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Islamexperte Schöller: Türkei nicht in Gefahr

Stefan Dege9. Juli 2014

Strahlt das neue Kalifat aus? Wie groß ist die Gefahr einer Radikalisierung der Muslime in gemäßigt muslimischen Anrainerstaaten – wie etwa der Türkei? Der Islamexperte Marco Schöller im DW-Interview

Prof. Dr. Marco Schöller
Bild: WWU Münster

Die Türkei hat islamische Gelehrte und Vertreter islamischer Institutionen aus dem Nahen Osten für 17. Juli in Istanbul zu einer Konferenz über die religiösen Aspekte der Konflikte in den Nachbarländern Irak und Syrien eingeladen. Wegen der Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten hatte das Religionsamt erst kürzlich vor einer drohenden Spaltung der islamischen Welt gewarnt.

DW: Herr Professor Schöller, wie groß ist die Gefahr einer Radikalisierung der Muslime in der Türkei? Müssen gemäßígt muslimische Länder sich jetzt warm anziehen?

Marco Schöller: Es gibt in vielen muslimischen Ländern eine kleine Minderheit, die in der Tat bereit wäre, sich in dieser Richtung zu radikalisieren. Es wird sicher nie ein Mehrheitsphänomen sein, auch nie eine Gruppe, die den Staat ernsthaft in Bedrängnis bringt, zumal der türkische Staat über eine starke Militärpräsenz und NATO-Unterstützung verfügt, und auch übrigens schon lange Erfahrung hat in der Unterdrückung der kurdischen Organisationen im Osten der Türkei. Eine ernste Gefahr sehe ich da jetzt erst mal nicht.

Die türkische Religionsbehörde hat islamische Führer aus den Nahen Osten für 17. Juli nach Istanbul eingeladen. Kann die Türkei da die Lunte austreten?

Das wird die Türkei nicht vermögen, weil sämtliche Leute, die man eingeladen hat, schon wieder als Vertreter der Regime in den islamischen Ländern gesehen werden. Davon lassen sich eher westlich orientierte oder liberale Muslime überzeugen, aber sicher nicht jene, aus denen sich die Anhängerschaft von ISIS rekrutiert. Für ISIS und andere islamistische Gruppen ist ja der türkisfche Staat , die türkische Regierung, die ganzen Gelehrten, die man jetzt einlädt, von vornherein Marionetten illegitimer Regime. Deren Meinung wird auf keinen Widerhall treffen, jedenfalls auf keinen positiven.

Was bringt dann so ein Treffen?

Es ist eine Selbstvergewisserung der islamischen Welt, ein Versuch der islamischen Regime oder der verschiedenen Regierungen in islamischen Ländern, sich zu positionieren gegen ISIS. Vermutlich wird das innertürkisch als wichtig empfunden – oder für die eigenen islamischen Regime. Dass man viel ausrichten wird, glaube ich nicht.

Europa wird seinen Umgang mit der Türkei also nicht überdenken müssen – als Schnittstelle zwischen der christlichen und der islamischen Welt, als Bollwerk gegen die Dschihadisten?

Als solches fungiert die Türkei immer noch. Trotz aller Unstimmigkeiten, die es manchmal gibt mit der Türkei und unglücklichen Aktionen der türkischen Regierung ist die Türkei immer noch – und ist es ja auch lange gewesen – ein Bollwerk des Westens im Nahen Osten. Das wird sich dadurch so schnell nicht ändern.

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Professor Dr. Marco Schöller, Jahrgang 1968, ist Professor für islamische Geschichte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, außerdem ist er Mitglied des "Excellenzclusters Religion und Politik" der Uni Münster

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