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Islamische Gemeinschaft des Kosovo verurteilt Kopftuch-Verbot

24. Februar 2004

Pristina, 20.2.2004, KOHA DITORE, alban.

Seit einigen Tagen in Folge erleben wir eine Kampagne einiger Personen sowie unserer Institutionen gegen alles, was mit dem Islam zu tun hat. Sowohl die individuellen als auch die kollektiven Rechte unserer Gläubigen und die durch internationales Recht und Konventionen garantierten Rechte werden auf brutalste Weise untergraben. Unsere Zeitungen ihrerseits scheinen sich auf die Gelegenheit zu freuen, ihre Seiten zu füllen, ungeachtet der Tatsache, dass sie jemanden verletzten könnten (in diesem Fall die islamischen Gläubigen). Andere fühlen ihre Wünsche befriedigt, wenn sie sehen, dass der Islam und die Muslime verachtet werden. Einige Leute gehen sogar so weit zu predigen und den Mund voll zu nehmen, obgleich sie nicht kompetent sind, über diese Themen zu Reden zu halten. Leider findet dies alles, wenn es darum geht, sich über den Islam auszulassen, in einer systematischen und koordinierten Weise statt.

Die Islamische Gemeinschaft Kosovas (BIK - MD) ist nicht daran interessiert, unser sowieso schon mit politischen Problemen überlastetes politisches System auch noch mit solchen Themen zusätzlich zu belasten, die mit dem nötigen Engagement und Verständnis auch ohne die Einmischung von Politikern gelöst werden können. Um der Wahrheit willen jedoch und um die Würde unserer Gläubigen (unserer Mitglieder) zu verteidigen, fühlen wir uns verpflichtet, unsere tiefe Sorge über einige Angriffe gegen alles, was mit dem Islam in Kosova zu tun hat, zum Ausdruck zu bringen.

Die Beleidigungen durch vier Sprecher unserer Regierung gegen eine Dolmetscherin der OSZE sind noch frisch, und wir alle wissen, wie ein Teil der Medien öffentlich ihr gegenüber Verachtung geäußert hat. Darüber hinaus überrascht es jeden, dass der Minister für öffentliche Dienste die Geste der Sprecher (sie weigerten sich, auf einer Reise nach Deutschland eine Dolmetscherin mit islamischem Kopftuch zu dulden - MD) rechtfertigte. Wir glauben, dass in einem Land wie Kosova, das nach mehr Demokratie strebt, dies keinem gerechten Zweck dient.

Das zweite Problem hat mit dem Verbot zu tun, das gegen einige Studenten der UP (Universität Pristina – MD verhängt wurde, ihre religiösen Pflichten in einem der Räume der National- und Universitätsbibliothek in Prishtina zu erfüllen und mit der Ausweisung genau dieses Raumes als Raucherraum. Unterdessen wird der Raum der Bibliothek von Organisationen genutzt, die mit Büchern nichts zu tun haben. In den letzten Tagen erlebten wir eine intensive Debatte über eine Schülerin der Sami-Frasheri-Oberschule in Pristina, der wegen ihres Kopftuchs von der Schulleiterin mit Schulverweis gedroht wurde.

Alle diese Aktivitäten der Institutionen Kosovas können als nichts anderes bezeichnet werden, denn als flagrante Verletzung der grundlegenden Menschenrechte: Der Rechte des Einzelnen und des Rechts auf seinen Glauben, die beide durch den Verfassungsrahmen und alle Gesetze und Konventionen über Menschentrechte garantiert werden.

Allerdings sollten die Aufrufe zum Erhalt des Laizismus in der kosovarischen Gesellschaft keinesfalls als Untergrabung der religiösen Rechte der Menschen, egal welchen Glaubens, verstanden werden. Laizistische Staaten sind nicht die Feinde der Religion. Der Laizismus der demokratischen Gesellschaften bedeutet, dass der Staat allen Religionen gegenüber eine neutrale Haltung beibehält und sie weder akzeptiert noch ablehnt, sie weder unterstützt noch behindert und die Freiheit des Glaubens garantiert. Der andere Ansatz ist der marxistische Laizismus, der die Religionen bekämpfte und alle als "Opium des Volkes" betrachtete.

Behauptungen, das Kopftuch sei ein religiöses Symbol des Islam, sind inakzeptabel. Religiöse Symbole sind diejenigen, die ausschließlich verwendet werden, um die religiöse Zugehörigkeit eines Menschen zum Ausdruck zu bringen, wie zum Beispiel das Kreuz am Hals der Christen und die Kippa, die Juden auf dem Kopf tragen – beide dienen einem Zweck, dem Ausdruck der Identität.

Das Kopftuch hingegen ist etwas völlig anderes, denn es dient einem echten Zweck: Der Bedeckung und der Ernsthaftigkeit, und keine, die ein Kopftuch trägt, denkt daran, damit ihre religiöse Identität kund zu tun. Indem sie es trägt, gehorcht sie vielmehr den Befehlen Gottes und den Regeln des Islam.

Aus diesem Grunde steht das Kopftuchverbot im Konflikt mit den Prinzipien der Freiheit. Es widerspricht den Grundsätzen der Gleichheit der Geschlechter und es widerspricht den internationalen Konventionen der Menschenrechte, denn die Unterhöhlung dieses Rechts bedeutetet religiöse Verfolgung, Einschränkung der Freiheit und es bedeutet, dass Frauen das Recht auf Bildung und Beschäftigung und so weiter verweigert wird.

Die wahre Zivilisationen ist gekennzeichnet durch Toleranz, religiöse, kulturelle und ethnische Vielfalt und die Vielfalt der Meinungen, und sie strebt nicht an, die Menschen zu einer Art von Kopien zu machen.

Wir müssen die Menschen dazu erziehen, einander zu respektieren und wenn wir durch Überzeugungen und Religionen getrennt sind, dann soll es so sein, wie der Koran lehrt: "Du hast deinen Glauben und ich habe meinen".

Wir sind irritiert durch einige Aussagen und Presseartikel, in denen das Kopftuch als Symbol dargestellt wird, das das Image Kosovas beschädige. Wie kann ein gebildetes Mädchen das Image Kosovas beschädigen, wenn sie sich nicht nur um den Unterricht kümmert, sondern auch um Kleidungsstil und Verhalten? Jemand, ob Mann oder Frau, der oder die Gott anerkennt und fürchtet, kann das Image Kosovas nicht beschädigen.

Indem wir uns auf die Prinzipien des Islam verlassen und unseren Wunsch äußern, einen bescheidenen Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Kosova und dessen weiteren Fortschritten zu leisten, fordern wir die Institutionen auf, sich korrekt und in Übereinstimmung mit den positiven Gesetzen gegenüber den Forderungen unserer Gläubigen zu verhalten, denn das ist die Pflicht, die sie gegenüber unseren Bürgern haben.

Versuche, einen Teil unserer Jugend zu diskriminieren, sind keine intellektuellen und progressiven Gesten, und sie haben nichts gemein mit unserer Tradition und der Zivilisation dieses Jahrhunderts. Daher, lasst die Menschen ihr Leben leben, so wie sie das wollen. Schließlich ist es ein Grundrecht, die Lebensweise zu wählen. Wir sollten nicht vergessen, dass repressive und herbwürdigende Akte die Ursache einer Radikalisierung der jungen Menschen sein können, etwas, das unsere Gesellschaft in dieser Zeit großer Veränderungen am wenigsten braucht. (MK)