Atomstreit: Iran zwischen Stillstand und Hoffnung auf Lösung
23. Oktober 2025
Ein Angebot von US-Präsident Donald Trump, neue Gesprächen über das iranische Atomprogramm aufzunehmen, lehnte der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, kürzlich ab: "Wenn ein Abkommen mit Zwang einhergeht und sein Ergebnis bereits vorbestimmt ist, handelt es sich nicht um einen Deal, sondern um Aufdrängung und Schikane", sagte der 86-Jährige, der als das politische und religiöse Oberhaupt der Islamischen Republik das letzte Wort in allen Angelegenheiten hat. Chamenei wies gleichzeitig Trumps Behauptung zurück, die USA hätten die atomaren Fähigkeiten des Iran zerstört.
"Die Islamische Republik glaubt, sie könnte punkten, wenn sie Stärke zeigt", erläutert der israelische Nahost-Experte Menashe Amir auf Nachfrage der DW. Als persisch-stämmiger Jude hatte Menashe Amir seine Karriere als Journalist noch vor der Islamischen Revolution im Iran begonnen. Er beobachtet und analysiert die Politik der Islamischen Republik seit ihrer Gründung 1979.
"Einflussfaktoren in der Region verloren"
"Die Strategie, Stärke zu demonstrieren, könnte diesmal für den Iran fehlschlagen", sagt er und fügt hinzu: "Der Iran hat viele seiner Einflussfaktoren in der Region verloren, darunter die Hamas, die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Rebellen im Jemen sowie mehrere Stellvertretergruppen im Irak und in Syrien."
Wenn die iranische Führung nicht bereit sei, zumindest öffentlich von ihrer konfrontativen Politik gegenüber dem Westen abzurücken, könnte dies einen weiteren Krieg unvermeidlich machen, warnt der Nahost-Experte.
Seit der Revolution von 1979 erkennt die Führung der Islamischen Republik das Existenzrecht Israels nicht an und droht regelmäßig mit dessen Vernichtung. Sie versteht sich als Kern des "wahren Widerstands gegen Imperialismus und Besatzung".
Im Juni hatten israelische und US-amerikanische Streitkräfte in einem zwölftägigen Krieg iranische Atomanlagen angegriffen. Westliche Staaten werfen dem Iran seit langem vor, heimlich an Atomwaffen zu arbeiten. Teheran bestreitet dies und betont, das Atomprogramm diene ausschließlich zivilen Zwecken und der Energiegewinnung.
Keine Zusammenarbeit mit der IAEA - oder vielleicht doch?
Nach dem Wiedereinsetzen aller UN-Sanktionen gegen den Iran mit der Aktivierung des Snap-Back-Mechanismus durch die E3-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) am 28. August 2025 betrachtet der Iran die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) als überflüssig.
Ein in Kairo unter ägyptischer Vermittlung mit der IAEA geschlossenes Abkommen werde der Iran nicht umsetzen, erklärte der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, Ali Laridschani, der zu Wochenbeginn in den Irak gereist war. Gleichzeitig relativierte er diese Aussage aber gegenüber der Nachrichtenagentur IRNA: "Sollte die Atomenergiebehörde diesbezüglich einen Antrag stellen, (Inspektoren in den Iran zu schicken), muss sie ihn dem Sekretariat des Obersten Nationalen Sicherheitsrats zur Prüfung vorlegen."
"Zweifellos ist das Konfliktrisiko sehr hoch, aber die Aussagen von Ali Chamenei und Ali Laridschani zeigen, dass die Islamische Republik das Abkommen noch nicht vollständig aufkündigen will", sagt der Nahost-Experte Hamidreza Azizi, Wissenschaftler an der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, im DW-Gespräch. "Sie befürchten, mit einem unüberlegten Schritt Israel oder den USA einen Anlass für einen Militärschlag zu liefern."
Aziz weist darauf hin, dass die iranische Führung bereits vor dem Zwölf-Tage-Krieg mit einem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag gedroht hatte. Diese Drohung setzte sie jedoch nicht um. Stattdessen versuchte sie, eine Einigung mit der IAEA zu erzielen, um die Aktivierung des Snap-Back-Mechanismus zu verhindern - vergeblich.
Eine ähnliche Situation bestehe auch heute, sagt Azizi. "Die Führung der Islamischen Republik steckt in einem Dilemma. Einerseits will sie nicht, dass ihre früheren Drohungen wirkungslos und leer erscheinen, andererseits könnte jedes harte und rücksichtslose Vorgehen zum Anlass für einen israelischen Angriff auf iranische Atomanlagen werden."
Krisenmanagement statt klarer Plan
Laut Azizi versucht Ali Laridschani einen Mittelweg zur Bewältigung der Krise zu finden, da es derzeit keinen klaren Ausweg aus der Situation gebe. "Was wir derzeit erleben, ist wieder eine Art Krisenmanagement-Strategie der Islamischen Republik, die lediglich Zeit gewinnen will, bis eine Lösung gefunden ist."
So wurden die indirekten Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA nicht abgebrochen. Der Iran verhandelt parallel auch mit Europa. Am 22. Oktober wurde bekannt, dass Frankreich und der Iran offenbar kurz vor einem Austausch von Häftlingen stehen.
Teheran begrüßte am Mittwoch die Freilassung einer iranischen Studentin aus französischer Haft unter Auflagen. Das iranische Außenministerium erklärte, man werde sich weiterhin um ihre vollständige Freilassung bemühen. Bereits am Dienstag hatte die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim unter Berufung auf einen Vertreter des Außenministeriums berichtet, die Studentin werde für einen Gefangenenaustausch vorbereitet.
Unklar ist bislang, wer im Gegenzug auf französischen Wunsch freikommen soll. Medienberichten zufolge könnten es zwei französische Staatsbürger sein, die seit 2022 im Iran festgehalten werden. Sie waren in der vergangenen Woche wegen Spionagevorwürfen zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Paris bezeichnete die Vorwürfe als "unbegründet". Beobachter sprechen von einer politischen Geiselnahme.
Der Iran nutzt die Inhaftierung westlicher Staatsbürger regelmäßig als Druckmittel, um seine politischen Forderungen durchzusetzen und in Verhandlungen Zugeständnisse zu erreichen.