahre stetig verschärft. Zum Beispiel 1983, nach Bombenangriffen pro-iranischer Milizen zunächst auf die US-Botschaft im Libanon und später auf einen US-Stützpunkt in Beirut. Der Angriff auf die US-Botschaft kostete 60 Menschen das Leben. Beim Anschlag auf den US-Stützpunkt wurden 299 Soldaten und sechs Zivilisten getötet. Die USA setzten den Iran auf die Liste der "Terrorismus unterstützenden Staaten".

Die US-Sanktionen bekam der Iran schon bald während des achtjährigen blutigen Kriegs gegen den Irak zu spüren. Iraks Machthaber Saddam Hussein wollte die Wirren der Revolution nutzen und griff den Iran am 22. September 1980 an. Sein Ziel: Die Ölgebiete im Süd-Iran zu erobern und den Persischen Golf unter seine Kontrolle zu bringen. Während die USA den Irak aktiv unterstützten,  hatte der Iran Schwierigkeiten, seine Truppen mit Waffen und Munition zu versorgen.  

Tragischer Irrtum der "USS Vincennes"

Kurz vor dem Ende jenes 1. Golfkriegs schoss die US-Marine im Juli 1988 ein iranisches Passagierflugzeug über dem Persischen Golf ab. 290 Menschen starben, darunter 248 Iraner. Die 5. US-Flotte hatte mehrere Schiffe in die Region geschickt, um die Öllieferungen aus dem Persischen Golf zu sichern. Der US-Kreuzer "Vincennes", ausgestattet mit dem modernsten Radar- und Luftabwehrsystem, hatte den iranischen Airbus fälschlich als angreifenden Jagdbomber identifiziert.

Dieser tragische Irrtum prägt das kollektive Gedächtnis der Iraner stark. Die USA zahlten zwar nach jahrelangen Auseinandersetzung den Hinterbliebenen eine Entschädigung. Eine Entschuldigung sprachen sie aber nie aus.

Der damalige Vizepräsident George H. W. Bush, damals im Wahlkampf um die Nachfolge von Ronald Reagan, lobte sogar ausdrücklich den Kapitän der "Vincennes",  William Rogers, und nahm ihn gegen Kritik in Schutz, zu aggressiv gehandelt zu haben. Roger wurde für  seinen Dienst auf dem Schiff später sogar geehrt.

Streit um das Nuklearprogramm

In den 90er und 2000er Jahren verhängten die USA neue Sanktionen gegen den Iran. Grund war Teherans geheimes militärisches Atomprogramm, über das immer mehr Informationen durchsickerten. US-Präsident George W. Bush prägte damals das Wort von der "Achse des Bösen", auf der er neben Iran auch Irak und Nordkorea verortete. Nach der von den USA geleiteten Invasion des Irak im Jahr 2003, unter der Begründung angeblicher Massenvernichtungswaffen im Besitz von Saddam Hussein, ergriffen die Europäer, genauer gesagt: Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die Initiative: Sie wollten durch Diplomatie sowohl die "iranische Bombe" als auch einen weiteren Krieg in der Region verhindern.

Während der Atomverhandlungen lassen sich der iranische und der amerikanische Außenminister zum ersten Mal zusammen fotografieren Bild: Reuters/State Department/Handout

Zwölf Jahre lang ziehen sich die Verhandlungen hin, bis im Juli 2015 die internationale Vereinbarung zum iranischen Atomprogramm unterzeichnet werden kann. Als Gegenleistung für Irans kontrolliertes Herunterfahren seiner nuklearen Aktivitäten hoben die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA schrittweise ihre Wirtschaftssanktionen auf. Internationale Überwachung gegen mehr Handel – so lautete der "Deal", der die Gefahr einer iranischen Bombe bannen sollte.

Dunkle Wolken der Ära Trump

Donald Trump versprach jedoch in seinem Wahlkampf 2016, aus dem Abkommen auszusteigen. Im Mai 2018 setzte er sein Versprechen um. Seine Regierung verhängte bzw. erneuerte in den folgenden zwei Jahren im Zuge einer "Strategie des maximalen Drucks" härteste Wirtschaftssanktionen, um den Iran zu einem "besseren Deal" mit den USA zu zwingen. Der Plan ging nicht auf, der Iran verfügt inzwischen über mehr als zehnmal so viel angereichertes Uran als nach dem Abkommen erlaubt und fährt mit seinen abgestuften Verstößen gegen die Atomauflagen unvermindert fort.

Unterdessen versetzten die USA dem regionalen Vormachtstreben Irans einen empfindlichen Schlag:  Mittels eines gezielten Drohnenangriffs töteten sie im Januar 2020 Kassem Soleimani, den über die Grenzen Irans hinaus einflussreichen Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden. Ein schwerer Verlust für den geistlichen und obersten Führer Ali Chamenei. Der verspricht Rache.

Trauerfeiern für Soleimani

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"Egal, wer in den USA die Macht übernimmt: Vergesst nicht die Feindschaft zu den USA", so appellierte Ayatollah Chamenei Mitte Dezember in einer Rede an die Funktionäre der Islamischen Republik. Er werde dem "großen Satan" nie vertrauen. Der neue US-Präsident Biden will zum Atomabkommen mit dem Iran zurückkehren. Voraussetzung: Der Iran kommt allen seinen Verpflichtungen aus diesem Abkommen nach.

Aus Teheran kommen bislang keine Signale für Zugeständnisse: Die "endgültige und entschlossene" Position Irans bestehe darin, dass die USA zuerst ihre Sanktionen gegen die Islamische Republik aufheben müssten, so Chamenei am 8. Januar. Ein Leben ohne Sanktionen sei "ein Recht der Iraner, das durch Washington verletzt wurde", sagt er in seiner Fernsehsprache. Wie es dazu kam, dass die Iraner seit mehr als 40 Jahren unter Sanktionen leben, dazu schwieg Chamenei.

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