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PolitikAsien

Iran: "Westlicher Druck kann Hinrichtungen bremsen"

29. Mai 2024

Mindestens 853 Menschen wurden vergangenes Jahr im Iran hingerichtet. Menschenrechtsaktivisten vermuten eine noch höhere Dunkelziffer und fordern verstärkten Druck auf die iranische Führung.

Zwei Frauen stehen nebeneinander, die rechts stehende hält ein gelbes Plakat mit der Aufschrift "Act Now. Stop executions in Iran."
Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten fordern die Abschaffung der Todesstrafe im IranBild: Stéphane Lelarge/Amnesty International

Im Jahr 2023 wurden fast drei Viertel aller registrierten Hinrichtungen weltweit im Iran durchgeführt. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden im vergangenen Jahr weltweit insgesamt mindestens 1.153 Todesurteile vollstreckt. Das sei die höchste Zahl seit 2015, betont die Organisation in ihrem aktuellen Bericht zum Einsatz der Todesstrafe.

In der von Amnesty International erfassten Gesamtzahl sind die Tausenden von Hinrichtungen nicht enthalten, die vermutlich in China vollstreckt wurden. Das gilt auch für Exekutionen in Vietnam und Nordkorea. Auch dort geht Amnesty International davon aus, dass die Todesstrafe in großem Umfang angewandt wurde. Die meisten bekannten Hinrichtungen fanden in China (Tausende), Iran (mindestens 853) sowie Saudi-Arabien (172) statt.

"Im Iran sind neu verhängte Todesstrafen oder vollstreckte Hinrichtungen für politische, aber auch unpolitische Fälle deutlich gestiegen", bestätigt Rebin Rahmani im Gespräch mit der DW. Der kurdische Menschenrechtsaktivist lebt in Paris und arbeitet für ein Netzwerk von kurdischen Menschenrechtsaktivisten, die Informationen aus dem Iran sammeln und verifizieren.

Justiz dient der Einschüchterung 

"Allein in den letzten vier Wochen wurden 29 kurdische Gefangene hingerichtet", sagt Rahmani und fügt hinzu: "Unter ihnen war Khosrow Besharat, ein politischer Gefangener, der vor 14 Jahren verhaftet wurde. Damals wurde er mit fünf anderen sunnitischen Kurden wegen sogenannter 'Verbrechen auf der Erde' verhaftet und zum Tode verurteilt. Ihre Todesurteile wurden in den letzten Monaten vollstreckt."

Khosrow Besharat und fünf anderen kurdischen Gefangenen wurde vorgeworfen, im Dezember 2009 einen schiitischen Geistlichen getötet zu haben. Wegen mangelnder Beweise zog sich die Untersuchung des Falls lange hin. Besharats Mutter wandte sich im Jahr 2018 in einem offenen Brief an Javaid Rehman, den damaligen Sonderberichterstatter für Menschenrechte der Vereinten Nationen im Iran, und beschwerte sich über die iranische Justiz. Es gebe keine Beweise gegen ihren Sohn, der damals bereits seit knapp zehn Jahren hinter Gittern saß. Alles, was die iranische Justiz habe, sei ein Geständnis, das unter Zwang aufgezeichnet wurde.

Die Behörden im Iran setzten die Todesstrafe verstärkt ein, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen, betont die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem aktuellen Bericht. Die Zahl der Hinrichtungen ist gegenüber dem Vorjahr noch einmal deutlich gestiegen: 2022 zählte Amnesty noch 576 vollstreckte Todesurteile; 2023 waren es 48 Prozent mehr.

Hinrichtungen oft im Geheimen

Im Zusammenhang mit den Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" wurden 2022 neun Menschen nach Scheinprozessen hingerichtet. "Ohne den internationalen Druck von außen wäre diese Zahl deutlich höher gewesen", vermutet Mahmood Amiry-Moghaddam, Direktor der in Norwegen ansässigen Organisation "Iran Human Rights" (IHR), im Gespräch mit der DW.

Seit 2007 beobachtet und veröffentlicht seine Organisation Berichte über Hinrichtungen im Iran. "Die weltweite Empörung nach der Vollstreckung jedes Todesurteils für inhaftierte Protestierende und Maßnahmen wie die von der EU verhängten Sanktionen wegen dieser Hinrichtungen waren wirksam und verzögerten die Durchführung der Todesurteile. Das heißt aber nicht, dass sie nie vollzogen werden. Gleichzeitig ist jedoch die Zahl der Hinrichtungen wegen anderer Delikte wie Drogenstraftaten massiv gestiegen."

Hinrichtungen wegen Drogendelikten erfolgen häufig im Geheimen, ohne dass die Familien und Rechtsbeistände der betroffenen Personen benachrichtigt werden. Zum Beispiel wurden im November 2023 zwei Brüder namens Saeed und Ismail Alizahi wegen Drogendelikten in der Stadt Zahedan hingerichtet, ohne einen letzten Besuch ihrer Familien.

Schweigen aus Angst 

"Uns liegen die Namen von 47 Menschen vor, die in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls hingerichtet worden sind", betont Mahmood Amiry-Moghaddam. "Wir haben diese Namen nicht veröffentlicht, weil wir keine zweite unabhängige Quelle finden konnten, die ihre Hinrichtungen bestätigen konnte."

Nicht jede Familie meldet sich zu Wort und informiert Menschenrechtsorganisationen. Viele Hinterbliebene schweigen aus Angst um ihre Sicherheit oder aus Scham. Laut Amnesty International wurden mehr als 60 Prozent der dokumentierten Hinrichtungen für Taten vollstreckt, die nach internationalem Recht nicht mit der Todesstrafe geahndet werden dürfen, darunter vor allem Drogendelikte. Diese Hinrichtungen betrafen unverhältnismäßig oft die ethnische Minderheit der Belutschen. Auf sie entfielen 20 Prozent der registrierten Hinrichtungen, obwohl sie nur etwa fünf Prozent der iranischen Bevölkerung ausmachen.

Die Tötungsserie im Iran setzt sich auch 2024 fort: Bis zum 20. März wurden bereits mindestens 95 Hinrichtungen dokumentiert. Mindestens acht weitere Personen, die im Zusammenhang mit den Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" 2022 zum Tode verurteilt wurden, sitzen noch im Gefängnis.

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