Merz fordert Netanjahu zu Waffenruhe in Gaza auf
27. Juli 2025
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat erneut mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert und auf eine Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen gedrungen. "Der Bundeskanzler brachte seine große Sorge zur katastrophalen humanitären Lage in Gaza zum Ausdruck. Er forderte Premierminister Netanjahu auf, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um umgehend einen Waffenstillstand zu erreichen", teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius mit.
Merz habe Netanjahu auch dazu aufgerufen, der hungernden Zivilbevölkerung im Gazastreifen die dringend notwendige humanitäre Hilfe jetzt zukommen zu lassen. "Den von der israelischen Regierung angekündigten Maßnahmen müssten nun rasch substanzielle weitere Schritte folgen", hieß es aus Berlin.
Hilfsgüter aus der Luft
Die israelische Armee hat unterdessen auf die internationale Kritik an der humanitären Lage im Gazastreifen mit dem Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft reagiert. Es seien sieben Paletten mit Hilfsgütern wie Mehl, Zucker und Lebensmittelkonserven abgeworfen worden, die von internationalen Organisationen bereitgestellt worden seien, teilte das Militär in der Nacht mit.
Zusätzlich zu den Luftabwürfen kündigte das israelische Militär sogenannte "humanitäre Pausen" in bestimmten Regionen an. Ziel ist es, UN-Konvois die sichere Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten zu ermöglichen.
Ab heute werde die Armee "jeden Tag bis auf weiteres" von 10 bis 20 Uhr Ortszeit eine "taktische Pause der militärischen Aktivitäten für humanitäre Zwecke" einlegen, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Die Pause gelte in den Gebieten, in denen die Armee nicht operiere: Al-Mawasi im Südwesten des abgeriegelten Küstenstreifens, in Deir al-Balah im Zentrum sowie in der Stadt Gaza im Norden. Dies sei nach entsprechenden Gesprächen mit den UN- sowie internationalen Organisationen abgestimmt worden, hieß es.
Ferner würden von 6 bis 23 Uhr Ortszeit Korridore eingerichtet, um die sichere Durchfahrt von Konvois der UN- und anderer Hilfsorganisationen zu ermöglichen, die Lebensmittel und Medikamente an die Bevölkerung im gesamten Gazastreifen liefern und verteilen, teilte die Armee weiter mit.
Das Außenministerium kündigte eine erste Feuerpause für diesen Sonntag an. Gleichzeitig betonte die Armee, ihre Einsätze gegen "Terroristen" in anderen Gebieten fortzusetzen.
Seit dem Bruch einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter in das abgeriegelte Küstengebiet gelangt. Israel und die UN werfen sich gegenseitig vor, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte zuletzt eindringlich vor einer tödlichen Hungerkrise unter den rund zwei Millionen Einwohnern des Gazastreifens. Israel bestreitet dies und macht die Hamas für die prekäre Lage verantwortlich. Die islamistische Organisation, die von vielen Ländern als Terrorgruppe eingestuft wird, beschlagnahme Hilfstransporte, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen, so die israelische Darstellung.
Macron drängt auf Zweitstaatenlösung
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, die Blockade von Hilfsgütern und die Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes in Gaza stellten ein untragbares Risiko für eine Hungersnot und die Zwangsvertreibung der Bevölkerung dar. "Wir können nicht hinnehmen, dass die Bevölkerung, darunter viele Kinder, an Hunger stirbt", schrieb Macron und forderte erneut eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln.
Eine am Montag in New York von seinem Land und Saudi-Arabien geplante internationale Konferenz zur Zweistaatenlösung müsse eine neue Dynamik zugunsten einer gerechten und dauerhaften Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Grundlage der Zweistaatenlösung schaffen, schrieb Macron.
Die Arbeit werde auf der UN-Generalversammlung im September in New York fortgesetzt. Macron hatte zuvor bereits angekündigt, er werde dort dann die Anerkennung Palästinas als Staat verkünden. Dafür hatte er scharfe Kritik Israels und seines Verbündeten USA auf sich gezogen.
Stand der Geisel-Verhandlungen offen
In Israel gingen derweil mehrere Tausend Menschen für eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der weiter von der Hamas festgehaltenen Geiseln auf die Straße. Bei der Kundgebung in Tel Aviv appellierte eine frühere Geisel an US-Präsident Donald Trump: "Ich bitte Sie dringend: Bitte nutzen Sie alle Mittel, alle Einflussmöglichkeiten, um sie alle nach Hause zu holen. Ein umfassendes Abkommen ist der einzige Weg nach vorn, und nur Sie können es möglich machen."
Am Donnerstag hatten die USA und Israel ihre Verhandlungsteams von den indirekten Gesprächen in Katar über eine Feuerpause zurückgerufen. Wie es jetzt mit den Bemühungen um eine Waffenruhe weitergeht, bleibt abzuwarten. Nach israelischen Angaben befinden sich noch 50 Geiseln im Gazastreifen, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen.
Terroristen der Hamas und andere Islamisten hatten bei ihrem Überfall in Israel am 7. Oktober 2023 mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Mehr als 1200 Menschen wurden getötet. Es war der Auslöser des Krieges. Seither sind laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen Zehntausende Menschen getötet worden. Die unabhängig nicht überprüfbaren Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
pgr/haz/pg/ack/hf (dpa, afp)
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