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GesellschaftAsien

Irans größte soziale NGO muss aufhören

9. März 2021

Eine NGO im Iran, die sich vor allem um Kinder und Alleinerziehende kümmert, soll ihre so wichtige Arbeit einstellen. Sie ist der Führung zu unabhängig.

Iranische Studentenorganisation "Imam Ali's Popular Students Relief Society"
Bild: irna.ir

Der "Verein von Studenten gegen Armut", besser bekannt als "Imam Ali Foundation", ist die größte nichtstaatliche Wohltätigkeitorganisation im Iran mit 44 Büros im ganzen Land. Die Stiftung hatte bis vor kurzem als einzige iranische NGO einen beratenden Status bei den Vereinten Nationen. Jetzt allerdings, nach zwanzig Jahren ihres Bestehens, soll sie sich auflösen.

Das Innenministerium hatte die Organisation unter anderem wegen "Schwarzmalerei über die iranische Gesellschaft" angeklagt. Sie stelle die Lage der benachteiligten Schichten der Gesellschaft "übertrieben schlecht" dar. In einem Eilverfahren hatte ein Gericht in Teheran dem Innenministerium vergangene Woche Recht gegeben. Die "Imam Ali Foundation" wurde aufgefordert, ihre organisierte Arbeit einzustellen.   

Vision von Chancengleichheit

"Die Behörden wollen die Wahrheit nicht hören. Das ist ihr Problem", sagt Babak im Gespräch mit der DW. (Seinen vollen Namen wird aus Sorge um seine Sicherheit nicht publiziert) Babak unterstützte die Organisation mehrere Jahre lang als Student im Iran. Inzwischen ist er ausgewandert und lebt in Europa. "Die Unabhängigkeit der Organisation war den Behörden schon immer ein Dorn im Auge, weil sie sie für ihre ideologischen Zwecke nicht instrumentalisieren konnten. Die `Imam Ali Fundatio` hat einen sehr guten Ruf und ein umfangreiches und einflussreiches Netzwerk in den benachteiligten Schichten am Rande der Gesellschaft", bekräftigt Babak. 

Die "Imam Ali Foundation" mit ihren inzwischen mehr als 10.000 aktiven Mitgliedern wurde 1999 von Sharmin Meymandinedschad gegründet, Dozent an der Scharif-Universität für Technologie in Teheran. Seine Vision von einer Organisation, die sich für Chancengleichheit in der Gesellschaft einsetzt, faszinierte in den letzten zwanzig Jahren viele Studenten und prominente Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft.

Warme Mahlzeiten und Aufklärung

Ihren Fokus legte die Organisation auf Kinder und alleinerziehende Frauen aus benachteiligten Schichten. Die sollen befähigt werden, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Mitarbeiter kümmern sich momentan um rund 700 alleinerziehende Frauen und 6137 Kinder, die meisten von ihnen aus zerrütteten Verhältnissen. Viele sind Waisen, andere haben drogenabhängige Eltern. Viele von ihnen müssen auf der Straße arbeiten, um die ihre Familie zu finanzieren, etwa indem sie Autofenster putzen, Einkaufstüten tragen oder Kleinkram verkaufen. 

Die "Imam Ali Foundation" wurde 1999 von Sharmin Meymandinedschad gegründetBild: Mehrnews

Die Organisation versorgt ihre Schützlinge einmal am Tag mit einem kostenlosen warmen Essen; sie betreut sie gesundheitlich und psychologisch, vermittelt Ärzte, die ehrenamtlich helfen. Sie bietet darüber hinaus Nachhilfe an, privaten Unterricht oder vermittelt Ausbildungsplätze. Gleichzeitig berichtet sie über weit verbreitete soziale Probleme wie Kinderehen, Gewalt oder Prostitution und versucht, die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen.

Rettung von Minderjährigen vor dem Henker

Ebenso hat eine Kampagne der Organisation für die Rettung von zum Tode verurteilten Kindern große Resonanz erfahren. Im Iran werden auch straffällige Minderjährige zum Tode verurteilt. Diese Urteile werden nach Vollendung des 18. Lebensjahres vollstreckt, wenn es keine Begnadigung gab. Die Studenten von der "Imam Ali Foundation" setzen sich deshalb für Begnadigungen ein und haben auch sogenanntes Blutgeld gesammelt. Das ist nach islamischem Recht eine

Ausgleichszahlung, die an die Familie der getöteten Person gezahlt wird, worauf diese auf die Vollstreckung des Todesurteils verzichten kann. Nicht immer hatte die Organisation mit ihren Kampagnen Erfolg.

Ein Tweet von Account der Organisation von April 2020: 

"Wir verurteilen die Hinrichtung von Shayan Saeedpour. Er war 14 Jahre alt, als er in einem Streit jemanden getötet hat. Seine Hinrichtung verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention, die auch der Iran unterzeichnet hat." 

Laut dieser Konvention gilt jede Person unter 18 Jahren als Kind. Das islamische Gesetz im Iran sieht das anders. Demnach sind Mädchen schon ab neun Jahren und Jungen ab 15 Jahren strafmündig. Shayan Saeedpour war nicht einmal 15 Jahre alt, als er zum Tode verurteil wurde.

Religiöse Führung sieht sich bedroht

Die "Imam Ali Foundation" habe islamische Gesetze in Frage gestellt, ist unter anderem in der achtseitigen Urteilsbegründung zu lesen. Die Unabhängigkeit der Organisation und ihr Beratungsstatus bei den UN missfalle vor allem den Sicherheitsbehörden, die alles kontrolliere wollen, heißt es aus Kreisen der Organisation.

Schon seit vergangenem Sommer steht die "Imam Ali Foundation" unter Druck. Im Juni wurden der Gründer Sharmin Meymandinedschad und zwei Mitarbeiterinnen verhaftet, nach einer Anklage durch die Revolutionsgarden. Meymandinedschad wurde Beleidigung des religiösen Oberhaupts Ali Chamenei vorgeworfen. Die beiden Mitarbeiterinnen wurden wegen des Vorwurfs der Verschwörung gegen die nationale Sicherheit verhaftet. Was das genau bedeutet, ist bis heute nicht geklärt. Sie wurden später zwar auf Kaution freigelassen, stehen aber unter Beobachtung, so dass eine erneute Verhaftung jederzeit möglich ist.

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