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"Iran weltgrößtes Journalistengefängnis"

30. Dezember 2010

Die beiden im Iran festgehaltenen deutschen Journalisten könnten als Faustpfand in einem politischen Spiel dienen, fürchtet Michael Rediske, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", im Interview mit DW-WORLD.DE.

Gefängnis Symbolbild Iran, Gefängnis, Verhaftung (Foto/Grafik: ap)
Bild: AP GraphicsBank/DW

DW-WORLD.DE: Herr Rediske, die zwei deutschen Journalisten waren am 10. Oktober in der Provinzhauptstadt Täbris beim Versuch verhaftet worden, den Sohn und den Anwalt von Sakineh Mohammadi-Aschtiani zu interviewen. Die Frau sollte zunächst wegen Ehebruchs gesteinigt werden, nun könnte sie zum Tode durch den Strang verurteilt werden. Den Reportern wird ein Verstoß gegen Visa-Regelungen vorgeworfen. Ist das Grund genug, sie ohne Prozess über zwei Monate ins Gefängnis zu stecken? Steckt also eine politische Motivation hinter dieser Verhaftung?

MICHAEL REDISKE: Ob Prozess oder nicht, das ist völlig unverhältnismäßig, insofern sehen wir darin, um es deutlich zu sagen, eine politische Geiselnahme durch eine Regierung.

Deutschland spielt ja eine nicht unwichtige Rolle in den Atomverhandlungen zwischen dem Westen und Iran, und möglicherweise werden die deutschen Journalisten da als Faustpfand dienen, solche Fälle hat es in der Vergangenheit ja auch schon gegeben.

Wie hat sich Ihren Erfahrungen nach das Klima gegenüber Journalisten im Iran in den letzten 12 Monaten verändert?

Wir hatten diese sogenannten Unruhen nach den Protesten gegen die Präsidentschaftswahlen. Darauf hat die Regierung mit harter Repression auch gegen Journalisten reagiert. Da ist jemand im Spätsommer zu elf Jahren Haft wegen sogenannter 'Anstachelung zu Unruhen' verurteilt worden. Da ist ein anderer Journalist zu acht Jahren verurteilt worden wegen Beleidigung des Revolutionsführers Chamenei. Und wir sehen auch, dass die Internetzensur noch einmal verschärft worden ist. Sie ergreift jetzt nicht nur politische Webseiten; gesperrt werden jetzt auch die Webseiten von nichtlinientreuen Ajatollahs, also von geistigen Führern, die der Regierung vielleicht nicht ganz so nahe stehen. Es gibt 37 Journalisten insgesamt, die im Iran in Haft sind. Damit ist der Iran derzeit, und zwar noch ein gutes Stück vor China, das weltgrößte Journalistengefängnis.

Dass Journalisten mit Touristenvisum in anderen Ländern recherchieren, ist ja nun gang und gäbe, weil sie oft gar keine Journalistenvisa ausgestellt bekommen. Gehören solche Verhaftungen also zum natürlichen Berufsrisiko für Journalisten?

Michael Rediske, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen"Bild: D. Gust

In den meisten Ländern wird so etwas als eine Ordnungswidrigkeit geahndet, im Zweifel wird so jemand ausgewiesen. Dass da jemand verhaftet wird, das hat es meines Wissens zum letzten Mal in Birma gegeben, bei einem japanischen Journalisten. Der ist dann aber auch gleich ausgewiesen worden, da gab es keine lange Haft wie hier im Falle der Deutschen, die ja schon 80 Tage im Gefängnis verbringen.

Welche Verantwortung tragen eigentlich die Redaktionen, die ihre Mitarbeiter dort hinschicken?

"Reporter ohne Grenzen" betont immer wieder die Verantwortung der Redaktionen für die Auswahl der Leute, für ihre Vorbereitung, für Vorsichtsmaßnahmen. Das gilt im Übrigen nicht nur für angestellte Journalisten sondern wir sagen auch, dass die vielen freien Journalisten, die aus Krisengebieten berichten, betreut werden müssen, dass die Redaktionen, die das dann drucken oder senden eine hohe Verantwortung haben.

Und wie ist das in diesem Fall?

Das können wir solange nicht beantworten, wie wir die beiden Kollegen im Iran nicht befragen können. Wir können nicht sagen, welche Vorsichtsmaßnahmen da getroffen worden sind. Richtig ist aber, dass es im Iran sehr schwer sein dürfte, den Spürhunden der Geheimpolizei zu entgehen, wenn man mit einem Touristenvisum als Journalist einreist. Da muss sich jeder, der das macht über das hohe Risiko im Klaren sein, dass er für sich, aber auch für seine Gesprächspartner eingeht.

Wie wird sich der Fall der beiden inhaftierten Deutschen jetzt weiter entwickeln? Glauben Sie, dass man da mit einer baldigen Lösung rechnen kann oder wird sich das noch eine Weile hinziehen?

Zunächst waren wir vor einigen Wochen erleichtert, dass der Generalstaatsanwalt gesagt hat, es ginge hier nicht um ein Spionageverfahren. Das war ja anfangs die große Sorge, weil für Spionage im Iran auch die Todesstrafe droht. Wie lange es nun bis zu einer Freilassung dauert, können wir gar nicht sagen. Es gibt ja keine ordentliche Gerichtsbarkeit dort, das sind politische Prozesse, da spielen politische Verhandlungen, bei denen ja auch die Bundesregierung involviert ist, eine große Rolle. Da wird einfach gezockt.

Das Gespräch führte Silke Wünsch

Redaktion: Sven Töniges

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