1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Irans Ex-Präsident Banisadr stirbt im Exil

10. Oktober 2021

Abolhassan Banisadr war ein Mann des Wortes. In den Machtkämpfen der politischen Niederungen konnte er sich als gemäßigte Stimme nicht dauerhaft behaupten.

Abolhassan Banisadr | ehemaliger iranischer Präsident
Im Habitus eher Intellektueller als Politiker: Abolhassan Banisadr (Archivbilder)Bild: Francois Mori/AP Photo/picture alliance

Der erste gewählte iranische Präsident nach der Islamischen Revolution, Abolhassan Banisadr, ist im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit in Paris gestorben. Der Mann, der als Sohn eines Ajatollahs im Westiran zur Welt kam und der erst Theologie, dann Wirtschaftswissenschaften studierte, wirkte im Habitus doch so wenig klerikal, dass er in der französischen Hauptstadt, die ihm mehrfach Zufluchtsort wurde, gut und gerne als Professor der Sorbonne durchgegangen wäre - jener Universität, an der er seine in Teheran begonnenen Studien in jungen Jahren ergänzt hatte.

Nach der blutigen Unterdrückung der Demonstrationen gegen das Schah-Regime Anfang der 1960er Jahre hatte er seine Heimat verlassen und sich erstmals in der europäischen Kulturmetropole angesiedelt. Hier zählte er zum engsten Kreis um Ajatollah Ruhollah Chomeini, der ebenfalls im französischen Exil lebte: Banisadr war einer der Strategen der Islamischen Revolution und kehrte im Februar 1979 an der Seite des neuen geistlichen Führers im Triumphzug in den Iran zurück.

Tiefer Riss

Dort wurde aus dem Intellektuellen, der auch Englisch und Französisch sprach, ein Politiker. Banisadr war zunächst als Minister für Wirtschaft und Finanzen zuständig, später kamen auswärtige Angelegenheiten hinzu, wodurch die spektakuläre Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch iranische Studenten im November 1979 in sein Ressort fiel. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde der Riss zwischen ihm und Chomeini sichtbar, weil er auch international auf Verhandlungen setzte: Nach wenigen Monaten verlor er das Amt des Außenministers.

Im Zuge der Islamischen Revolution von 1979 stieg Banisadr mit Ajatollah Chomeini (2. Plakat v. l.) an die Spitze des StaatesBild: Mohammad Sayad/Campion/AP Photo/picture alliance

Ein neuerlicher Versuch, sich im Führungszirkel zu halten, schien auf den ersten Blick bravourös zu gelingen. Im Januar 1980 ging Banisadr aus der iranischen Präsidentenwahl als eindeutiger Sieger hervor. Doch die 76 Prozent der Stimmen, die nach offiziellen Zahlen auf ihn entfielen, täuschten darüber hinweg, dass der Mann des Wortes mit den Ränkespielen der Macht überfordert war und in seiner Rolle des gemäßigten Mahners inmitten radikaler Kräfte mehr und mehr an den Rand gedrängt wurde. Ihm fehlte eine verlässliche Anhängerschaft, wodurch sein Gestaltungsradius begrenzt blieb - Staatschef im eigentlichen Sinne war er nie. Die Kluft zwischen ihm und den islamischen Fundamentalisten vertiefte sich zusehends, bis ihm erst das Recht, Minister zu bestätigen, dann der militärische Oberbefehl entzogen wurde.

Wieder Paris

Im Juni 1981 stellte das von Hardlinern dominierte Parlament seine "politische Unfähigkeit" fest; Chomeini entband ihn seines Amtes. Einen Monat später folgte ein Abgang im Eiltempo: Banisadr, der inzwischen per Haftbefehlt gesucht wurde und untergetaucht war, bestieg eine Boeing 707 der iranischen Luftwaffe, die ihn außer Landes brachte - organisiert hatten den Coup die oppositionellen Volksmudschaheddin. Abermals fand der inzwischen 48-Jährige Asyl an der Seine. Er bezog wieder seine alte Wohnung in Paris; seine Frau kam kurz darauf aus dem Iran nach. Als Exilpräsident suchte er Auftritte und Interviews, hoffte allerdings vergeblich auf das ersehnte Comeback.

Das zweite Mal Frankreich: Nach seinem Fall in Teheran ging Banisadr 1981 erneut ins ExilBild: AFP/Getty Images

Eine größere Öffentlichkeit fand er erst wieder im August 1996, als er im Prozess um den Mord an vier iranisch-kurdischen Oppositionspolitikern im Berliner Restaurant "Mykonos" als Zeuge aussagte. Er nutzte die Gelegenheit zu schärfsten Angriffen gegen die Führung in Teheran, sprach von "Staatsterrorismus", wies der politischen Spitze direkte Verantwortung für die Attentate zu.

Bitteres Fazit

Mit bitteren Worten rechnete er mit seinen einstigen Weggefährten ab. Dem Magazin "Der Spiegel" hatte Banisadr schon 1987 über den damaligen Parlaments- und späteren Staatspräsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani gesagt: "Es geht ihm nur um das Anfachen von Krisen, die das Regime aus inneren Gründen braucht." Chomeini erinnere ihn inzwischen an Stalin. Und: "Kein Islam gestattet, was dieses Regime sich herausnimmt."

Nach dem Willen seiner Familie soll der Verstorbene dort zur letzten Ruhe gebettet werden, wo er einen großen Teil seines Lebens verbrachte - und wo bis heute ein weltberühmtes Schloss an die vergängliche Macht von Sonnenkönigen erinnert: in Versailles, nur wenige Kilometer vor den Toren von Paris.

jj/sti (dpa, afp, rtr, ap, munzinger)