Israel bereitet Verschärfung der Gaza-Angriffe vor
4. Mai 2025
Das israelische Nachrichtenportal "ynet" berichtet, eine größere Offensive könnte bereits in den kommenden Tagen beginnen. Ziel ist es demnach, den Druck auf die militant-islamistische Hamas zu erhöhen, um die Freilassung weiterer Geiseln zu erzwingen.
Die Zeitung "Jerusalem Post" berichtete, die geplante Mobilisierung von Reservisten sei massiv, aber immer noch deutlich kleiner als direkt nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer Extremistengruppen in Israel am 7. Oktober 2023. Laut "ynet" sollen einige der Reservisten reguläre Truppen ablösen, die gegenwärtig an der Nordgrenze oder im Westjordanland im Einsatz sind, damit diese wiederum in den Gazastreifen geschickt werden können. Für einige Reservisten sei es bereits die siebte Einberufung seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren.
Ein israelischer Regierungsvertreter sagte "ynet": "Solange die Hamas unsere Geiseln nicht freilässt, werden wir unsere militärische Operation deutlich intensivieren." Eine letzte Chance bleibe nur, wenn die Hamas in letzter Minute einem Abkommen zustimme.
Kritische humanitäre Lage im Gazastreifen
Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Gebäude im Süden des Gazastreifens wurden nach Angaben der palästinensischen Behörden mindestens elf Menschen getötet, darunter auch Frauen und Kinder. Die israelische Armee erklärte, Ziel sei ein Hamas-Mitglied gewesen.
Eine Ausweitung der Angriffe dürfte die ohnehin prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen weiter verschärfen. Hilfsorganisationen sprechen von katastrophalen Zuständen. Seit gut zwei Monaten lässt Israel keine Hilfslieferungen mehr in das abgeriegelte Gebiet, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben. Die Armee wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.
Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete zuletzt, die USA und Israel planten, mit Hilfe einer privaten US-Firma Hilfsgüter an der Hamas vorbei in den Gazastreifen zu bringen. Ein entsprechendes Abkommen stehe kurz vor dem Abschluss.
Netanjahu kritisiert Vermittlerland
Derweil hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Vermittlerland Katar scharf angegriffen. Er warf dem Golfemirat vor, "mit seiner Doppelzüngigkeit beide Seiten auszuspielen". Katar müsse sich "entscheiden, ob es auf der Seite der Zivilisation oder auf der Seite der Hamas-Barbarei" stehe, erklärte Netanjahu im Onlinedienst X. "Israel wird diesen gerechten Krieg mit gerechten Mitteln gewinnen", fügte Netanjahu hinzu.
Katar wies Netanjahus Vorwürfe umgehend zurück. Die "provokativen" Äußerungen des israelischen Regierungschefs entsprächen nicht "den grundlegendsten Standards politischer und moralischer Verantwortung", erklärte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madsched al-Ansari, bei X.
Katar ist neben Ägypten und den USA ein wichtiger Vermittler bei den Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen. Das Golfemirat beherbergt nicht nur den größten US-Stützpunkt im Nahen Osten, sondern auch das Politbüro der im Gazastreifen herrschenden Hamas.
Katar hatte zusammen mit den USA und Ägypten eine im Januar in Kraft getretene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen vermittelt. Bemühungen um eine neue Waffenruhe und die Freilassung der noch immer von der Hamas festgehaltenen Geiseln waren bislang erfolglos.
Geisel-Videos als "psychologische Kriegsführung" der Hamas
Zuvor hatte die Hamas ein neues Geisel-Video veröffentlicht. In der rund vierminütigen Aufnahme ist ein Mann zu sehen, der am Kopf und am linken Arm bandagiert ist. Die Nachrichtenagentur AFP identifizierte ihn wie die meisten israelischen Medien als Maxim Herkin. Der Familienvater, der in dem Video Hebräisch mit russischem Akzent spricht, bezeichnet sich darin als "Gefangener 24". Er deutet zudem an, bei einem israelischen Luftangriff verletzt worden zu sein.
Unklar ist, wann genau das Video aufgenommen wurde. Der als Geisel verschleppte Mann verweist darauf, dass Israel in Kürze seinen Unabhängigkeitstag begehe - was darauf hindeutet, dass es kurz vor den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 1. Mai aufgezeichnet wurde.
Herkin stammt ursprünglich aus der Ukraine. Der 36-Jährige war mit seiner Mutter nach Israel ausgewandert und besitzt neben der israelischen auch die russische Staatsbürgerschaft. Er war am 7. Oktober 2023 von der Hamas bei deren Überfall auf das Nova-Musikfestival im Süden Israels entführt worden.
Herkins Familie forderte die Medien in einer Erklärung auf, das Hamas-Video nicht zu verbreiten. Die Hamas und der Islamische Dschihad haben in der Vergangenheit immer wieder Videos von Geiseln veröffentlicht. Israel verurteilt diese Veröffentlichungen als "Propaganda" und "psychologische Kriegsführung".
Rückkehr der Geiseln hat "höchste Priorität"
Die Hamas und mit ihr verbündete islamistische Palästinensergruppen hatten am 7. Oktober 2023 bei ihrem beispiellosen Angriff auf Israel rund 1200 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Allein beim Nova-Festival töteten Hamas-Mitglieder und ihre Verbündeten bei Massakern mindestens 370 junge Menschen. 58 Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt der Islamisten, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee tot. Die Europäische Union, ebenso wie die USA, Deutschland und weitere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
In Tel Aviv demonstrierten derweil erneut mehrere tausend Menschen für die Rückkehr der Geiseln. "Wir sind hier, weil wir wollen, dass die Geiseln nach Hause kommen", sagte die 64-jährige Arona Maskil der Nachrichtenagentur AFP bei dem Protest vor dem Verteidigungsministerium. "Wir sind hier, weil wir nicht glauben, dass der Krieg in Gaza derzeit überhaupt gerechtfertigt ist."
Die große Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit betrachte die Rückkehr der Geiseln als "die höchste moralische Priorität der Nation", erklärte das Forum Geisel-Familien. Ihm zufolge gibt es "noch immer ein kritisches Zeitfenster, um eine Vereinbarung zu erreichen, die Leben rettet und weitere Verluste verhindert".
pgr/ch/al (dpa, afp)
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