Isar Valley: Warum München Startup Talente anzieht
4. Juni 2025
Es ähnelt einer Suche nach dem richtigen Weg in einem Labyrinth, auf die sich Hunderte junge Gründerinnen und Gründer jedes Jahr in Europa begeben: Die Suche nach Chancen, Innovationen, aber auch nach Geld und Erfolg. Und die Suche nach dem Land und der Stadt, die ihnen den idealen Nährboden bietet.
Am Ende dieser Suche steht für viele immer öfter Isar Valley. So wird der KI- und Tech-Standort München in Anlehnung an das Silicon Valley inoffiziell bezeichnet.
München belegt im aktuellen Global Tech Ecosystem Index der Tech-Gesellschaft Dealroom weltweit Platz 17 unter den Gründermetropolen. Wenn es um hochleistungsfähige, innovative Ökosysteme geht, mit hohem Pro-Kopf-Output, belegt München sogar Platz 5, hinter der Bay Area um San Francisco, Boston, New York und Cambridge.
Vom Hackathon zum Startup
Auch die Griechen Nikos Tsiamitros und Georgios Pipelidis haben in München gegründet. "Eigentlich gab es keine persönlichen Gründe, nach München zu ziehen", sagte Nikos der Deutschen Welle. "Ich kannte niemanden hier, war vorher nie in der Stadt." Aber er hätte den hervorragenden Ruf der Technischen Universität München (TUM) gekannt.
Tsiamitros kam aus Athen für sein Masterstudium, Pipelidis kam mit einem Zwischenstopp in Österreich für sein Doktorratsstudium an die TUM. "Hier haben wir angefangen, zusammen an einer Navigationssoftware für öffentliche Verkehrsmittel zu arbeiten", berichtet Pipelidis.
Die beiden nahmen an einem Hackathon teil, einer Veranstaltung, bei der Programmierer sich für einige Tage oder Wochen zusammentun und bis zur Erschöpfung an der Entwicklung einer Software zusammenarbeiten. "Und unter all den Teilnehmenden haben wir gewonnen!"
"Ab diesem Moment haben wir angefangen daran zu glauben, dass wir mit unserem Navigations- und Ortungsalgorithmus vielleicht sogar ein Startup gründen könnten", sagt Nikos. Ihre Neugründung nannten sie Ariadne. Sie gab in der griechischen Mythologie dem Helden Theseus den Ariadnefaden und führte ihn so durch das Labyrinth des Minotauros. Quasi die erste Navigationssoftware, wie Georgios Pipelidis sichtlich amüsiert sagt.
UnternehmerTUM: Hilfe mit Rat und Tat
Aber einen Algorithmus für ein Startup zu haben, ist die eine Sache. Wie man so ein Startup gründet, einen Businessplan erstellt und Kapital findet die andere. Für eben diese Fragen verfügt das Münchener Ökosystem über eine zentrale Anlaufstelle: UnternehmerTUM, das Gründungszentrum der TUM.
"UnternehmerTUM hat uns beigebracht, wie wir ein Startup gründen und leiten", sagt Ariadne-Co-Gründer Pipelidis. So schaffte das Unternehmen bereits in den ersten Monaten einen Umsatz zu erzielen. Aus einer Navigationssoftware wurde ein KI-basiertes Personenzählungs- und Bewegungsanalyse-Tool, das unter anderem die Flughäfen von München, Glasgow und Los Angeles, die Städte Leverkusen, Bielefeld und Regensburg und mehrere Malls und Läden, darunter IKEA bedient.
Mit Rat und Tat steht Barbara Mehner Startups wie Ariadne zur Seite. "Wir helfen frühphasige Startups in den Markt reinzukommen, indem wir sie mit Investoren, mit Mentoren und potenziellen Kunden vernetzten", sagt die Managing Partnerin des Inkubators Xpreneurs bei UnternehmerTUM.
Liftbot Kewazo will Gerüstbau revolutionieren
Unter den jährlich mehr als 100 Tech-Start-ups, die in München entstehen, ist das Liftbot-Startup Kewazo der Griechin Eirini Psallida. Auch diese Idee wurde bei einem Hackathon von UnternehmerTUM geboren.
"Alle Branchen schienen uns durchautomatisiert zu sein, außer dem Baugewerbe", beschreibt Psallida die Ausgangsidee ihres Teams. Um die Arbeit auf dem Bau zu vereinfachen, hatte das Team ein Konzept für die Automatisierung des Gerüstbaus entwickelt.
Ihr Startup nannten sie Kewazo, in Anlehnung an das griechische Wort für produzieren "kataskevazo". Heute ist der Liftbot im täglichen Einsatz auf großen Industriestandorten und Baustellen - vom BASF-Standort Ludwigshafen bis hin zu Erdölraffinerien in den USA.
"Kaum vorstellbar, wie wir das ohne UnternehmerTUM geschafft hätten", räumt Eirini Psallida ein. Im Inkubator des Gründungszentrums hatte das Team Zugriff auf Hardware, Software, Anwälte und Berater. "Und wir hatten Hilfe, um öffentliche Gelder zu bekommen, ohne Equity des Unternehmens preiszugeben."
Ein Viertel der Unicorn-Gründenden aus dem Ausland
Das Team von Kewazo besteht aus sechs Gründenden aus vier Ländern und passt damit gut ins deutsche Startup-Ökosystem. Laut dem aktuellen Migrant Founders Monitor der Friedrich-Naumann-Stiftung und des Startup Verbandes hat ein nicht unerheblicher Anteil der Gründenden in Deutschland einen Migrationshintergrund.
"14 Prozent der Startup-Gründer:innen sind im Ausland geboren. Unter Unicorns - Startups mit Milliardenbewertung - sind es sogar 23 Prozent", sagt Vanusch Walk, Senior Researcher des Startup Verbands und leitender Forscher der Studie. Migrantische Gründer zeichnen sich laut Studie besonders durch ihr starkes unternehmerisches Mindset, ihre Risikobereitschaft und ihre Resilienz aus. Eigenschaften, die beim Gründen notwendig sind.
Gründende mit Migrationshintergrund haben höhere Hürden
Allerdings haben migrantische Gründende in Deutschland laut der Studie auch große Hürden zu überwinden. "Ganz vorne steht das Thema Zugang und Netzwerke", so Walk. Gründende mit Migrationshintergrund hätten größere Probleme, die Bürokratie zu bewältigen und auch der Zugang zu Förderungen von öffentlichen und privaten Geldgebern ist schwieriger.
Letzteres hat Georgios Pipelidis von Ariadne am eigenen Leib erfahren. Eine deutsche Venture Capital Firma hatte an eine Beteiligung die Voraussetzung geknüpft, ihn durch einen deutschen CEO zu ersetzen. Sie hätten einen Muttersprachler als "Aushängeschild" haben wollen, erinnert sich der Ariadne-Gründer.
"Ich kann verstehen, dass man beim Kontakt mit Kunden lieber auf jemanden setzt, der akzentfrei Deutsch spricht, deswegen sind auch unsere Verkäufer alle Muttersprachler, aber mich deswegen selbst als CEO abzulösen? Das ging mir zu weit", sagt der Jungunternehmer.
Letztendlich haben Georgios Pipelidis und Nikos Tsiamitros Starthilfe von einer griechischen Venture Capital Firma bekommen. Ihrer Begeisterung für die bayerische Landeshauptstadt hat allerdings selbst diese Erfahrung keinen Abbruch getan. Am langen Ende des Ariadnefadens steht für die beiden immer noch München.