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PolitikAsien

Neue Gesetze gegen Proteste an Irans Unis

29. November 2022

Als Mittel gegen die Studentenproteste haben iranische Abgeordnete ein neues Strafgesetz ersonnen. Iranische Studierende in aller Welt planen unterdessen Solidaritätsaktionen.

Sitzstreik an der Polytechnischen Universität Teheran
Sitzstreik an der Polytechnischen Universität Teheran Bild: SalamPix/ABACA/picture alliance

Wie viele Studierende in den vergangenen Monaten im Iran verhaftet wurden, wollen weder die Justiz noch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie bekannt geben. Seit Anfang des Wintersemesters am 24. September finden in den Universitäten des Irans Protestaktionen statt. "Überall werden Überwachungsvideos installiert", sagt eine 21-jährige Studentin aus Teheran im Gespräch mit der DW. "Die Protestaktionen gehen aber weiter. Die Studierenden finden immer wieder kreative Formen der Proteste. Momentan sind zum Beispiel Papierboote zum Zeichen des Widerstands geworden." Papierboote und Gesichtsmasken, die die Studierenden während ihrer Protestaktionen aufsetzten, um von Überwachungskameras nicht erkannt zu werden, stünden an vielen Universitäten mittlerweile auf der Liste verbotener Gegenstände.

Psychischer Druck 

Auf die Papierboote schreiben die Studierenden die Namen getöteter Demonstranten. Diese Protestform ist seit den tödlichen Schüssen auf den zehnjährigen Kian Pirfalak in der Stadt Izeh im Süden Irans zum Symbol des Widerstands geworden.

Protestaktion an der "Iran University of Science and Technology"Bild: UGC

Laut Menschenrechtsorganisationen wurden bei den landesweiten Protesten nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam mindestens 445 Demonstranten getötet, darunter mehr als 60 Minderjährige. Kian Pierfalak und die siebenjährige Hasti Narouyi aus Zahedan gehören zu den jüngsten unter ihnen.

Um die Protestaktionen der Studierenden zu beenden, haben Parlamentarier ein neues Strafgesetz entworfen. Die Nachrichtenagentur Farsnews, die den Revolutionsgarden nahesteht, berichtete vergangene Woche von einer "Gruppe von Parlamentariern und Experten", die einen Entwurf für schärfere Strafmaßnahmen gegen Protestierende an den Universitäten vorbereitet hätten. Der Entwurf sieht demnach vor, dass Verstöße gegen Normen wie die Geschlechtertrennung in der Mensa, "Beleidigung der Heiligtümer", dazu zählt auch Kritik am geistlichen Führer, oder "Chaos" genügen, mit Geldstrafen und Ausreiseverbot von bis zu zehn Jahren bestraft werden zu können. 

"Das ist beängstigend. Damit wollen sie den psychischen Druck auf die Studierenden erhöhen", glaubt die 27-jährige Studentin Paria (Name geändert) im Gespräch mit der DW. Paria kam vor drei Jahren zum Studium nach Deutschland.

Solidarität iranischer Auslandsstudenten 

Der Iran, ein Land mit 84 Millionen Einwohnern, zählt mehr als 200 Universitäten und Hochschulen. Das Land hat momentan über drei Millionen Studierende. Viele von diesen jungen Menschen verlassen nach dem Abschluss ihres Studiums den Iran, um sich im Ausland weiter zu qualifizieren. Im Jahr 2021 studierten ungefähr 130.000 im Iran geborene Personen im Ausland. Viele von ihnen unterstützen ihre Landesleute und die Proteste im Iran.

In mehr als 150 Universitäten in den USA, Kanada, Europa, Asien und Australien sollen an diesem Mittwoch Veranstaltung stattfinden, um auf die Lage der Protestierenden im Iran aufmerksam zu machen. Yasmin Fattahiamin hat eine geplante Veranstaltung in der Berliner Humboldt-Universität mitorganisiert. Im Gespräch mit der DW sagt die Studentin: "Wir sind in engem Kontakt mit Studierenden im Iran und wissen, unter welchem enormem Druck sie stehen. Unsere Solidarität mit ihnen kann auch Konsequenzen für uns haben, aber das ist alles, was wir für sie tun können."

Auch die Studentin Paria wird in der Humboldt-Universität dabei sein. "Studierende, die friedlich protestieren, riskieren viel", berichtet sie. "Sie können jeder Zeit mit Studierverbot belegt werden. Die Möglichkeit, das Land verlassen zu können, um sich weiterzuentwickeln, ist für viele von uns sehr wichtig. Mit dem Ausreiseverbot machen die Regierenden das Land zu einem großen Gefängnis. Es wurden sogar neue Richtlinien zur Disziplinarordnung an den Universitäten verabschiedet, die der Universitätsleitung weitreichende Möglichkeiten einräumt, um protestierende Studenten zu bestrafen", erklärt Paria.

Disziplinarmaßnahmen ausgeweitet

Die neuen Richtlinien zur Disziplinarordnung an den Universitäten wurden vom Obersten Rat der Kulturrevolution beschlossen und gestern zur Umsetzung an die Universitäten des Landes übermittelt. Diese Richtlinien erlauben unter anderem der Universitätsleitung, unliebsamen Studierenden den Zutritt zum Universitätsgelände zu verbieten oder sie für bis zu fünf Jahren vom Lehrbetrieb auszusperren. Studierende aus dem Iran berichten, dass sie zum Teil per SMS darüber informiert werden, wenn ihnen der Zutritt zu Wohnheimen oder die Nutzung von Einrichtungen wie der Mensa untersagt wurden.

Auch soll die Universitätsleitung die Namen protestierender Studenten an Sicherheitskräfte in Zivil weitergegeben haben; sie wurden später außerhalb der Universitätsgeländes verhaftet. Inzwischen sind erste Studenten bereits verurteilt worden. Einer von ihnen ist Mohammed Gholamzadeh, der an der Universität Teheran im Fach Politikwissenschaften promoviert. Gholamzadeh wurde am 14. November ohne Zugang zu einem Anwalt vor Gericht gestellt. Der zuständige Richter Salavati, bekannt für Schauprozesse gegen politische Gefangene, hat Gholamzadeh wegen seiner Teilnahme an einer friedlichen Protestversammlung an der Uni zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Darüber hinaus darf zwei Jahre lang nicht an zivilgesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen, und den Iran für zwei Jahre nicht verlassen.

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