1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Iraner in Schweden wegen Massenhinrichtungen verurteilt

14. Juli 2022

Ein schwedisches Gericht hat einen Iraner wegen Beteiligung an Hinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihm werden Völkerrechtsverbrechen und Mord zur Last gelegt.

Schweden | Prozess Hamid Noury
Demonstranten, vor allem Anhänger der Volksmudschaheddin, warten vor dem Bezirksgericht in Stockholm auf das UrteilBild: Simon Johnson/REUTERS

Die Richter in Stockholm teilten bei der Urteilsverkündung mit, die Ermittlungen hätten gezeigt, dass der Angeklagte gemeinsam mit anderen an den als schwere Verbrechen gegen das Völkerrecht sowie als Mord eingestuften Straftaten beteiligt gewesen sei. Hamid N. habe Häftlinge unter anderem zur Hinrichtungsstätte geführt.

Der Fall hängt mit dem Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak von 1980 bis 1988 zusammen. Gegen Kriegsende war der Iran nach Angaben der schwedischen Staatsanwaltschaft von einem bewaffneten Zweig der politischen Organisation Volksmudschahedin mehrfach angegriffen worden. Die iranische Führung wurde immer wieder beschuldigt, daraufhin Hinrichtungen von Sympathisanten der Gruppe angeordnet zu haben. Im Sommer 1988 sollen im Gefängnis Gohardascht in Karadsch bei Teheran Massenhinrichtungen stattgefunden haben. Das Gericht sprach von "einer sehr großen Anzahl von Häftlingen", die getötet wurden.

Der heute 61-jährige Angeklagte war demnach Assistent des stellvertretenden Anklägers in Gohardascht gewesen. Er war Ende 2019 nach der Landung am schwedischen Flughafen Arlanda festgenommen worden, nachdem ihn Überlebende ins Land gelockt hatten.

Schwedisch-iranischer Konflikt vorprogrammiert

Hamid N. bestritt im Prozess die Vorwürfe, auch die iranische Regierung und Justiz hatten sie entschieden zurückgewiesen. Sie bezeichneten den Prozess als politische Show auf Grundlage falscher Informationen seitens iranischer Oppositionsgruppen. Allerdings haben zahlreiche Zeugen und Nebenkläger den Angeklagten nach eigenen Angaben im Prozess wiedererkannt.

Das iranische Außenministerium nannte das Urteil in einer ersten Reaktion politisch motiviert. "Für die Islamische Republik Iran ist es klar und gewiss, dass der Fall von Hamid N. nur eine Ausrede für eine politische Aktion ohne echte Belege und legale Basis war", sagte Ministeriumssprecher Nasser Kanaani der Nachrichtenagentur Fars zufolge. Schweden müsse nun mit politischen Konsequenzen rechnen.

Agierte die iranische Justiz bereits vorauseilend?

Im Mai hatte die iranische Justiz unerwartet bekanntgegeben, dass der inhaftierte schwedisch-iranische Mediziner Ahmad-Resa J. wegen Spionage für Israel zum Tode verurteilt worden sei. Teheran wies einen Zusammenhang mit dem Prozess in Schweden zurück. Beobachter sind jedoch der Auffassung, dass genau dies der Fall gewesen sei. Daher sei auch die für Ende Mai geplante Hinrichtung des Mediziners verschoben worden, um das Urteil in Stockholm abzuwarten. Die Verurteilung könnte nun zu weiteren politischen Spannungen führen. Der damalige für die Verfahren gegen Oppositionelle zuständige Richter war Ebrahim Raisi - der heute amtierende iranische Präsident.

In der Schlussphase des Iran-Irak-Krieges wurden tausende Iraner in ihrem Heimatland hingerichtet. Die Exekutionen von geschätzt rund 5000 Gefangenen erfolgten auf Befehl von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, dem Gründer der Islamischen Republik, und richteten sich vor allem gegen Angehörige der Volksmudschaheddin.

qu/ie (dpa, afp, ap)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen