Waffenruhe im Gazastreifen in Kraft - Israel beginnt Rückzug
Veröffentlicht 10. Oktober 2025Zuletzt aktualisiert 10. Oktober 2025
Die israelischen Streitkräfte haben bestätigt, dass seit dem Mittag (11.00 Uhr MESZ) im Gazastreifen die Waffen schweigen. Die Truppen hätten mit einem Teilrückzug begonnen und würden entlang der aktualisierten Einsatzlinien in Stellung gehen, heißt es in einer Mitteilung des Militärs. Dies geschehe auch in Vorbereitung auf die Rückkehr der Geiseln. Soldaten des Südkommandos würden aber weiterhin "jede unmittelbare Gefahr ausschalten".
In einer Erklärung auf Arabisch gab die Armee die Wiedereröffnung der Rashid Road und der Salah-Al-Din-Road, der Hauptverbindungsstraße zwischen dem Norden und dem Süden des Palästinensergebiets, bekannt. Die Streitkräfte warnten Bewohner aber davor, sich israelischen Soldaten zu nähern. Sie fügten hinzu, mehrere Teile des Gazastreifens seien weiterhin "äußerst gefährlich".
Kabinett billigt "Phase eins" des Trump-Plans
In der Nacht zum Freitag hatte die israelische Regierung die erste Phase des 20-Punkte-Plans von US-Präsident Donald Trump zu Gaza angenommen. Mehrere rechtsextreme Minister im Kabinett stimmten laut Medienberichten gegen die Vereinbarung mit der palästinensischen Hamas, darunter Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich. Ben-Gvir begrüßte zwar die geplante Freilassung der Geiseln, sprach angesichts der vorgesehenen Entlassung von rund 2000 palästinensischen Häftlingen aber von einem "unerträglich hohen Preis".
Der palästinensische Zivilschutz im Gazastreifen bestätigte, israelische Truppen hätten sich aus mehreren Regionen der Stadt Gaza zurückgezogen. Militärfahrzeuge hätten auch Teile der Stadt Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets verlassen. 53 Prozent des Gazastreifens werden nach wie vor von israelischen Truppen kontrolliert.
Die von beiden Kriegsparteien gebilligte erste Phase des Trump-Plans sieht vor, dass 24 Stunden nach dem Inkrafttreten der Waffenruhe und dem Teilrückzug der israelischen Soldaten innerhalb von 72 Stunden alle noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln freigelassen werden. Die Rückkehr der Verschleppten soll ohne öffentliche Zeremonie und ohne anwesende Medienvertreter vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes organisiert werden.
Zudem sollen unverzüglich täglich mehrere hundert Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen fahren. Die Versorgungslage unter den zwei Millionen Palästinensern ist katastrophal. Nach Angaben der Hilfsorganisation Ägyptischer Roter Halbmond machten sich am Donnerstag bereits mehr als 150 Lkw auf den Weg.
Die Hamas, die von vielen Staaten als Terrororganisation gelistet wird, hatte den Krieg im Gazastreifen bereits am späten Donnerstagabend für beendet erklärt. Man habe Garantien von den arabischen Vermittlern und der US-Regierung erhalten - alle hätten bestätigt, dass die Kämpfe vorbei seien, sagte der ranghöchste Hamas-Anführer im Ausland, Chalil al-Haja, in einer TV-Ansprache.
USA entsenden Soldaten in die Region
Fast zeitgleich mit dem Kabinettbeschluss in Israel teilte das Weiße Haus in Washington mit, die USA würden die Einhaltung der Waffenruhe in Gaza mit eigenen Soldaten unterstützen. Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs (CENTCOM) werde 200 Soldaten bereitstellen, die allerdings nicht im Gazastreifen eingesetzt würden, erklärten hochrangige US-Regierungsbeamte.
Es gehe darum, ein gemeinsames Kontrollzentrum zu errichten, an dem auch Streitkräfte aus Ägypten, Katar, der Türkei und wahrscheinlich auch der Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt sein würden, hieß es in Washington weiter. Das Zentrum solle die verschiedenen Sicherheitskräfte zusammenführen und Einsätze mit der israelischen Armee abstimmen. Wo genau die Soldaten stationiert sein werden, sei noch offen.
Wenig Vertrauen auf beiden Seiten
Auf beiden Seiten gebe es nicht viel Vertrauen, dass der vereinbarte Plan tatsächlich eingehalten werde, machten die hochrangigen Regierungsvertreter in Washington deutlich. Es bestehe auch die Sorge, dass Israel seine Militäreinsätze zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen könnte.
Trotz der Einigung auf die erste Phase des Friedensplans sind noch viele Fragen offen, die erhebliches Konfliktpotenzial bergen. Über eine Reihe strittiger Punkte soll später verhandelt werden. So hat sich die Hamas bislang nicht dazu bereit erklärt, ihre Waffen abzugeben, wie es der Trump-Plan vorsieht. Zudem ist noch völlig unklar, wie der Gazastreifen künftig regiert wird. Fraglich ist auch, ob der Plan letztlich zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen wird - also der friedlichen Koexistenz eines unabhängigen palästinensischen Staats neben dem jüdischen Staat Israel.
Deutschland bringt sich auch ein
An der Umsetzung der Waffenruhe in Gaza und dem vorgesehenen Friedensprozess für die Region will sich Deutschland beteiligen. Kanzler Friedrich Merz listete in einer Erklärung mehrere Punkte auf.
Darunter ist eine sofortige humanitäre Hilfe in Höhe von 29 Millionen Euro. Außerdem will die Bundesregierung zusammen mit Ägypten zu einer internationalen Wiederaufbaukonferenz für den Gazastreifen einladen. Ferner will sich Deutschland an dem von Trump vorgeschlagenen Friedensrat beteiligen. Dieser soll eine künftige Übergangsregierung des Gazastreifens kontrollieren.
Merz signalisierte auch, dass die vor einigen Wochen erfolgten Einschränkungen der Rüstungslieferungen an Israel wieder aufgehoben werden könnten.
Der Terrorüberfall der Hamas und anderer islamistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte den Krieg ausgelöst. Mehr als 1200 Menschen wurden dabei getötet, 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit einer massiven Militäroffensive. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser getötet.
se/pgr/wa (dpa, rtr, ap, afp, kna, dw)
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