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Island: Tiktoker löst Gurkennotstand aus

29. August 2024

Ein kanadischer Influencer veröffentlicht Gurkensalat-Rezepte auf Tiktok - und plötzlich wird auf Island das Gemüse knapp. Immer wieder verursachen Foodblogger und andere Influencer regelrechte Essenhypes.

Gurken
In Island derzeit ein knappes Gut: SalatgurkenBild: Max/Zoonar/picture alliance

Man nehme einen großen durchsichtigen Plastikbecher und stopfe dort recht lieblos hinein: eine komplette geraspelte Gurke und etwas Frischkäse. Dann zerschnippele man - mit der Schere - eine Scheibe Räucherlachs und raspele noch eine rote Zwiebel dazu. Schnell noch Salatsauce hineinkippen, hastig ein paar triefende Kapern aus ihrem Glas schaufeln, Zitronensaft, Salatkörner und ordentlich geschmacksverstärkende Glutamate drüberschütten. Bevor die Mischung über den Becherrand quillt, schnell noch den Deckel fest draufdrücken und das ganze ordentlich schütteln - fertig!

Das Ergebnis ist angeblich so - wie Logan Moffit schwärmt - "wahnwitzig" lecker, dass er den Mund gar nicht voll genug davon bekommen kann. Moffitt ist Kanadier - und ein Tiktok-Star: Er hat fast sechs Millionen Follower, seine Videos mit verschiedenen Gurkensalat-Rezepten wurden sogar schon bis zu 30 Millionen Mal angesehen. Bekannt ist der in Ottawa lebende Moffitt unter dem Spitznamen The Cucumber Guy - der Gurkentyp.

Insel ohne Gurken

Knapp 4000 Kilometer und gute acht Stunden Flugzeit weiter nordöstlich werden Moffitts Videos nun aber zu einem Problem. Bislang war das mitten im Nordatlantik gelegene Island vor allem für seine Vulkane, sein raues Klima und seine ursprünglichen Landschaften bekannt. Und eher weniger dafür, dass die knapp 400.000 Einwohner besonders versessen sein sollen auf das Verspeisen von Gurken. Dabei produziert das Land in seinen Gewächshäusern selbst tatsächlich sechs Millionen Gurken. Das sind umgerechnet rund 15 Gurken für jeden Isländer - pro Jahr.

Seit nun aber Moffitt seine Gurkensalat-Rezepte unter die Leute bringt und einige isländische Influencer Anfang August damit begonnen haben, seine Rezepte zu teilen, reicht das nicht mehr aus. In den einheimischen Supermärkten sind kaum noch Gurken zu finden. Nun sieht sich der Inselstaat gezwungen, das Gemüse aus den - deutlich weiter südlich gelegenen - Niederlanden zu importieren.

In großen, oft mit Erdwärme geheizten Gewächshäusern wird in Island erfolgreich Gemüse angebaut Bild: Reinhard Kungel/picture alliance

Besonders ein Rezept mit Sesamöl, Reisessig und Knoblauch sei so beliebt, dass auch die anderen Zutaten auf der Insel schnell ausverkauft gewesen seien, berichtete die britische BBC - auch wenn sich Vertreter des isländischen Bauernverbandes und der Lebensmittelindustrie umgehend bemüht haben, das Ausmaß der Nahrungsmittelknappheiten herunterzuspielen.

Hypes - schnell da, schnell wieder weg

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Influencer auf Social Media einen regelrechten Hype auf bestimmte Lebensmittel ausgelöst haben, auch wenn dabei meist nicht gleich ganze Länder betroffen sind. Im Juli 2023 hatte ein Foodblogger bunt gefüllte Croissants aus einer Bäckerei in New York auf Tiktok gepostet. Trotz eines Stückpreises von fast zehn US-Dollar wurde die Bäckerei daraufhin beinahe überrannt. Tagelang bildeten sich lange Schlangen, zeitweise wurden nur noch maximal zwei Croissants pro Kunde verkauft.

Im Januar 2024 kündigte der Schweizer Influencer Steve Merson über Tiktok an, vor einem Imbiss im Umland von Zürich kostenlos Döner zu verteilen. Der sich daraufhin bildende Andrang war so groß, dass nach zwei Stunden die Polizei anrücken musste, um die Versammlung aufzulösen. In Nürnberg lösten zwei Youtuberinnen, die eine eigene Bowl kreiert haben, einen Massenansturm vor einem Restaurant aus, in Regensburg drei Gaming-Stars, die über Youtube und Instagram ankündigten, dort Süßigkeiten zu verteilen.

Auch die Foodblogger-Szene hat in den vergangenen Jahren immer mehr Zulauf erfahren. Zahlreiche Tiktoker haben sich dort mit eigenen, teils abstrus wirkenden Gerichten etabliert und eine treue Fangemeinde aufgebaut, die ihre Rezepte nachkocht und teilt - so wie etwa der deutsche Influencer Paul Cooks, der seine Kreationen gerne mal mit rohem Fleisch garniert.

Immer wildere Kreationen

Allen diesen Foodhypes gemein ist, dass sie relativ unvermittelt auftauchen, dann aber auch ebenso schnell wieder abflauen. Auch in Island reagieren die betroffenen Verbände daher eher gelassen. Spätestens in einer Woche, heißt es von einer Sprecherin des isländischen Bauernverbandes, solle die Grundversorgung der Isländer mit Gurken wieder gewährleistet sein.

Derweil hat sein bisheriger Erfolg auch den Gurkentyp Logan Moffitt immer experimentierfreudiger werden lassen. In einem seiner neuesten Gurkensalat-Videos mischt er sein Lieblingsgemüse mit Erdbeermarmelade, Erdnussbutter und Honig. Dass nun auch dieses Rezept einen so durchschlagenden Erfolg hat, dass plötzlich Erdbeermarmelade, Erdnussbutter und Honig in Island knapp werden, ist trotz des derzeit großen Hypes um den Cucumber Guy eher unwahrscheinlich.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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