Iranerin verbrennt sich wegen Stadionverbot
10. September 2019Sahar Khodayari hat sich bereits am 1. September vor dem Islamischen Revolutionsgericht in Teheran mit Benzin übergossen und angezündet. Das Bekanntwerden dieser Verzweiflungstat in der vergangenen Woche hat viele Iraner schockiert. Erst heute meldeten iranische Medien, dass die Frau am Freitag an ihren schweren Verbrennungen im Krankenhaus gestorben sei.
Sahar Khodayari war 29 Jahre alt und wollte nicht ins Gefängnis. Ihr drohten bis zu sechs Monate Haft. Als Mann verkleidet hatte sie sich in ein Fußballstadion eingeschlichen. Der Besuch von Fußballspielen aber ist Frauen und Mädchen im Iran verboten. Sahar war Fan des Fußballvereins Esteghlal Tehran. Die Spieler laufen in blauen Trikots auf. Mit einem langen blauen Mantel wollte sie am 12. März ins Stadion, um das Spiel von Esteghlal gegen den Verein al-Ain aus den Vereinigten Arabischen Emiraten live mitzuerleben. Sie wurde verhaftet und kam ein paar Tage später auf Kaution frei, bis zur ihrer Gerichtsverhandlung am 1. September.
Behörden wollen "keinen Ärger"
"Sie war nicht nur das 'blaue Mädchen'. Sahar war das Mädchen eines Landes, wo Männer entscheiden, was Frauen tun oder lassen müssen. Wir sind alle verantwortlich für ihre Verhaftung und Verbrennung", schreibt Parvaneh Salahshouri, Vorsitzende der Frauenfraktion im iranischen Parlament, auf ihrem Twitter-Account. Reformorientierte Abgeordnete hatten in den letzten Tagen mehrmals das Schicksal des "blauen Mädchens" im Parlament thematisiert.
"Ihre Familie wurde verwarnt und darf nicht mehr mit den Medien sprechen", sagt Maziyar Bahari, iranisch-kanadischer Journalist und Filmemacher im DW-Interview. Bahari steht in direktem Kontakt zur Sahars Familie: "Sahar ist am Freitag gestorben, und die Sicherheitsbehörden haben sie sofort beerdigt. Die Behörden haben der Familie gesagt: 'Ihre Tochter hat uns genug Ärger gebracht, wir wollen von euch nichts mehr hören.' Die Angehörigen wurden massiv eingeschüchtert".
Lösungsversuche und internationaler Druck
Der Fall Sahar Khodayari hat die iranische Gesellschaft aufgewühlt. Das Stadionverbot für Frauen wird religiös begründet und ist seit langem ein heikles Thema im Iran. Daran will die Regierung trotz landesweiter Proteste festhalten. "Unter den derzeitigen Umständen ist die Anwesenheit der Frauen in den Stadien nicht ratsam", sagte Mahmud Waesi, Stabschef von Präsident Hassan Ruhani. Die Regierung habe zwar grundsätzlich keine Einwände, aber im Vorfeld müssten die "moralischen Voraussetzungen" erfüllt werden. Dies aber sei noch nicht der Fall, weil es weiterhin seitens der männlichen Fans "vulgäre Beschimpfungen" in den Stadien gebe. Solch eine Atmosphäre sei für islamische Frauen nicht geeignet.
Doch viele Frauen wollen das nicht akzeptieren. Sie protestieren immer wieder vor den Stadien und haben sich mehrmals an den Weltfußballverband FIFA gewandt. Bei der WM in Russland 2018 war der Iran das einzige Teilnehmerland mit Frauenverbot im eigenen Land. Die FIFA hat den Iran auffordert, das Verbot aufzuheben, ansonsten sei die Teilnahme des Landes an der WM 2022 gefährdet. Der moderate Präsident Hassan Ruhani hatte mehrmals versucht, das Problem zumindest teilweise zu lösen: mit einer Extratribüne für Frauen in verschiedenen Teheraner Stadien. Bis jetzt ist er mit diesen Plänen jedoch am Widerstand der Kleriker gescheitert.
Wut im Iran
Nun sind viele Iraner wütend und verzweifelt. Der ehemalige Nationalmannschaftskapitän Masoud Shojaei schreibt auf Instagram: "Das Stadionverbot für Frauen ist einfach ekelhaft und kommt von faulen Köpfen." Dariush Mostafavi, ehemaliger Leiter des iranischen Fußballverbands, sagte in einem Interview: "Die Liebe zum Fußball ist eine reine Liebe. Das Motto des Nationalen Olympischen Komitees ist die Freiheit der Menschen. Was wird die Welt von uns denken, wenn sie herausfindet, was hier passiert ist?"
Und genau das wollen iranische Frauen nun mitteilen. Sie schreiben unter dem Hashtag #BlueGirl auf Englisch in ihren Twitter-Accounts und tragen die Geschichte des "blauen Mädchens" in die Welt.