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PolitikAsien

Irans Hardliner wollen volle Machtübernahme

28. Mai 2021

Der Ausschluss des im Establishment verankerten Politikers Ali Laridschani von der Präsidentschaftswahl spricht Bände über die politische Kultur des Iran.

Iran Politik Ali Khemenei und Ebrahim Raisi
Bild: leader.ir

Bei einer virtuellen Sitzung mit Parlamentariern am Donnerstag verteidigte der religiöse Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, die Entscheidungen des Wächterrats bei der Kandidatenauswahl für die Präsidentschaftswahl am 18. Juni. Der für die Bewertung der ideologischen Qualifikation und Systemtreue der Kandidaten zuständige Wächterrat hatte zwei Tage zuvor sämtliche aussichtsreiche Kandidaten aus dem moderaten Lager disqualifiziert. 

Darunter sind politische Schwergewichte wie der ehemalige Parlamentspräsident Ali Laridschani und der amtierende Vizepräsident Dschahangiri Eshagh. Die Entscheidung löste heftige Kritik aus, vor allem in sozialen Netzwerken wie dem Kurznachrichtendienst Twitter. 

Auch Präsident Hassan Rohani hatte sich in einem Brief an Chamenei am Mittwoch für eine Revision der Kandidatenliste ausgesprochen. "Das Herz der Wahl ist Wettbewerb. Wenn man das wegnimmt, ist die Wahl wie ein Leichnam", schrieb Rohani laut der Nachrichtenagentur AFP. 

Kritik vom Bruder Laridschanis

Sogar ein Mitglied des Wächterrats kritisiert seine Kollegen: Sadegh Laridschani, seit 2001 Mitglied des Gremiums und von 2009 bis 2019 Justizchef des Landes. Er ist der jüngere Bruder des abgelehnten Kandidaten Ali Laridschani, der die wohl besten Aussichten unter den Moderaten auf das Präsidentenamt hatte.

Auf seinem Twitter-Account schimpfte er, die Bewerbung seines Bruders Ali sei "wegen falscher Informationen aus den Sicherheitskreisen" abgelehnt worden.

Der ehemalige Parlamentspräsident Ali Laridschani (links) ​​und sein Bruder, Ex-Justizchef Sadegh LaridschaniBild: MEHR

Damit bestätigt der Ex-Justizchef die Gerüchte über den Grund der Ablehnung des Kandidaten Laridschani: Seine Tochter, die Ärztin Fatemeh Laridschani, soll sich in den USA befinden. Eine zweite Staatsangehörigkeit, die für die Kandidaten der Präsidentschaftswahlen und ihre Familienangehörigen verboten ist, soll sie aber nicht besitzen. Vor der Abstimmung im Wächterrat seien "bewusst Unwahrheiten" verbreitet worden, beschwerte sich Sadegh Laridschani. 

Verhärtung des Systems

Der Wächterrat besteht aus zwölf Mitgliedern. Die Hälfte des Gremiums sind Theologen,die von Chamenei ernannt werden. Die übrigen sechs sind weltliche Rechtsgelehrte, die der Chef der iranischen Justiz beruft und die vom iranischen Parlament bestätigt werden müssen. Drei von ihnen wurde 2019 vom aktuellen Justizchef Ebrahim Raisi berufen.

Ebrahim Raisi möchte nun selbst iranischer Präsident werden, die Chancen dafür sind mit der Disqualifizierung Ali Laridschanis stark gestiegen. "Die überraschende Disqualifizierung von Ali Laridschani wird weitreichende Folgen haben", prophezeit der Iran-Experte Ali Afshari in einem Kommentar für DW-Farsi. Der im US-Exil lebende Afshari hat lange reformorientierte Kreise im Iran unterstützt. Er wurde mehrmals verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt. Zuletzt 2005, weil er als Reaktion auf die Ablehnung der Kandidaten der Reformer durch den Wächterrat zum Wahlboykott aufgerufen hatte.

Ali Laridschani (r.) und Präsident Hasan RohaniBild: ILNA/M. Nasiri

In der Ablehnung der Kandidatur von Ali Laridschani sieht er den endgültigen Abschied von jeder Hoffnung auf Veränderung im politischen System der Islamischen Republik durch Wahlen. "Die Disqualifizierung Laridschanis zeigt, dass der unter Aufsicht des religiösen Führers stehende Kern des politischen System im Iran absoluten Gehorsam erwartet und keine Kritik duldet, egal von wem." 

Laridschani zu kritisch

Dass selbst jemand wie Laridschani als Kandidat abgelehnt wird, macht deutlich, wie eng der vom Wächterrat akzeptierte Meinungskorridor bei den Wahlen ist. Laridschani ist der Sohn von Großayatollah Haschem-Amoli und mit der Tochter von Ajatollah Morteza Motahhari, einem Vordenker der islamischen Revolution, verheiratetet.

Er gehört sogar zu den derzeitigen Beratern von Ayatollah Chamenei, allerdings nicht zu seinen engsten Vertrauten, wie Ali Afshari erläutert: "Vor allem, weil er sich nie gegen die seit 2010 unter Hausarrest stehenden Oppositionspolitiker Mehdi Karrubi und Mirhussein Mussawi geäußert hat. Er kritisierte auch offen Ebrahim Raisi und Mitglieder der Revolutionsgarden."  Erfahrungen aus der Kaserne oder einem Gerichtsaal oder auch populistischen Slogans reichten nicht aus, um ein Land zu führen, hatte Laridschani letzte Woche im Kreis von Journalisten gesagt.

Präsidentschaftswahl als Farce

Ali Laridschani gilt als enger Vertrauter des ebenfalls als moderat geltenden Präsidenten Rohani und war einer der wichtigsten Befürworter einer Wiederbelebung der Wiener Nuklearvereinbarung.

Der Iran-Experte und Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nedschad sagte der Deutschen Welle mit Blick auf den Ausschluss moderater Bewerber wie Laridschani, die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen würden "eine noch größere Farce" als die Abstimmungen der vergangenen Jahre. Unter einem Hardliner als Präsidenten bekämen zudem die erzkonservativen Kräfte um die einflussreichen Revolutionsgarden mehr politisches Mitspracherecht als in der Vergangenheit.

Damit würden sie auch mehr Einfluss in anderen Bereichen wie in der Wirtschaft gewinnen. Die Hardliner scheinen eine vollständige Machtübernahme anzustreben, egal wie groß die Enttäuschung der Wähler oder wie gering die Wahlbeteiligung ausfällt, die laut einer Umfrage des iranischen Fernsehens vom Mai sogar nur 30 Prozent betragen könnte.

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