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Ehrenpreis fürs Lebenswerk: Iris Berben

Jochen Kürten
16. Januar 2019

Beim 40. Filmfestival "Max Ophüls Preis" bekam die Schauspielerin Iris Berben den Ehrenpreis. Mit der DW sprach sie über ihre Anfänge beim Film, die MeToo-Bewegung, gesellschaftliches Engagement und die Berlinale.

Eröffnung des 40. Filmfestival Max Ophüls Preis - Ehrenpreis für Iris Berben
Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Beim Filmfestival "Max Ophüls Preis" (14.1.-20.1.) präsentiert sich der deutsche Filmnachwuchs. Doch in Saarbrücken werden auch verdiente Filmschaffende ausgezeichnet - in diesem Jahr die Schauspielerin Iris Berben, die 1967 erstmals vor einer Kamera stand. Berben gilt inzwischen als "Grand Dame" des deutschen Films. Neben ihrer Schauspieltätigkeit ist sie Präsidentin der "Deutschen Filmakademie" und setzt sich in vielfacher Form gegen Rassismus, Antisemitismus und gesellschaftliche Ausgrenzung ein. In Saarbrücken bekam sie den Preis aus den Händen gleich zweier Laudatoren, des Schauspielers Edin Hasanovic und - von Bundesaußenminister Heiko Maas.

Deutsche Welle: Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihre Anfänge beim Film? Was ist der größte Unterschied verglichen mit heute?

Iris Berben: Ich erinnere mich natürlich daran. Aber das ist in einem so anderen Kontext gewesen. Es waren die 60er Jahre, das war eine große filmische Spielwiese: Hauptsache, man hat provoziert. Die Filme, die ich mit Rudolf Thome gemacht habe ("Detektive" und "Supergirl", 1968/1971): Die haben versucht, den amerikanischen Filmen nahezukommen. Ich bin da auch sehr spielerisch rangegangen. Das war auch für mich Neuland, bei dem ich noch gar nicht wusste, ob ich auf diesem Boden bleiben und bestehen würde. Da war der Wusch gar nicht so sehr da: Der Film hat mich eher gefunden als ich ihn.

Iris Berben 1969 bei einem Fototermin in HamburgBild: picture-alliance/dpa/Gewiess

Schauen wir auf die Professionalität am Set: Was hat sich in dieser Hinsicht geändert?

Heute ist der Druck ein ganz anderer. Der ist sicher auch im finanziellen Bereich in einem ganz anderen Maße da. Dadurch bist du in einem ganz anderen Korsett heute. Und du bist in einer anderen Beobachtung. Du wirst medial anders wahrgenommen. Wir konnten früher vieles einfach mal probieren, bis hin zum Scheitern. Das wurde medial nicht so begleitet.

Sie haben viel Fernsehen gemacht, in jüngster Zeit auch Serien. Sie haben Kinofilme gedreht. Was muss stimmen, wenn ein Regisseur, ein Drehbuchautor, heute mit Ihnen arbeiten will?

Es gibt sicherlich Regisseure, wenn die anfragen, dann sage ich ohne Nachfrage: Ja, mache ich gerne. Weil ich einfach ihre Arbeiten schätze oder auch die Thematik dieser Regisseure.

Bei den Büchern ist es immer so gewesen, dass ich sage: Versuch das mal. Im Laufe dieser vielen Jahre habe ich gelernt, es sind jetzt ungefähr 50, mich nicht zu wiederholen. Es sollen natürlich Bücher sein, die mich auf die ein oder andere Weise beschäftigen, im Sinne von: Nehmen sie mich sofort mit? Lassen sie mich nachhaken? Ist es etwas, was Neuland für mich ist? Wo ich denke: Ach, diesen Berg versuche ich jetzt mal zu erklimmen. Es muss mich schon in irgendeiner Art und Weise emotional mitnehmen.

Iris Berben bei Dreharbeiten zu "Stehaufmädchen" (1970)Bild: picture-alliance/dpa/H. Gregor

Dann ist der Zusammenhang wichtig: Also mit wem plane ich so ein Projekt? Dann ist gerade bei Projekten, bei denen ich mir unsicher bin, wichtig: Wer sind meine "Komplizen", so nenne ich die, also mit wem mache ich das? Wenn einfach fantastische Kollegen dabei sind, dann kann ich sagen: Diese Reise machst Du jetzt mit denen.

Eröffnet wurde das Festival Max Ophüls Preis in diesem Jahr mit dem Politthriller "Das Ende der Wahrheit" (über deutsche Geheimdienste, Lobbyismus und den Krieg im Nahen und Mittleren Osten, Anm. d. Red.). Wie wichtig sind bei Ihrer Arbeit politische Stoffe? Sie engagieren sich ja auch außerhalb der Leinwand für viele politische und gesellschaftliche Themen.

Ich finde, dass wir in unseren Möglichkeiten grenzenlos sind - ob im Kino oder im Fernsehen. Wir haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wir haben die Möglichkeit, politische Szenarien nachzustellen, Visionen zu entwickeln, wir können Dinge benennen. Kunst hat so viele Freiräume. Natürlich ist das in einem breiten Spektrum möglich, in einer Komödie, im Science-Fiction, im Drama. Ein politischer Film kann ja auch eine Komödie sein. Aber es kann eben auch ein politischer Film sein, wie wir ihn zur Eröffnung gesehen haben, der Mechanismen aufzeigt in ihrem ganzen Zynismus, wo einem der Atem stockt.

Vor allem gegen Antisemitismus bezieht Iris Berben immer wieder Stellung, hier am Berliner Holocaust-Denkmal im Jahre 2014Bild: picture-alliance/dpa

Vor der Weltpremiere des Films "Das Ende der Wahrheit" haben Sie beim Max Ophüls-Festival den Preis fürs Lebenswerk bekommen. Was bedeutet das für Sie? Gerade auch vor dem Hintergrund Ihres gesellschaftlichen Engagements?

Dieser Preis hat mich wirklich tief berührt und gerührt, auch durch die beiden Laudatoren; das war unerwartet. Gerade auch im Zusammenhang mit dem Namen Max Ophüls, seiner Geschichte, seiner jüdische Biografie (der deutsch-jüdische Filmregisseur Max Ophüls verließ nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten seine Heimat, Anm. d. Red.).

Es ist wichtig, ein Festival zu haben, was in dieser Kontinuität steht, das sich mit jungen Talenten beschäftigt, wo alles noch nicht so gefestigt ist, nicht so ausgereift ist, wo man sich noch vieles trauen kann. Später werden einem die Flügel ja noch häufig gestutzt. Hier kannst Du noch etwas wagen, hier wirst Du begleitet.

Deshalb finde ich das Festival so wichtig - und insofern finde ich auch den Preis so wichtig. Ein Preis bedeutet immer auch Öffentlichkeit, dafür ist er im Grunde genommen da. Und Menschen, die ausgezeichnet werden, sind ein Transportmittel. Das finde ich auch legitim: Aufmerksam machen auf das, was es gibt und welche Möglichkeiten man hat.

Vielfach engagiert und geehrt: Iris Berben, hier 2015 an der Seite von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Kollegin Christiane PaulBild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Ihr Engagement bezieht sich auch auf die MeToo-Bewegung, gerade in Ihrer Eigenschaft als Präsidentin der Deutschen Film-Akademie. Wie beurteilen Sie das rund ein Jahr danach? Wo stehen wir heute? Hat das alles etwas bewirkt?

Es hat mit Sicherheit etwas bewirkt, es gibt heute eine Öffentlichkeit und eine öffentliche Diskussion. Aber wir müssen uns auch nicht der Illusion hingeben, dass ein strukturelles Machtgefüge, was über Jahrhunderte gewachsen ist, in einem Jahr in den Griff zu kriegen ist. Wichtig aber war, dass wir das angestoßen haben.

Wichtig ist es auch, dass die ein bisschen hysterische Berichterstattung aufgehört hat und dass man jetzt wirklich arbeiten kann. Wir in der Film-Akademie haben diese Anlaufstelle geschaffen (für Filmschaffende, die sich sexueller Übergriffe erwehren wollen, Anm. d. Red.), die es in vielen anderen Bereichen ja auch gibt. Wir haben psychologische Hilfen, rechtliche Hilfen.

Man muss Räume schaffen, damit jemand überhaupt erstmal aussprechen kann, dass jemand möglicherweise übergriffig geworden ist. Die Diskussion ist wichtig, sie wird wichtig bleiben, das Thema ist sensibel, und so wird es auch bleiben. Ich bin aber nach wie vor auch der Meinung, dass es eine Charakterfrage ist, wie sich Menschen mit Macht verhalten.

Die Schauspilerin blickt im DW-Gespräch zurück auf Karriereanfänge und auf gesellschaftliches EngagementBild: DW/J. Kürten

In Kürze beginnt das größte deutsche Filmfestival, die Berlinale. Es wird die letzte unter der Leitung von Dieter Kosslick sein. Wie beurteilen Sie die Ära Dieter Kosslick?

Ich liebe dieses Festival, weil es immer ein sehr politisches Festival war und auch geblieben ist. Ich kenne Dieter Kosslick aus ganz alten Zeiten, unsere Wege haben sich natürlich auch durch die Berlinale immer wieder gekreuzt. Ich mochte seinen Umgang mit Menschen. Bei ihm gab es keine Hierarchie. Du hast vor ihm gestanden, und er hat Dir zugehört und er hat Dir in die Augen geschaut - und zwar jedem.

Seine Liebe zum Film - er hat das immer mit einer spielerischen Leichtigkeit und Lässigkeit getan - man weiß ja, wie viel Arbeit dahinter steckt. Aber er hat das immer mit so einer Freude verkauft, es war nie gequält, es war immer Lust aufs Kino. Und er hat Lust aufs Kino gemacht. Er war oft unkonventionell. Ich liebe seine Bühnenauftritte mit Anke Engelke. Ein Mann, der fähig ist, über sich zu lachen, der kann kein schlechter Mensch sein. Ich werde ihn vermissen.

Aber wir wissen alle, wenn die Zeit um ist, dann stellt man sich auf etwas Neues ein. Auch das ist spannend. Dieter wird wissen, dass er gerade dem deutschen Film bei der Berlinale ein gutes Standing gegeben hat. Die Fußstapfen, die er hinterlässt, sind groß. Er hinterlässt eine gute Ära.

Das Gespräch führte Jochen Kürten.

Das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken zeigt noch bis zum 20. Januar rund 150 deutschsprachige Nachwuchsfilme.

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