Iranisches Künstler-Gastspiel in der Schirn
3. September 2020Raumgreifende Installationen, Filme, Skulpturen, ein riesiges Bodengemälde - Kuratorin Martina Weinhart hatte sich schon lange auf die erste Einzelausstellung von Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian in Deutschland gefreut. "Alles lief gut", erzählt die Kunsthistorikerin der DW. "Doch auf einmal hieß es: Vollbremsung!" Die Pandemie machte Museum und Künstlern einen Strich durch die Rechnung: Die Schirn musste schließen. Sämtliche Vorbereitungen gerieten ins Stocken - Ausgang offen.
Vier Monate später sieht die Welt wieder bunter aus, auch in Weinharts Museum: Ein monumentales Gemälde zieht sich nun über den Boden der Kunsthalle. Seltsame Mensch-Tier-Gestalten bevölkern einen Kosmos voller Bilder, Symbole und Erinnerungen. Die Motive ihrer Bilderwelt schöpfen das Brüderpaar Ramin und Rokni Haerizadeh und ihr Künstlerkollege Hesam Rahmanian aus biographischen Versatzstücken, vermischt mit politischen Eindrücken und dem Background einer reichen persischen Kultur. "Entstanden ist eine begehbare Bodenarbeit", sagt Kuratorin Weinhart, "ein großer Essay mit vielen Referenzen." Er wird ergänzt um Skulpturen, Collagen und Videoarbeiten.
Eine Kunst-Villa in Dubai
Das Werk des Künstlertrios kreist ebenso um die Krisen des Nahen Ostens wie um dîe Zustände im Iran, um Exil und Migration, um Genderfragen oder auch die Mechanismen des Kunstmarktes. Seit Jahren leben und arbeiten die drei Künstler in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Basis und Zentrum der künstlerischen Arbeit des Trios ist ein Haus in Dubai. "Ihre mit den verschiedensten Dingen bestückte Villa in der Al Barsha Street Dubai ist weit mehr als ein gewöhnliches Wohnhaus", schrieb die Kunsthalle Zürich vor fünf Jahren aus Anlass der europaweit ersten Schau des Künstlertrios, "vielmehr fungiert es auch als Bühne, Filmset und Kinosaal, ist Atelier und Wunderkammer, Versuchsgelände oder Kloster in einem, ein Reich für Forschung und Vergnügen." Hier leben und arbeiten das Brüderpaar Ramin und Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian als loses Künstlerkollektiv, mal zusammen, mal an getrennten Projekten und häufig im Austausch mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern. So zeigt die Schirn-Ausstellung etwa auch zwei Textilskulpturen der ägyptischen Künstlerin Hoda Tawakol.
Ständig neue Corona-Regeln
Von Dubai bis Frankfurt haben es die Werke von Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian mittlerweile geschafft, obwohl sich der Transport per Schiff und Bahn als logistische Herausforderung erwies. "Die Corona-Regeln haben sich ständig geändert", so Kuratorin Martina Weinhart, die über ihre leidvollen Erfahrungen einen Bericht für die Homepage des Museums verfasst hat. Titel: "Von Dubai nach Frankfurt - Kuratieren in der Krise!"
Die drei Künstler gaben auf die Verschiebung ihrer Ausstellung übrigens eine kreative Antwort. Sie schickten Weinhart ein selbstproduziertes Video, dessen Protagonist die vergehende Zeit ist: Die Kamera wandert langsam über Arbeitstische mit entstehenden Kunstwerken, zubereiteten Speisen, Farbtöpfe und Fotos. Dazu zählt eine Stimme die Wochentage: "Monday, Tuesday, Wednesday….." Bis das Künstlertrio nach Deutschland reisen kann, dürfte noch einiges Wasser den Main hinunterfließen. Aus Corona-Gründen sei das derzeit nicht möglich, heißt es. Mit ihren Werken, die voller Poesie sind, kann man aber schon einmal Bekanntschaft schließen. Weinhart: "Staunen garantiert!"