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Politik

Iranischer Ex-Staatsanwalt verhaftet

13. Juni 2020

Der ehemalige, vor der Justiz seines Landes flüchtige Staatsanwalt Gholam Reza Mansouri wurde in Bukarest verhaftet. Damit ist das Rätselraten über seinen Aufenthaltsort beendet. Auch Deutschland war in den Schlagzeilen.

Iran  Ex-Richter Gholamreza Mansouri
Bild: Rasanews

Nach wochenlangem Aufenthalt an unbekanntem Ort wurde der von der iranischen Justiz gesuchte Staatsanwalt Gholam Reza Mazouri in Rumänien verhaftet. Das Rätselraten über seinen Aufenthaltsort ist damit beendet. In den vergangenen Tagen hatte es geheißen, der Mansouri habe sich zur Behandlung in Hannover, genauer: in der Privatklinik "International Neuroscience Institute (INI)" in Hannover aufgehalten.

"Das stimmt nicht", hatte Madjid Samii Samii, Gründer, Präsident und ärztliche Direktor des INI, am vergangenen Freitag der DW erklärt. Seine Klinik war durch Gerüchte in die Schlagzeilen geraten. "Herr Reza Mansouri war niemals Patient in unserem Institut. Er ist es auch jetzt nicht. Das INI genießt weltweit einen ausgezeichneten Ruf", so der Neurochirurg gegenüber der DW. "Ich vermute, dass man diesen Ruf nutzt, um den Gerüchten ein entsprechendes Gewicht zu verleihen, so dass sie es dann in die Medien schaffen."

Im Jahr 2018 war im INI ein hochrangiger iranischen Richter behandelt worden. "Er war allerdings zuvor in der Berliner Charité behandelt worden. Dann kam er zu uns", sagt Samii. "Ich kannte diesen Patienten zuvor nicht. Ich habe weder die Möglichkeit, noch ist es meine Aufgabe, die zivilrechtliche Identität von Patienten zu überprüfen. Das ist Aufgabe des Auswärtigen Amts, des Innenministeriums oder der Polizeibehörden, aber nicht meine."

Rätselraten um derzeitigen Aufenthaltsort

Informationen der Tageszeitung "Die Welt" zufolge verfügte Mansouri im Juni 2018 über ein Visum für Kurzzeitaufenthalte von bis zu 90 Tagen im Schengenraum, das von der deutschen Botschaft in Teheran ausgestellt wurde. Dies habe damals das niedersächsische Innenministerium auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion hin mitgeteilt. 

Christian Mihr, Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen" (RSF), sagt im Interview mit der DW, dass seine Organisation über Informationen verfüge, denen zufolge Mansouri sich in Deutschland aufgehalten habe.

Derzeit verfüge Mansouri über kein gültiges Visum einer deutschen Auslandsvertretung, erklärte das Außenministerium am Freitag auf eine Anfrage der DW. "Das Auswärtige Amt hat im Übrigen auch keine Erkenntnisse zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort. Über Visumanträge entscheiden die deutschen Auslandsvertretungen in jedem Einzelfall nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände. Grundlage dafür sind die geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften, vor allem die Erteilungsvoraussetzungen des Schengener Visakodex."

Ex-Staatsanwalt Gholam Reza MansouriBild: Isna

Anzeige in Deutschland

Der ehemalige Staatsanwalt Gholam Reza Mansouri steht in Iran unter Anklage. Ihm wird vorgeworfen, Bestechungsgelder in Höhe von umgerechnet 500.000 Euro angenommen zu haben. Doch bevor der Prozess gegen ihn begann, setzt er sich ins Ausland ab.

Mansouri wird allerdings nicht nur von der iranischen Justiz gesucht. Ebenso hat er Regimekritiker und Menschenrechtsorganisationen gegen sich aufgebracht. Sie werfen ihm unter anderem vor, für die Verfolgung und Verhaftung mehrerer Journalisten verantwortlich zu sein.

Aus diesem Grund habe "Reporter ohne Grenzen" (RSF) Strafanzeige gegen Mansouri gestellt, so deren Geschäftsführer Christian Mihr gegenüber der DW. Grundlage der Anzeige seien die Verfolgung und Verhaftung von mehreren Journalistinnen und Journalisten im Jahr 2013, die RoG dokumentiert habe. Möglich wird die Anzeige durch das so genannte Weltrechtsprinzip, das im Jahr 2002 im deutschen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verankert wurde.

Mit der Anklage verfolge RSF mehrere Ziele, sagt Mihr im DW-Interview. "Zunächst wollen wir erreichen, dass Personen, die Verbrechen im Ausland begangen haben, weder dort noch in Deutschland straffrei bleiben." So sei die Anzeige ein Signal auch an andere Straftäter. "Sie sollen sich nicht in Sicherheit wiegen können." Zudem wolle man dafür sorgen, dass die Opfer Gerechtigkeit erfahren. "Und schließlich wollen wir die deutsche Bundesregierung darauf hinweisen, dass sie aus politischen Gründen keine falsche Rücksicht nehmen darf", so Mihr weiter.

Reaktionen der Exiliraner

Derweil hat der an der Universität Oxford lehrende Menschenrechtsanwalt Kaveh Moussavi in einem Tweet die Stichhaltigkeit der gegen Mansouri erhobenen Vorwürfe bestätigt. Eine erneute Überprüfung vom Mansouris Vergangenheit lasse keinen Zweifel: Nach internationalem Strafrecht könne er angeklagt werden, "für Geiselnahme, Folter und weiteres. Dutzende Journalisten waren Opfer seiner 'Gerechtigkeit'."

Er bitte, so Moussavi weiter, seine Landsleute, ihn mit weiteren Informationen zu unterstützen. Er brauche Zeugenaussagen aus erster Hand, um die Verhaftung Mansouris voranzutreiben.

Unabhängig von diesem Aufruf haben dieser Tage mehrere Exiliraner in den sozialen Medien schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Staatsanwalt erhoben. "Dieser korrupte Richter Gholam Reza Mansouri war einer der drei Menschen, die mein Leben ruiniert haben", schreibt Mehdi Mahdavi Azad. Der Journalist war geschäftsführender Herausgeber der Zeitung "Shabab News" und der Webseite "Aftab News".

Im Juni 2009 war Mahdavi Azad von den Revolutionsgarden verhaftet worden. Er wurde in das Evin-Gefängnis in Teheran gebracht, wo er 40 Tage in Isolationshaft verbrachte. Seine Familie wurde über seinen Aufenthaltsort nicht informiert. Die Anklage lautete auf Propaganda gegen das Regime, Störung der Öffentlichen Ordnung und Beleidigung des obersten Führers (gemeint ist Ali Chamenei, Anm. d. Red.)

Auf Grundlage einiger dieser Anklagepunkte wurde er zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren und 74 Peitschenhieben verurteilt. Mahdavi Azad ging in Berufung. Bevor die höhere Instanz ihr Urteil fällen konnte, flüchtete der Journalist aus Iran.

"2009 hatten die Revolutionsgarden mich aus dem Gefängnis entlassen", schrieb Mahdavi Azad dieser Tage in einem Tweet. "Doch dieser Feigling (gemeint Gholamreza Mansouri, Anm. d. Red.) ließ mich nicht gehen. Ich erinnere mich an seine Stimme, die sagte: 'Du hast ein Schwert gegen den Obersten Führer gezogen, dein Blut zu vergießen ist erlaubt.' Ich hatte ihm die blauen Flecken auf meine Körper gezeigt. Er sagte: 'Du hast das verdient, du redest zu viel!' Ich werde das nie vergessen."

Eine Stimme aus dem Iran

Auch in Iran selbst erheben sich kritische Stimmen gegen Mansouri. Die für Reformen eintretende Journalistin Mahsa Amrabadi wurde nach Protesten gegen die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2009 verhaftet und zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Sie habe drei Jahre Französisch studiert, schreibt sie zu Wochenbeginn auf Twitter. Um ihr Studium dort fortzusetzen, habe sie bei der französischen Botschaft in Teheran ein Visum beantragt, das ihr aber verweigert worden sei. Der Grund: ihr Gefängnisaufenthalt. Wegen ihrer Haftstrafe habe sie in Iran außerdem keine Chance, einen festen Arbeitsplatz zu erhalten.

Dass ihr, der gewaltlos agierenden Oppositionellen, ein Aufenthalt in Frankreich verweigert wurde, während Staatsanwalt Mansouri sich nun womöglich sogar im Ausland behandeln lassen kann, stößt ihr sauer auf: "Sicherlich ist Herr Mansouri eine wertvolle Seele, die zur Behandlung in den Westen gehen muss."

Mansouri selbst hat sich der "Welt" zufolge am Montagabend in einem in den sozialen Medien veröffentlichten Video geäußert. Darin erklärte er, dass er sich zur medizinischen Behandlung im Ausland befinde. Er werde sich bei der iranischen Botschaft melden und sehe es als seine Pflicht an, in den Iran zurückzukehren, um vor Gericht zu erscheinen.

Nach seiner Verhaftung wurde Mansouri Interpol übergeben. In Kürze soll er nach Teheran gebracht werden.

Dieser Artikel wurde nach der Verhaftung aktualisiert.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika