Im DW-Interview: Isabel dos Santos schaltet auf Angriff
29. Mai 2025
Isabel dos Santos wohnt seit Jahren nicht mehr in Angolas Hauptstadt Luanda, sondern in Dubai. Von dort aus gab sie der Deutschen Welle nun ein exklusives Interview. Darin bezeichnet sie die gegen sie laufenden Strafverfahren wegen Korruption und Untreue als politisch motiviert: "Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen dauern seit 2017 an. Wir schreiben das Jahr 2025. Es sind sage und schreibe acht Jahre ins Land gegangen, ohne dass ich in die Lage versetzt worden bin, mich gegen die Vorwürfe zu wehren. Die Öffentlichkeit hat bereits erkannt, dass die Anschuldigungen der angolanischen Generalstaatsanwaltschaft gegen mich politisch motiviert sind. Ich verstehe nicht, warum die Generalstaatsanwaltschaft mich weiterhin verfolgt. Für mich sind das eindeutig politische Manöver."
Zum anderen kritisiert sie den Antikorruptionskurs von Präsident João Lourenço - der 2017 ihren Vater José Eduardo dos Santos an der Staatsspitze ablöste - als inszeniert und ohne Substanz: "Präsident João Lourenço und sein politisches Regime haben beschlossen, meine Person und mein Image in einem fiktiven 'Kampf gegen Korruption' zu missbrauchen, den es gar nicht gibt. Es ist ein Fake-Kampf des Präsidenten gegen Korruption."
Dos Santos' Kritik bleibt in Angola unbeantwortet
Isabel dos Santos meidet seit Jahren das Rampenlicht. Umso größer war die Aufmerksamkeit, die ihre jüngsten Vorwürfe im DW-Interview auf sich zogen - insbesondere jene, die sich direkt gegen Angolas Präsidenten João Lourenço und die Regierung richteten. Doch aus Luanda kam keine Reaktion: Weder das Präsidialamt noch die Staatsanwaltschaft wollten sich auf Anfrage der Deutschen Welle zu den Anschuldigungen äußern.
Der angolanische Politikwissenschaftler Cláudio Silva sieht in dos Santos' Aussagen vor allem den Versuch, die Kontrolle über die öffentliche Debatte zurückzugewinnen und von der Verteidigung in den Angriff zu wechseln. Zwar enthielten einige Kritikpunkte durchaus berechtigte Elemente, doch die Realität sei komplexer, als es dos Santos darstelle, sagte Silva der DW.
Dos Santos betont, die in der angolanischen Verfassung verankerte Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz werde faktisch nicht umgesetzt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wegen Korruption bei der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol in den Jahren 2016/2017 seien unbelegte Behauptungen. Ihre Vermögen in Angola und Portugal seien ohne formelle Anklage beschlagnahmt worden. Eine Anhörung der Verteidigung habe bislang nicht stattgefunden, so dos Santos.
Politikwissenschaftler Cláudio Silva hat Verständnis für diese Anschuldigungen: "Das Justizsystem in Angola ist ineffizient und politisiert. Die Staatsanwaltschaft handelt häufig nach Regierungsinteressen. Gleichzeitig verzögern sich Verfahren erheblich. Dos Santos nutzt diese Schwächen, um sich als Opfer darzustellen."
Lourenços Kampf gegen Korruption: Zwischen Realität und Propaganda
Dos Santos bezeichnet die von Präsident Lourenço propagierte Korruptionsbekämpfung als reine Propaganda. Experte Silva räumt ein: "Tatsächlich hat Lourenço seit Amtsantritt 2017 keine Justizreformen eingeleitet und Erfolge im Korruptionskampf sind kaum sichtbar." Hauptsächlich Personen aus dem Umfeld des früheren Präsidenten werden angeklagt, während Lourenços eigenes Umfeld unbehelligt bleibt.
Für Beobachter ist diese Situation wenig überraschend. "Das Justizsystem bleibt ineffizient, die politische Elite unantastbar", meint Silva. "Allerdings kritisierte dos Santos diese Missstände nicht, als ihr Vater an der Macht war. Erst mit persönlicher Betroffenheit tritt sie öffentlich auf."
Präsidentschaftskandidatur: Rechtliche und politische Hürden
Im Interview spricht Isabel dos Santos schließlich über eine mögliche, eigene politische Karriere in Angola: Von der DW danach gefragt, schließt sie eine zukünftige eigene Kandidatur für das Präsidentenamt nicht aus. Sie betont jedoch, dass der richtige Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen sei.
Dos Santos spielt seit einiger Zeit mit dem Gedanken einer Präsidentschaftskandidatur und nutzt soziale Medien, um ihre Popularität insbesondere bei jungen Angolanern zu testen. Die wachsende Unzufriedenheit mit der aktuellen Wirtschaftslage scheint ihr dabei in die Hände zu spielen.
Politikwissenschaftler Silva warnt jedoch vor einer zu einfachen Interpretation: "Eine Kandidatur ist verfassungsrechtlich komplex. Das angolanische Wahlsystem verlangt, dass eine Kandidatin von einer im Parlament vertretenen Partei nominiert wird. Dos Santos gehört derzeit keiner Partei an. Eine eigene Partei zu gründen, ist mit erheblichen Hürden verbunden, da die zuständigen Instanzen als regierungsnah gelten und Neugründungen erschweren."
"Die Alternative wäre, sich einer bestehenden Partei anzuschließen - doch es ist fraglich, ob eine solche Partei bereit wäre, sie zu unterstützen."
Mitarbeit: Sandra Quiala