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KonflikteIran

Flucht aus Teheran: Staus, Panik, kein Schutz

16. Juni 2025

Städte im Iran haben weder Luftschutzkeller noch Warnsysteme. Im Konflikt zwischen Israel und dem Iran gerät die Zivilbevölkerung immer mehr zwischen die Fronten.

Iran Teheran 2025 | Verkehrsstau bei Flucht aus der Hauptstadt
Massive Verkehrsstaus auf den Ausfallstraßen von Teheran: Wer kann, versucht die Hauptstadt zu verlassenBild: IRNA

Zahlreiche Videos aus Teheran, die in den sozialen Netzwerken kursieren oder direkt an Verwandte im Ausland geschickt werden, zeigen kilometerlange Staus auf den Autobahnen. Wer kann, versucht die Stadt zu verlassen. Vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen und der Treibstoff wird knapp. 

"Es ist schwer zu fassen, wir sind mitten in einem Krieg", berichten Augenzeugen. "Du weißt nicht, wann - und noch schlimmer - wo die nächste Rakete einschlagen könnte."

Die israelische Armee hat am vergangenen Freitag, dem 13. Juni, einen Angriff auf den Iran gestartet, um das iranische Atomprogramm auszuschalten. Dabei wurden iranische Atomanlagen, Einrichtungen zur Herstellung und Wartung von Raketen bombardiert und auch Öl- und Erdgasfelder attackiert. Außerdem wurden Atomwissenschaftler und Funktionäre der Revolutionsgarde gezielt in ihren Wohnungen getötet. Der Iran reagierte mit Raketenangriffen, die in mehreren israelischen Städten einschlugen. Bis Montagmorgen stieg die Zahl der Todesopfer in Israel laut Angaben der dortigen Behörden auf mindestens 24. Knapp 600 weitere Menschen wurden verletzt. 

Im Gegensatz zu israelischen Städten gibt es in der iranischen Hauptstadt mit über 15 Millionen Einwohnern keine Luftschutzräume. Viele der Ziele, die seit Freitag in Teheran getroffen wurden, befinden sich mitten im städtischen Raum. Auch anderswo im Land verfügt der Iran über keine Schutzräume und keinerlei Frühwarnsysteme.

Laut dem Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums, Hossein Kermanpour, kamen bis Sonntagnachmittag bei den israelischen Angriffen 224 Menschen ums Leben. Über 1.200 weitere wurden verletzt und befinden sich in Universitätskliniken des Landes. Mehr als 90 Prozent von ihnen seien Zivilisten. Die Angaben der Konfliktparteien lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Macht- und Schutzlose Zivilisten

"Iranische Zivilisten sind zwischen die Fronten geraten", sagte die iranisch-amerikanische Analystin Holly Dagres. Als Senior Fellow beim Washington Institute betonte sie am Sonntag gegenüber der DW, wie wichtig es sei, die Notlage der "machtlosen, einfachen Iraner" zu erkennen - jener Menschen, "die keine Luftschutzsirenen haben, die sie warnen".

Sie betonte: "Die Iraner sind derzeit tief erschüttert und verängstigt. Sie sind auch wütend, weil sie mittendrin stecken. Seit 46 Jahren leben sie in einer Islamischen Republik, die im Grunde Krieg gegen ihr eigenes Volk führt. Diese Situation ist das Ergebnis der Entscheidungen eines Regimes, das die Menschen längst nicht mehr wollen. Doch obwohl immer mehr zivile Opfer zu beklagen sind, wünschen sich die Iraner keinen Krieg und kein Blutvergießen. Sie sind in dieser Lage vollkommen machtlos."

Rauchwolken über Teheran nach israelischem Luftangriff auf die iranische HauptstadtBild: Khoshiran/Middle East Images/IMAGO

 

Viele wissen nicht, wie sie sich schützen und wohin sie fliehen können. Fatemeh Mohajerani, Sprecherin der iranischen Regierung, empfahl der Bevölkerung am Sonntag im staatlichen Fernsehen, Schutz in U-Bahn-Stationen, Moscheen und Schulen zu suchen. Man werde sicherstellen, dass diese rund um die Uhr zugänglich seien. Diese Aussage löste eine Welle der Empörung in den sozialen Netzwerken aus. Viele iranische Nutzer, die teils noch unter ihren realen Namen aktiv sind, fragten: "Welche unserer Schulen oder Moscheen wurden je als Raketenschutzräume gebaut?"

"Dies ist kein Krieg zwischen dem iranischen und dem israelischen Volk - und er muss so schnell wie möglich beendet werden", schreibt der Soziologe Mehrdad Darvishpour an die DW. Der Professor an der Universität Mälardalen in Schweden betont weiter: "Die einzige Möglichkeit, weitere unkontrollierbare Zerstörung durch diesen Krieg zu verhindern, besteht für alle, die sich für Frieden und Demokratie einsetzen, darin, weltweiten Druck auszuüben, um die israelischen Angriffe zu stoppen und den Iran zu Verhandlungen zu bewegen."

"Evakuieren Sie sich"

Angst und Ratlosigkeit in der iranischen Bevölkerung wachsen weiter. Am Montagmorgen drohte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz nach den nächtlichen iranischen Angriffen mit weiteren Toten in Israel mit einer direkten Vergeltung gegen die iranische Hauptstadt: "Die Bewohner von Teheran werden den Preis bezahlen - und zwar bald", schrieb Israel Katz. Einige Stunden später relativierte Katz jedoch seine Aussage: "Ich möchte das Offensichtliche klarstellen: Es besteht nicht die Absicht, den Einwohnern Teherans Schaden zuzufügen - so wie es der mörderische Diktator den Einwohnern Israels antut", erklärte er.

"Wir sagen den Bürgern von Teheran: 'Evakuieren Sie sich! Und wir ergreifen Maßnahmen", warnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montag. Doch wohin die Menschen fliehen sollen und wo sie wirklich sicher seien - darüber gibt es keine Informationen.

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