Iranische Frauen: Zwischen Krise und Kampf um Rechte
7. März 2025
Der Iran steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, verursacht durch Korruption, Misswirtschaft und die verschärften US-Sanktionen nach der Rückkehr von Präsident Trump ins Weiße Haus. "Wir spüren es deutlich, dass wir von Monat zu Monat ärmer werden", erzählt Narges (Name geändert) auf Nachfrage der DW. Die 36-jährige Künstlerin lebt in der Provinz Sistan und Belutschistan im Südosten Irans. "Viele von uns arbeiten entweder im Dienstleistungsbereich oder in kleinen Handwerksbetrieben, die immer weniger Kunden haben."
Narges gehört zu einer Generation von Frauen, die es dank Online-Plattformen und sozialer Netzwerke geschafft haben, trotz aller Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Sie arbeiten von zu Hause aus und verkaufen ihre Produkte online.
Ihr Einkommen spielt eine entscheidende Rolle für ihre Familien. Die Provinz Sistan und Belutschistan ist zwar reich an Bodenschätzen wie Gold, Silber, Kupfer und anderen Metallen, gehört aber zu den ärmsten Regionen des Landes. Die Belutschen, mehrheitlich Sunniten, damit aber eine Minderheit im schiitisch geprägten Iran, leiden unter Dürre und Wasserknappheit und beklagen seit Jahrzehnten die systematische Diskriminierung durch die Zentralregierung in Teheran.
"Die aktuelle Wirtschaftskrise hat noch mehr Familien unter die Armutsgrenze gedrückt", sagt Narges. Wenn die Ressourcen knapp werden, fällt die undankbare Aufgabe den Frauen zu, darüber zu entscheiden, worauf die Familie verzichten kann und wofür noch Geld ausgegeben wird. Und sie verzichten oft zuerst auf ihre eigenen Bedürfnisse.
Frauen besonders hart getroffen
Seit dem Amtsantritt von Präsident Masoud Peseschkian im August 2024 hat die iranische Währung noch einmal massiv an Wert verloren. Der Wechselkurs fiel von 50.000 Toman auf 93.000 Toman pro US-Dollar, was einem Wertverlust von etwa 50 Prozent innerhalb weniger Monate entspricht. Offiziell liegt die Inflationsrate bei 31 Prozent, tatsächlich sind viele Produkte und Dienstleistungen inzwischen mehr als doppelt so teuer wie zuvor.
Bereits vor der aktuellen Krise lebte knapp ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Laut einem Bericht des Forschungszentrums des iranischen Parlaments konnten mehr als 30 Prozent der Menschen ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht mehr decken.
"Berufstätige Frauen, vor allem alleinerziehende Mütter, leiden unverhältnismäßig stark unter diesen Umständen. Viele von ihnen befinden sich in einer akuten Existenzkrise", warnt die Gewerkschaftsaktivistin Simin Yaqoubian Ende Februar im Gespräch mit der staatlichen Nachrichtenagentur ILNA. "Die Arbeitnehmerinnen wissen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern und ein Dach über dem Kopf behalten sollen."
Trotz der gestiegenen Zahl von Politikerinnen in der neuen Regierung und Peseschkians Versprechen, sich für Frauenrechte einzusetzen, bleibt die Realität für viele Frauen bitter. "Welche konkreten Verbesserungen hat das für Frauen gebracht? Welche rechtlichen Verbesserungen gibt es für Frauen, Mütter oder Alleinerziehende?" fragt Yaqoubian. "Vor allem im Dienstleistungssektor werden Frauen systematisch ausgebeutet. Sie arbeiten länger und verdienen weniger."
Die wirtschaftliche Beteiligung von Frauen im Iran gehört zu den niedrigsten weltweit. Laut TheGlobalEconomy.com lag die Erwerbsquote von Frauen 2023 bei nur 14,38 Prozent und damit weit hinter Ländern wie Saudi-Arabien oder Oman, wo sie doppelt zu hoch ist und bei 30 Prozent liegt. Und wenn sich die Krise verschärft, verlieren Frauen oft als Erste ihre Jobs, so wie Maryam (Name geändert).
Die 36-jährige Politikwissenschaftlerin Maryam leidet an Thalassämie, einer genetisch bedingten Blutkrankheit. Es gibt aber kaum flexibles Arbeiten oder Homeoffice für qualifizierte Fachkräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen. "Wegen meiner Krankheit wurde ich entlassen und lebe jetzt bei meinen Eltern", schreibt sie der DW. Bis vor Kurzem arbeitete sie in einem Bildungsinstitut. "Mein Vater bezahlt jetzt meine Medikamente, die immer teurer werden. Wir gehörten zur Mittelschicht, aber inzwischen spüren auch wir den massiven wirtschaftlichen Druck. Ich versuche, mich durch freiwillige Arbeit in einem Verein für Thalassämie-Patienten nützlich zu machen."
Ein Hoffnungsschimmer wurde zerschlagen
Neben dem wirtschaftlichen Druck wächst auch der staatliche Druck auf Aktivistinnen und zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere auf Frauenrechtlerinnen. Die bekannte Anwältin Marzieh Mohebi musste das Land verlassen und lebt inzwischen in Frankreich. Ende Februar 2025 wurde ihr gesamtes Vermögen im Iran per Gerichtsbeschluss konfisziert.
Mohebi gründete und leitete die NGO "Sora - Vereinigung iranischer Rechtsanwältinnen" in der Stadt Mahabad. "Auf nichts in meinem Leben bin ich so stolz wie auf diesen Verein", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Über 250 Juristinnen waren aktiv, wir haben weibliche Gefangene oft kostenlos und unter schwierigen Bedingungen vertreten. Wir waren eine Hoffnung für viele Frauen. Anfänglich wurden wir sogar von den Behörden gelobt."
Im Netz finden sich bis heute Berichte staatlicher Medien über die Arbeit von "Sora". Die Organisation bot Rechtsseminare für Frauen in Behörden an und setzte sich für inhaftierte Frauen ein, die Opfer von Gewalt und Armut geworden waren. Die Vereinigung bot außerdem Rechtsseminare für weibliche Angestellte in verschiedenen Behörden an, bis die Organisation ins Visier der Regierung geriet. "Uns wurde vorgeworfen, wir würden Feminismus verbreiten. Ich wurde mehrmals vorgeladen und verhört", erzählt Mohebi.
Nach Ausbruch der landesweiten Proteste nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im September 2022 wurden zahlreiche ihrer Kolleginnen verhaftet. Die Proteste mit dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" wurden schnell zu einem Symbol für den Widerstand gegen den Kopftuchzwang und die systematische Diskriminierung von Frauen. Zahlreiche junge Frauen wurden verhaftet.
Das Revolutionsgericht in der Stadt Maschhad leitete ein Verfahren gegen Marzieh Mohebi ein, bevor sie sich überhaupt für verhaftete Demonstranten einsetzen konnte. "Die Behörden wollten die Arbeit unseres Vereins kontrollieren. Ich habe es abgelehnt und den Verein aufgelöst. Wegen Repressalien habe ich das Land verlassen."
Mohebi ist überzeugt, dass ihre Arbeit nicht umsonst war. Sie und ihre Kolleginnen haben mit ihrer Aufklärungsarbeit wichtige Impulse gesetzt, deren Wirkung sich langfristig entfalten wird. Ihre Kolleginnen führen die Arbeit für Frauenrechte bis heute fort.
"Frau, Leben, Freiheit": eine selbstbewusstere Generation wächst heran
Trotz all dieser Repressionen sind iranische Frauen selbstbewusster geworden. Nach den Protesten unter dem Slogan "Frau, Leben, Freiheit" sieht man in Großstädten wie Teheran und Maschhad immer mehr Frauen ohne Kopftuch auf der Straße, die sich nicht vorschreiben lassen, wie sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Auch in traditionell konservativen Regionen wie Belutschistan beginnt ein Umdenken, sagt die Künstlerin Narges.
"Die Situation der Frauen in Belutschistan war nie mit der in den Städten vergleichbar", betont sie und fügt hinzu: "Wir haben eine patriarchalische Gesellschaft. Hier geben sich viele Frauen mit dem Allernötigsten zufrieden. Aber inzwischen beobachten wir einen Wandel. Immer mehr Familien setzen ihre Töchter weniger unter Druck. Sie dürfen zunehmend selbst entscheiden, was sie anziehen. Wir sind mutiger geworden. Selbst jene Frauen, die früher bei jeder Entscheidung die Erlaubnis ihrer Familie einholen mussten, haben sich verändert. Die Bewegung "Frau, Leben, Freiheit" hat uns verändert."