Was bedeutet die "Trump-Route" für den Iran?
12. August 2025
Die Friedenserklärung zwischen Armenien und Aserbaidschan stößt im Iran auf widersprüchliche Reaktionen. Irans Außenminister erklärte am Montag (11.08.25): "Wir begrüßen jeden Friedensplan zwischen Armenien und Aserbaidschan".
Die beiden Südkaukasusrepubliken liegen im Nordwesten Irans. Sie hat nach jahrzehntelanger Feindschaft im Weißen Haus eine Erklärung unterzeichnet. Gegen Teile der Erklärung sind jedoch kritische Stimmen in Teheran zu hören.
Die Erklärung sieht den Bau eines Transitkorridors zwischen Aserbaidschan und seiner Exklave Nachitschewan vor, die durch einen 32 Kilometer breiten Streifen armenischen Territoriums getrennt sind. Für Aserbaidschan, einen bedeutenden Öl- und Gasproduzenten der Welt, bietet diese Route eine direktere Verbindung zur Türkei und weiter nach Europa.
Für den Iran, der über die zweitgrößten Gasreserven der Welt nach Russland verfügt, wäre dies ein herber Schlag. Der 43 Kilometer lange Korridor, für den die USA 99 Jahre lange exklusive Nutzungsrechte genießen, soll den Namen "Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand" ("Trump Route for International Peace and Prosperity") tragen.
Am 9. August erklärte Ali Akbar Welajati, Berater des iranischen geistlichen und politischen Oberhauptes Ali Chamenei: "Der Iran wird die Schaffung dieses Korridors nicht zulassen." Die Präsenz der USA gefährde die Sicherheitsinteressen des Irans in der Region.
Irans Präsident Massud Peseschkian widersprach dieser Einschätzung am Folgetag. Der Friedensplan berücksichtige "auch die Ansichten des Irans", sagte er und telefonierte am Montag mit seinem armenischen Amtskollegen Nikol Paschinjan. Die Verbindung würde den Zugang des Iran zu Armenien nicht abschneiden, betonte Peseschkian.
Strategischer Wettbewerb im Südkaukasus
Der seit Langem geplante Korridor sei weit mehr als ein reines Transitprojekt, sagt Afshar Soleimani, ehemaliger iranischer Botschafter in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. "Das Hauptproblem ist der strategische Wettbewerb zwischen Russland und dem Westen in der Regeion", erklärt er gegenüber der DW. Soleimani ist der Meinung, dass der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, versuche, den russischen Einfluss im Südkaukasus zu beenden und das Vakuum ausnutzen, das nach dem militärischen Konflikt Russlands in der Ukraine entstanden ist.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sei Russland derzeit durch militärische Belastungen und westliche Sanktionen geschwächt. "Ich glaube nicht, dass Russland seine frühere dominante Stellung in der Region zurückgewinnen kann, obwohl es sicherlich ein Akteur bleiben wird", sagt die Iran-Expertin Shirin Hunter von der US-amerikanischen Georgetown University in Washington. Sie betont im Gespräch mit dem iranischen Nachrichtenportal Tabnak: "Es ist denkbar, dass Russland und die USA nun ein umfassendes Abkommen zur Ukraine und zum Kaukasus anstreben."
Für den Iran, der sich an die Seite Russlands gestellt hat, bedeute dies zusätzliche Verluste. Der Bau von Pipelines und Handelsrouten, die den Iran umgehen, sei bereits seit den 1990er-Jahren Teil der US-Strategie, so Hunter. "Trump hat diesen Prozess lediglich beschleunigt und nun die Unterzeichnung des Abkommens erreicht", sagt die ehemalige iranische Diplomatin vor der Revolution von 1979. Sie sieht in der Umsetzung dieser Route eine deutliche Verstärkung der geopolitischen Isolation Irans.
Minderheiten und Spannungen
Der Iran ist momentan sowohl mit externen Krisen als auch mit internen Konflikten konfrontiert. Der militärische Schlagabtausch mit Israel, der Verlust wichtiger Verbündeter in der Region, darunter der von mehreren Stellvertreter-Milizen im Ausland, die wachsende Unzufriedenheit über die politische Repression und wirtschaftliche Lage in der Bevölkerung haben die Position der Machthaber in der Islamischen Republik erheblich geschwächt.
Mit dem christlich geprägten Armenien unterhält der Iran gute Beziehungen, während das Verhältnis zum muslimischen Aserbaidschan angespannt ist, das genau wie der Iran eine schiitische Bevölkerungsmehrheit hat. "Teheran versuchte, durch eine Annäherung an Armenien den Einfluss Israels in Aserbaidschan einzudämmen", sagt Iran-Experte Reza Talebi im Gespräch. Der Dozent an der Leipziger Universität fügt hinzu: "Das Ergebnis ist jedoch, dass Aserbaidschan heute noch enger mit Israel verbunden ist."
Aserbaidschan wurde 1828 nach einem russisch-persischen Krieg vom Iran abgetrennt und dem Russischen Kaiserreich angeschlossen. Zwei iranische Provinzen an der Nordwestgrenze tragen bis heute die Namen West- und Ost-Aserbaidschan. Die Zahl der iranischen Bürger mit aserbaidschanischen Wurzeln wird auf rund 18 Millionen geschätzt, darunter der iranische Präsident Peseschkian. Aserbaidschan selbst hat insgesamt nur 10,2 Millionen Einwohner.
In Teheran herrscht Sorge vor separatistischen Gruppen, die die Abspaltung eines "Süd-Aserbaidschan" vom Iran anstreben. In Baku wiederum existieren nationalistische Strömungen, die von einem "Großaserbaidschan" sprechen, das auch die iranischen Provinzen einschließen würde. Hinzu kommt noch: Israel hat seine Beziehungen zu Aserbaidschan in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Der jüdische Staat gilt als Erzfeind des Irans.
Peseschkians Balanceakt
Laut Talebi versucht der iransiche Präsident Peseschkian, seine Politik gegenüber Aserbaidschan, der irakischen Region Kurdistan, Pakistan und der Türkei so anzupassen, dass ein neuer Konflikt im Kontext der wachsenden iranischen Isolation vermieden wird. Peseschkian ist selbst halb Kurde und halb Aserbaidschaner im Iran. Ende April war er in Baku und traf dort Präsident Ilham Alijev. Vor laufender Kamera sprachen beide die aserbaidschanische Sprache miteinander.
Angesichts der neuen internationalen und regionalen Rahmenbedingungen müsse der Iran seine gesamte Außenpolitik grundlegend überdenken und seine Ziele an die veränderten Realitäten anpassen, sagt Expertin Shirin Hunter. Der Iran solle die regionale Präsenz der USA akzeptieren und seine anderen ungelösten Probleme mit Washington klären. Das allerdings widerspricht der seit der Revolution von 1979 fest verankerten antiamerikanischen und antiisraelischen Grundhaltung der Islamischen Republik.
Mitarbeit: Morad Rahmati