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KonflikteIran

Iran zwischen Widerstand und Pragmatismus

15. Oktober 2025

Trumps "Gaza-Plan“ schafft neue Realitäten im Nahen Osten. Dem Iran bleiben nur wenige Optionen.

Iran 2025 Tehran | Israel führt weiterhin Luftangriffe gegen den Iran durch
Der zwölftägige Krieg im Juni legte die Schwächen der iranischen Verteidigung offen. Dieser während des Krieges ausgebrannte Krankenwagen wurde zur Schau gestellt, um die "Boshaftigkeit der Feinde" zeigen. Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire

"Israel ist nicht an einer Eskalation der Spannungen mit Teheran interessiert", erklärte Wladimir Putin am 9. Oktober in Tadschikistan gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS. Russland pflege "vertrauensvolle Kontakte zu Israel" und erhalte Signale, "dass Israel an keiner Konfrontation interessiert ist". Auch Teheran wolle "am Frieden arbeiten", so Putin. Er betonte zugleich aber: Der Iran "darf keine Atomwaffen besitzen."

Ob Israls Botschaft aufrichtig gemeint, strategische Täuschung oder Teil russischer Eigeninteressen ist, bleibe offen, meint Arman Mahmoudian, Experte für internationale Angelegenheiten. "Iranische Medien berichteten, dass der Iran russische Suchoi-Su-35-Kampfflugzeuge gekauft hat. Sollte Russland diese tatsächlich liefern, wäre das trotz des Ukraine-Kriegs ein Zeichen Unterstützung für Teheran."

Der Dozent an der University of South Florida fügte hinzu: "Möglich ist, dass Netanjahu versucht, Moskau davon zu überzeugen, keine Kampfflugzeuge zu liefern, und daher erklärt hat, den Iran nicht angreifen zu wollen. Ich weiß nicht, ob Netanjahu mit Putin taktische Spiele treiben will. Die beiden kennen sich seit Jahren, und Bibi (Netanjahu) betont selbst in seinen Memoiren, man solle gegenüber Putin stets direkt sein."

Ein Krieg, der Schwächen offenlegte

Der zwölftägige Krieg im Juni legte die Schwächen der iranischen Luftwaffe offen, als Israel zahlreiche Ziele im Iran aus der Luft angriff. Die USA stiegen in den Krieg ein und bombardierten iranische Atomanlagen. Die israelisch-amerikanischen Angriffe seien "wichtige Schritte auf dem Weg zu einer Einigung im Gazastreifen" gewesen, erklärte US-Präsident Donald Trump letzte Woche.

Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als existentielle Bedrohung. Die iranische Führung erkennt Israel nicht an und droht regelmäßig mit dessen Vernichtung.

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Trump rief den Iran zu einer außenpolitischen Kurswende auf und erklärte in der Knesset: "Nichts wäre besser für die Region, als wenn der Iran sich von Terroristen lossagt und Israels Existenzrecht anerkennt." Später kündigte er in Ägypten an, die Sanktionen aufzuheben, falls Teheran zu Verhandlungen bereit sei. Der Iran war zwar zu der Sitzung in Scharm El Scheich eingeladen, nahm jedoch nicht teil.

Chronische Entscheidungsunfähigkeit

Der in Paris lebende Iran- und Kommunikationsexperte Mojtaba Najafi sieht darin den Ausdruck eines Systems, das "seine Entscheidungsfähigkeit verloren hat". Es sei mit komplexen Krisen konfrontiert und bleibe unfähig, ideologische Schranken zu überwinden, die die Diplomatie behindern.

Im Gespräch mit der DW sprach Najafi von einem "verzögerten Pragmatismus": Die Islamische Republik greife seit ihrer Gründung 1979 erst zu rationaleren Ansätzen, wenn es bereits zu spät sei.

Auch in iranischen Medien gab es Kritik an der Entscheidung. Kommentatoren erinnerten daran, dass der Iran selbst mit Saddam Hussein verhandelt hatte, der 1980 den Iran angriff und damit einen achtjährigen Krieg begann - mit über einer Million Todesopfern.

Außenamtssprecher Esmaeil Baghaei reagierte am 14. Oktober mit der Erklärung: "Das Spiel auf der internationalen Bühne beschränkt sich nicht auf physische Anwesenheit." Die Beendigung des Gaza-Kriegs habe für den Iran oberste Priorität, und der diplomatische Weg bleibe offen.

"Ein Waffenstillstand in Gaza hat für den Iran Vor- und Nachteile", meint Arman Mahmoudian. "Der Vorteil ist, dass ein Thema vorerst vom Tisch ist, das den Konflikt zwischen Iran und Israel verschärfte, nämlich die Situation in Palästina und im Gazastreifen. Andererseits könnte das sogenannte Gaza-Modell, sollte es zur Entwaffnung der Hamas führen, von den USA und Israel mit Unterstützung arabischer Länder auch auf die Hisbollah im Libanon angewendet werden."

Dysfunktionale Achse des Widerstands?

Die schiitische Hisbollah in Libanon gehört zu der vom Iran unterstützten "Achse des Widerstands", einem Netzwerk von Milizen in der Region, das als Antwort auf den von US-Präsident George W. Bush geprägten Begriff der "Achse des Bösen" entstand.

Die Führung in Teheran sieht sich selbst als Kern des "wahren Widerstands gegen Imperialismus und Besatzung". Ihre sogenannte "Achse des Widerstands" hat allerdings den Iran nicht nur hunderte Milliarden Dollar gekostet, sondern das Land auch international isoliert.

Nach der gezielten Tötung mehrerer Schlüsselfiguren, darunter Hamas-Politchef Ismail Hanijeh, Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und schließlich dem Sturz Baschar al-Assads in Syrien 2024, ist dieses Netzwerk nahezu zusammengebrochen.

"Syrien ist verloren. Hanijeh wurde in Teheran ermordet. Die Hisbollah ist ausgeschaltet. Können wir vor diesem Hintergrund noch von Sieg und Abschreckung sprechen?", fragte der Verteidigungsexperte Mehdi Motaharnia, ehemaliger Professor der Universität Sayad Shirazi, Anfang des Jahres im Interview mit der Plattform Azad in Teheran. "Diese Strategie funktioniert nicht mehr".

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Diese Kritik wird nun offen im Iran geteilt. So erklärte der ehemalige Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsausschusses im Parlament, Heshmatollah Falahatpisheh, am 14. Oktober auf der Plattform X (vormals Twitter): "85 % der Iraner würden in einem Referendum für ein Ende der Spannungen mit der Welt stimmen. Wir haben durch den Konflikt mit Israel und dem Westen über 700 Milliarden Dollar verloren. Den arabisch-israelischen Krieg in einen iranisch-israelischen zu verwandeln, war die größte Lüge der Geschichte der Islamischen Republik".

Investitionen in der Luftwaffe

Die Unfähigkeit der vom Iran unterstützten Milizen, die einen möglichen direkten Krieg mit dem Iran verhindern sollten, wurde im Zwölf-Tage-Krieg offenbar. Dass sie keine Rolle spielten, sei in Teheran erkannt worden, sagt Arman Mahmoudian.

Auch wenn sich der politische Wille nicht geändert haben sollte, hätten sich die Bedingungen in der Region gewandelt. "Selbst wenn der Iran über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, könne er derzeit keine militärische Unterstützung leisten, da Syrien als Brücke für Teheran verloren ist."

Der Iran werde daher versuchen, seine militärischen Fähigkeiten im Land, insbesondere seine Luftwaffe mit modernen Kampfjets aus China oder Russland, auszubauen. Auch Raketen mit größerer Reichweite, die eine abschreckende Wirkung entfalten sollen, dürften dazugehören.

"Welche politischen Entscheidungen Teheran in Bezug auf Trumps Angebot für Verhandlungen treffen werde, sei jedoch schwer vorherzusagen", sagt der Experte für internationale Angelegenheiten. "Das wichtigste Druckmittel in möglichen Verhandlungen bleiben die rund 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran, dessen Verbleib der Westen bislang nicht genau kennt."

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