Iran: Wie kommt Europa im Atomstreit wieder ins Spiel?
5. Mai 2025
Nach einer langen diplomatischen Eiszeit haben der Iran und die USA Mitte April wieder Verhandlungen zum umstrittenen iranischen Atomprogramm aufgenommen. Das für Samstag, den 3. Mai, geplante vierte Treffen wurde jedoch vorerst verschoben. Laut der Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, gehen die USA dennoch davon aus, dass es in naher Zukunft erneut zu Gesprächen kommen wird.
Gleichzeitig richtet sich der Blick aber auch auf Europa: Auch dort wurde zwar ein geplantes Treffen zwischen dem Iran und den europäischen Staaten Frankreich, Deutschland und Großbritannien kurzfristig abgesagt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wollten sich Vertreter Irans sowie der drei europäischen Staaten aber am Freitag in Rom zu Beratungen über das iranische Atomprogramm treffen.
Die sogenannten E3 Staaten – Frankreich, Großbritannien und Deutschland – hatten 2015 gemeinsam mit Russland, China und den USA das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnet. Aus dieser Vereinbarung unter dem offiziellen englischen Namen 'Joint Comprehensive Plan of Action' (JCPOA) sind die Vereinigten Staaten unter Präsident Trump im Mai 2018 aber ausstiegen. Die Regierung in Washingtons wollte ein aus ihrer Sicht besseres Abkommen erreichen.
"Viele Akteure einbinden"
Vor diesem Hintergrund war Teheran mit Europa tatsächlich schon früher in Kontakt gekommen als mit den USA. "Die Gespräche zwischen dem Iran und der E3 begannen Ende vergangenen Jahres, wurden jedoch mit dem Beginn der Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA ausgesetzt. Die E3 rückten dadurch in den Hintergrund", sagt Aniseh Bassiri Tabrizi vom Beratungsunternehmen Control Risks, das sich auf politische, sicherheitsrelevante und strategische Risikobewertungen spezialisiert hat. Tabrizi lebt in Abu Dhabi und gilt als Expertin für iranische Außenpolitik.
"Ich denke, es liegt nun im Interesse Irans, die E3 wieder in die Atomgespräche einzubeziehen, weil das als Hinweis auf Fortschritte in den Verhandlungen bewertet werden kann. Nach den Treffen mit China und Russland strebt der Iran nun auch Gespräche mit der E3 an", so Tabrizi. Irans Außenminister Abbas Araghtschi sendete am 24. April bereits entsprechende Signale aus. Nach den Visiten in Moskau und Peking sei er bereit, auch Paris, Berlin und London zu besuchen, kündigte er an. "Es ist offensichtlich, dass Teheran alle Unterzeichnerstaaten des JCPOA über den Stand der Verhandlungen informieren möchte", bewertete Tabrizi diese Ankündigung. "Das zeigt aus meiner Sicht, dass der Iran möglichst viele Akteure einbinden will, um Unterstützung für die Gespräche und ein mögliches Ergebnis zu gewinnen."
Auf Konfrontationskurs mit der EU
Aus der Sicht Teherans geht Außenminister Araghtschi damit auf eine schwierige Mission. Der Iran sei mit der Zusammenarbeit mit seinen Verbündeten China und Russland zufrieden, sagte er in seinem Statement vom 24. April. Die Beziehungen zu den drei europäischen Mächten (E3) bezeichnete Araghtschi jedoch als "derzeit geschwächt".
"Mit seiner Unterstützung für Russland im Krieg gegen die Ukraine und für die Huthis bei deren Angriffen auf die Schifffahrt im Roten Meer – von der Hilfe für die Hamas im Kampf gegen Israel ganz zu schweigen – hat sich der Iran in fundamentale Gegensätze zu zentralen europäischen Positionen begeben", schreibt der Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr auf Anfrage der DW.
"Die anhaltende Repression im Inneren, mit einer desolaten Menschenrechtslage – nicht erst seit der blutigen Niederschlagung der 'Frau, Leben, Freiheit'-Revolte 2022 – und einer massiven Zunahme von Hinrichtungen, insbesondere in Gebieten ethnischer Minderheiten, erschwert politische Kompromisse erheblich", befürchtet Adebahr. Der Experte hat mehrere Bücher über den Iran veröffentlicht und berät unter anderem europäische Institutionen.
Auf die Frage, was sich Teheran von einem Treffen mit der E3 verspricht, nennt der Politikwissenschaftler drei strategische Gründe. "Die Einbindung der Europäer schützt den Iran davor, allein der Unberechenbarkeit Donald Trumps ausgeliefert zu sein", sagt er. Denn das Hin und Her der US-Politik zwischen Drohungen und dem Versprechen wirtschaftlicher Vorteile erschwere es Teheran, eine kohärente eigene Strategie zu verfolgen.
Zudem erhöhe eine europäische Beteiligung aus iranischer Sicht die Chance, dass eine mögliche Einigung nicht als einseitige Kapitulation vor der US-Politik des 'maximalen Drucks' erscheine. Forderungen nach einem vollständigen Verzicht auf Urananreicherung, wie sie von Seiten der USA und Israels erhoben werden, gelten in Teheran als unüberwindbare rote Linie.
Und drittens, so Adebahr, hoffe der Iran, dass das wachsende Streben Europas nach strategischer Unabhängigkeit von den USA mittelfristig auch eine eigenständigere und differenziertere Haltung gegenüber Teheran möglich mache.
Zwischen Vermittlung und Drohkulisse
Den E3 kommt zudem eine Schlüsselrolle im aktuellen Verhandlungsprozess zu. Sie verfügen über das Recht, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den sogenannten Snapback-Mechanismus zur Wiedereinführung internationaler Sanktionen gegen den Iran auszulösen.
Diese Option läuft am 18. Oktober aus. Frankreich hatte Ende April betont, nicht zögern zu wollen, diesen Schritt zu gehen, sollte keine Einigung erzielt werden, wie Außenminister Stéphane Séjourné vor dem UN-Sicherheitsrat erklärte.
Diplomatenkreisen zufolge planen die E3 nun, den Snapback-Prozess nicht wie ursprünglich vorgesehen im Juni, sondern spätestens bis August einzuleiten, sollte bis dahin keine substanzielle Einigung vorliegen. Wird der Snapback aktiviert, kann kein Vertragspartner ein Veto dagegen einlegen. Ob Russland und China eine Rückkehr zu den vollen Sanktionen mittragen würden, bleibt jedoch fraglich.
Politikberater Adebahr warnt: "Am Ende könnte das formale Wiedereinsetzen der UN-Sanktionen nur Verlierer hervorbringen". Damit drohe das "abrupte Ende jeglicher Diplomatie mit dem Iran und eine Spaltung der Weltorganisation – mit den USA, der EU, Israel und einigen westlichen Staaten auf der einen Seite und China, Russland sowie weiten Teilen des Globalen Südens auf der anderen. Viele von ihnen werden sich kaum davon überzeugen lassen, dass ein Scheitern der Atomverhandlungen allein Teheran anzulasten ist. Das wäre ein sehr hoher Preis – gerade in einer Zeit, in der sich die internationale Ordnung neu sortiert."